Heute ist ein besonderer Tag für Josef Hetzel aus Kaider: Der Familienvater ist den ganzen Tag im Lautergrund unterwegs, um große und kleine Kinder zu besuchen, Gedichte und Lieder zu hören und Geschenke auszuteilen.
Donnerstag, 6. Dezember. Sorgfältig hat Josef Hetzel schon vor Tagen sein Kostüm bereit gelegt. Die schwarzen Stiefel sind geputzt, die zwei Meter lange Weidenrute bekommt eine neue rote Schleife. Während Hetzel seinen Jutesack ausstopft, erinnert er sich gerne an die letzten 20 Jahre. Das eine oder andere ist da schon passiert, Verrücktes, Lustiges, Dramatisches. In der Grundschule in Uetzing ist er einst erkannt worden, ein Junge rief ständig: "Nikolaus, ich kenn' dich! Ich kenn' dich!" Die Versuche des Lehrers Josef Ellner, den vorlauten Drittklässler zu stoppen, blieben ohne Erfolg. Schließlich lachte die ganze Klasse, der Nikolaus selbst schimpfte: "Wenn du nicht ruhig bist, stecken wir dich in den Sack!" Eine Verfolgungsjagd durch das Klassenzimmer begann, der Schüler voraus, Lehrer und Nikolaus hintennach. Als die beiden den vorlauten Buben endlich geschnappt hatten und gerade dabei waren, ihn in den Sack zu stecken, waren der Tumult und das Gelächter im Klassenzimmer so groß, dass aus der Nebenklasse Lehrer Hümmer zur Tür hereinkam und nach dem Rechten sehen wollte. Nach ein paar Minuten durfte der Junge wieder aus dem Sack. Kleinlaut und mit rotem Kopf schlich er auf seinen Platz. "Ansonsten sind die Kinder recht brav", meint Josef Hetzel. Sie zeigen ihre Hefte, damit er ihre Schönschrift lobt, sie singen ein Lied, oder haben ein Nikolaus-Gedicht auswendig gelernt.
Vorsichtig bei Kleidungsstücken Nun richtet er sein Kostüm her: Der lange rote Mantel mit der großen Kapuze wird noch glattgestreift, jetzt sieht er nach seinem Bart. "Manchmal fusselt die weiße Watte ganz schön - das stört beim Reden, und ich muss erstmal einen Schluck trinken", berichtet Hetzel. Doch wie trinkt man mit einem Watte-Vollbart? Einfach hochheben und drunter schlürfen? Nein, da kann mich ja jemand erkennen, meint Hetzel. Er bestellt sich dann einen Strohhalm und trinkt aus einem Glas, das gehe dann schon eher.
Sorgfältig legt er nun die weiße Kordel zurecht; mit ihr ist der Mantel auf Leibesmitte zusammengebunden. Bevor er die schwarzen Handschuhe überstreift, muss noch die Armbanduhr runter. Auch an der könnten ihn die Kinder ja erkennen. Mit den Stiefeln ist er auch schon vorsichtig geworden: Einst wäre er fast erkannt worden, als er bei einer Weihnachtsfeier bei der Fußballjugend im Sportlerheim noch als Gast Platz genommen hatte. "Genau die selben Schuhe hat der Nikolaus angehabt", rief eines der Kinder.
Der Nikolaus bekam Besuch Auch an ein "dramatisches" Ereignis kann sich der knapp zwei Meter große Mann erinnern: Die Mutter eines Vierjährigen bat ihn, bei seinem Besuch dem Kleinkind zu sagen, dass es seinen geliebten Gute-Nacht-Schnuller herausgeben solle. Das hat der Bub auch freiwillig getan. Doch als es schon spät abends war, bekam der Nikolaus zuhause selbst Besuch: Der Vater des Kleinen war extra aus dem einige Kilometer entfernten Kümmersreuth noch zu ihm gefahren, um den Schnulli wieder zu holen - der Bub könne nicht einschlafen.
Ein anderes Mal durfte der Nikolaus erst gar nicht die "gute Stube" betreten: "Das Kind dort war so erschrocken und hat fast geschrien, da hab' ich meine Päckchen halt nur abgestellt und bin wieder gegangen. Schade - denn wer weiß, was die Eltern und Paten dem Kind für Sachen erzählt haben", bedauert er.
Als letztes Utensil richtet er nun sein goldenes Buch her: das große, stabile Lesebuch ist hübsch eingebunden in einen goldenen Papiereinband mit vielen kleinen Engeln drauf. Drinnen liegen einige Zettel, die hat er von Eltern, oder auch den Lehrern und Kindergärtnerinnen erhalten. Beim Vorlesen muss er immer ein bisschen aufpassen, sagt Hetzel grinsend: "Grad' die Kleinen versuchen, ins Buch zu spitzen, wenn sie ihr Päckchen holen."
Gleich geht's los: meist zu Fuß, oder mit dem Auto, manchmal auch mit dem Schlitten. "Bei der Waldweihnacht in Uetzing sitzen die Kinder schon rund ums Lagerfeuer und warten auf mich." Es gibt dann Glühwein und Kinderpunsch. Manchmal ist der Nikolaus auch von Vereinen bestellt, da gilt's auch schon mal zu schimpfen. "Haben die doch glatt gelacht, als ich mit meiner Nikolaus-Rute in der Weihnachtsdekoration hängen geblieben bin!", brummt Hetzel.
Wo er wohl heute anklopfen und seinen Spruch sagen wird? "Grüß Gott, ihr Leute hier im Haus, jetzt bin ich da - der Nikolaus!"