Eine Generation bricht ihr Schweigen

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Blick ins Flüchtlingslager Bärenbräu: Hier lebten Familien in der Nachkriegszeit in Bamberg unter einfachsten Bedingungen. Die Erinnerungen an diese Zeit und die davor lassen viele nicht los. Foto: Stadtarchiv/Max Gardill (1946/47)
Blick ins Flüchtlingslager Bärenbräu: Hier lebten Familien in der Nachkriegszeit in Bamberg unter einfachsten Bedingungen. Die Erinnerungen an diese Zeit und die davor lassen viele nicht los. Foto: Stadtarchiv/Max Gardill (1946/47)

Die Wunden, die der Zweite Weltkrieg vor 70 Jahren in die Seelen der Kinder brannte, schmerzen teilweise noch heute. Für viele war und ist es schwer, darüber zu reden. Beim Gesprächsabend der Reihe "Gott und die Welt" in Bad Staffelstein stand das Thema aber ausnahmsweise im Mittelpunkt.

"Wie ist es mit den Altlasten bei den Menschen?" Eine Frage, die beim Gesprächsabend der Reihe "Gott und die Welt" im Mittelpunkt stand. Ein Abend über Kriegskinder und Kriegsenkel und davon, dass die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges oftmals weiterreichen als gedacht. Eingeladen hatte die ökumenische Kur- und Urlauberseelsorge Bad Staffelstein.

Es ging auch um die Gründe für eine lange Sprachlosigkeit. Denn das, was die Kriegskinder erlebt hatten wurde totgeschwiegen. Was die Kinder erlebten war Realität: wenn die Bomben fielen, Väter und Söhne starben und Menschen verhungerten.

"Unter der Last von Schuld und Scham wurde nach dem Krieg darüber schnell der Mantel des Schweigens gelegt. Man war froh, überlebt zu haben", erläuterte Pfarrerin Anja Bautz in einer kurzen Einführung. Damals dachten viele noch, dass kleine Kinder den Schrecken des Krieges nicht mitbekämen.
Heute wisse man, dass kleine Kinder besonders verletzlich seien.


Tragödie in Kinderworten

Das Gedicht eines zehnjährigen Flüchtlingskindes mag auf den ersten Blick harmlos klingen. Anfangs war die Familie noch mit Pferd und Wagen unterwegs, später dann zu Fuß und dann hatten sie es mit den Russen zu tun. Will heißen, dass die Flucht immer beschwerlicher wurde, die Mutter vergewaltigt wurde und ein Geschwisterchen bei einem Bombenbeschuss ums Leben kam.

Für die Kriegskindergeneration wurde es auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht leichter. Manche Väter waren traumatisiert, mussten mit ihrer eigenen Schuld fertigwerden und mit dem, was sie in der Gefangenschaft erlebt hatten. Wer therapeutische Hilfe benötigte, fand oft keine.
"In Deutschland war man sich lange Zeit nicht im Klaren darüber, dass auch die Kinder der Täter Hilfe benötigten und nicht nur die Opfer", erläuterte Pfarrerin Anja Bautz.

Einige Teilnehmer der Gesprächsrunde hatten den Krieg noch als Kinder erlebt, konnten sich gut daran erinnern, wie es gewesen war. "Während des Kriegs haben viele geschwiegen, weil sie niemand in Gefahr bringen wollten", erklärt eine Teilnehmerin.

"Auch wer zurückgekommen ist, hatte Angst", berichtete ein weiterer Zeitzeuge. Viele Kriegsteilnehmer konnten über ihre Erlebnisse nicht sprechen, nicht wenige hätten mit dem Trinken angefangen.
Vielen wurde auch gesagt: "Sei froh, dass du es überlebt hast." Und dann ging es auch darum, den schwierigen Alltag zu bewältigen und das Land wieder aufzubauen. Manch einer hat erst Jahrzehnte später einen Weg gefunden, mit dem Erlebten umzugehen.


Rücksicht auf die Eltern

Als Kind wollte sie die Erlebnisse der Elterngeneration nicht hören, gibt ein Diskussionsteilnehmer zu bedenken. "Weil man den Vater nicht leiden sehen wollte." Mitunter hätten die Eltern auch geschwiegen, weil sie die Kinder nicht belasten wollten, erklärt ein Mann.

Dabei sei Aufarbeitung wichtig, um inneren Frieden zu finden. Im Gespräch wurde deutlich, dass es auch ein Stück weit um die Anerkennung gehe, dass es die Elterngeneration schwer gehabt hatte.
Eine weitere Erkenntnis des Abends: Die Menschheit lernt nicht aus der Vergangenheit. Auch heute gibt es Kriegshandlungen, sind Millionen von Menschen auf der Flucht. Und es sind wieder die Kinder, die darunter leiden.

Der nächste Gesprächsabend in der Schön-Klinik der Reihe "Gott und die Welt" findet am Mittwoch, 21. Oktober, um 19 Uhr über "Gott braucht keine braven Menschen" statt.