Die Suche nach der Marschrouten für Lichtenfels

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Die Lichtenfelser Innenstadt von oben betrachtet. Aus der Nähe besehen liegt einiges im Argen. Foto: Matthias Einwag
Die Lichtenfelser Innenstadt von oben betrachtet. Aus der Nähe besehen liegt einiges im Argen. Foto: Matthias Einwag

Es gleicht ein wenig einer Operation am offenen Herzen mit fünf Ärzten und Heilern gleichzeitig: Die Lichtenfelser Innenstadt krankt an Akzeptanz un d Attraktivität. Was also ist zu tun?

Die Mitte Lichtenfels neu zu erfinden, dazu trug am Dienstag eine Infoveranstaltung der IHK für Oberfranken und der Stadt Lichtenfels im Stadtschloss bei. Allein der "Stein der Weisen" wurde nicht gefunden. Gegensätzliche Meiningen prallten aufeinander, vieles wurde schon gesagt, einiges aber war neu.
Zum Beispiel soll es nach Wunsch einer Anwaltskanzlei möglich sein, alte Häuser abzureißen, und neue zu bauen. Es wurde angeregt, dass der Korbmarkt zweimal im Jahr stattfinden müsse. Andere wollten die Innenstadt als Wohnstadt entwickeln. Bemängelt wurden fehlende Kinderspielplätze im Zentrum und einige wünschten sich die Zeit wieder herbei, als der Verkehr über Marktplatz rollte. "Die Fußgängerzonen sind der Tod der Kleinstädte, alles andere ist Augenwischerei", hieß es.


Wohnen und arbeiten

Geschäftsinhaber Rüdiger Heidenreich plädierte für wohnen und arbeiten in der Innenstadt. Er hat ein marodes Gebäude in der Inneren Bamberger Straße gekauft, saniert und lebt dort zufrieden. Er wollte zunächst nicht in die Stadt: "Mittlerweile will ich aber nicht mehr heraus", gab der Geschäftsmann zu. Kurze Wege und es gibt alles was man braucht. Sein Rat: jetzt investieren, in einer Zeit, in der die Zinsen niedrig sind. Allerdings hoffe er auf eine Anpassung der Denkmalsschutzbehörde, die auch realisieren müsse, dass die Zahl der älteren und gebrechlichen Menschen zunehme.

"Kampf gegen Windmühlen"

Geschäftsinhaberin Elke Sünkel, bezeichnete ihre Situation als "Kampf gegen Windmühlen". Nach dem Wegzug des Müllermarktes bliebe die Laufkundschaft weg. Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) versprach, ein Leitsystem in Lichtenfels zu installieren. Leerstände in der Innenstadt schmerzten ihn. Viele Häuser stünden zum Verkauf. "Abreißen geht nicht wegen des Denkmalschutzes", machte er deutlich. Er appellierte an die Besucher, aktiv bei der Stadtentwicklung mitzuarbeiten; denn: "Stadt, mach mal, geht nicht." Wohnraum für junge Familien müsse geschaffen werden. Seine Hoffnung galt dem neuen Citymanager.
Immer wieder tauchte die Forderung nach Öffnung der Inneren Bamberger Straße für den Verkehr auf. Doch im Plenum wurde das verneint. Auch die dort ansässigen Geschäftsleute wollten das nicht. Ein Geschäftsinhaber beklagte hohe Nebenkosten wie Beiträge für Berufsorganisationen, Steuern oder Miete, die fällig sind, ehe ein Cent verdient sei.
Wilhelm Wasikowski, Vizepräsident der IHK für Oberfranken, hatte die Veranstaltung organisiert. Er plädierte für hochwertigen Wohnraum für hochqualifizierte Mitarbeiter, damit sie nicht nach Bamberg oder Bayreuth abwanderten. Sein Wunsch war kostenloses Parken, damit die Kundschaft nicht beim Einkauf unter Zeitdruck gerate. Rita von Franztky, von der BayernGrund Grundstücksbeschaffungs- und erschließungs GmbH hob die enge Bebauung der Innenstadt hervor. "Es gibt wenig Freiräume und wenig Grün", sagte sie. Sie rief die starke Veränderung in Erinnerung: "Seit 30 Jahren ist unglaublich viel geschehen".
Kreishandwerksmeister Mathias Söllner regte an, jungen Unternehmern bei Geschäftseröffnungen mit einer Ausfallbürgschaft unter die Arme zu greifen. Immer wieder wurde deutlich, dass die Lösung für eine Innenstadtentwicklung nicht von Einzelmaßnahmen abhängig sei. Tenor:"Wir brauchen eine Interessengemeinschaft, die sich nicht nur aus Geschäftsleuten, Immobilieninhabern oder Vertretern der Verbände zusammensetzt, sondern alle müssten mitmachen auch Dienstleister, Ärzte und Rechtsanwälte.

Spielplätze in schlechtem Zustand

Bei dem Vorschlag, einen Shuttlebus vom Fachmarktzentrum in die Innenstadt einzusetzen, winkte Frantzky ab. "Wer will denn auf einen Bus warten?", fragte sie. In den paar Minuten sei man schon zu Fuß am Ziel. Gleiche Öffnungszeiten für alle Geschäfte könne in Lichtenfels nicht durchgesetzt werden, machte Rüdiger Heinrich deutlich. Er selber richte sich nach der Kundschaft und veranstalte Events, die bis 22 Uhr gehen. Eine junge Mutter beklagte fehlende Kinderspielplätze in der Innenstadt. "Die es gibt, sind in einem schlechten Zustand." Bürgermeister Hügerich wies auf den kleinen Spielplatz auf dem Markt hin. "Der Marktplatz soll kein Abenteuerspielplatz werden", unterstrich das Stadtoberhaupt.
Als Unternehmerin mit 30 Mitarbeitern stellte sich Pfarrerin Anne Salzbrenner vor. "Wo bleiben unsrer Alten?" fragte sie. Es gebe keinen Pflegeeinrichtungen im Zentrum. In anderen Städten seien die Senioren mittendrin und nicht am Waldrand. Sie regte an, junge Leute und Familien in die Innenstadt zu holen und fragte: "Was wünschen sich denn die Menschen in dieser Stadt?"
Jan Vorholt stellte eine umfassende Analyse mit Bildern vor, die er bei mehreren Besuchen erarbeitet hatte. Danach verringerte sich die Einwohnerzahl von 21 452 im Jahr 2004 auf 20 010 im Jahre 2014. Die Beschäftigungsentwicklung zeige einen Aufwärtstrend von 6856 auf 7950 in diesem Zeitraum. Die Übernachtungszahlen seien mit rund 73 000 gleich geblieben. Er hob die qualifizierte Fachgeschäfte in der Innenstadt hervor und machte deutlich, dass kleine Läden abseits der "Front" keine Chance zum Überleben hätten. "Nebenlagen müssen umgesiedelt werden", sagte er. Er bemängelte, dass es keine offizielle Marschroute gebe. Es müsse eine gemeinsame Qualitätsstrategie entwickelt werden. "Es wurde viel gemacht, aber nicht genug", stellte Vorholt fest. Er regte ein kundenorientiertes Park- und Leitsystem an und vermisste ein zertifiziertes Radlerhotel angesichts der zahlreichen Fahrradfahrer in der Innenstadt. Sein Wunsch war, Lust auf die Innenstadt zu machen.