Sechs Jahre und drei Monate lag und lagerte es in der Lichtenfelser Unterwelt: ein Behältnis mit edlem Gerstensaft.
Schmeckt es noch, oder schmeckt es nicht mehr? Manch einen der Männer, die sich dieser Tage in einem noch begehbaren Teilstück der unterirdischen Keller eingefunden hatten, stand die Frage sichtlich ins Gesicht geschrieben. "Wenn das Bier nicht mehr schmeckt, sind wir selber schuld. Hätten wir es halt früher getrunken", stellte Lothar Seelmann pragmatisch fest.
Wie an seiner Aussage unschwer erkennbar, war das Haltbarkeitsdatum des eingelagerten Fasses schon einige Zeit überschritten. Genau genommen lagerte besagtes Fass bereits seit sechs Jahren und knapp drei Monaten in einem der unterirdischen Keller unter der Stadt. Die Chancen, dass es zumindest trinkbar ist, standen schon aus historischen Gründen gar nicht so schlecht. Bekanntlich wurde in Lichtenfels das Lagerbier erfunden. Der Sage nach hatte ein Schusterlehrling eine Flasche Bier unter einem Baum vergraben.
Als er die Flasche nach fünf Jahren wieder ausgrub, soll das darin enthaltene Bier noch geschmeckt haben. Auch beim Wiederaufbau der Stadt, nachdem die Schweden sie 1632 in Schutt und Asche gelegt hatten, sind Fässer mit verwertbarem Inhalt gefunden worden.
Doch wie kam es, dass ein Bierfass solange vor sich hin schlummerte? Da sich die Keller gut für die Lagerung von Bier eignen und die Brauer ihr Bier schon vor der Erfindung der Kühlschränke in den Kellern einlagerten, haben Seelmann und sein Team 1995, etwa zeitgleich mit Beginn der Kellerführungen, angefangen Bier einzulagern. Eine Aufgabe, die Hubert Wendler und sein Schwager Ralf Sander übernahmen. Das Bier stammte von einer heimischen Brauerei. Bis zum Verschließen der Fässer haben es Wendler und Sander gehegt und gepflegt. Von 1995 bis 2009 wurden zwischen 70 und 100 Liter Bier gefasst und betreut.
Danach ließ sich das mangels Zeit nicht mehr bewerkstelligen.
Dem Baurecht sei Dank
Das letzte Fass sollte nach einer Kellerführung getrunken werden. Aber wie das manchmal so ist, es kam nicht dazu. Bis sich eine neue Situation ergab. Seit diesem Jahr finden aus baurechtlichen Gründen in den unterirdischen Gängen der Stadt keine Führungen mehr statt. Wenn die Keller möglicherweise nicht mehr begehbar sind, dann käme auch niemand mehr an das Fass ran. Also hat man es noch rechtzeitig geborgen.
Zum Bieranstich hatte die Gruppe um Seelmann auch Bürgermeister Andreas Hügerich eingeladen, der aus Termingründen aber nicht kommen konnte und dafür den Dritten Bürgermeister Winfried Weinbeer schickte. Vorsichtshalber hatte Seelmann beim Brauer des Bieres, bei Braumeister Andreas Trunk aus Vierzehnheiligen nachgefragt, wie die Chancen stehen.
"Entweder es sieht gut aus, dann könnt ihr es trinken, wenn's net gut ausschaut, schütt's weg", riet Trunk. Zwei Schläge brauchte es, dann war auch das erledigt. Nach mächtig viel Schaum floss das Bier hellgelb in die bereitgestellten Krüge und Gläser.
Die Kommentare ließen nicht lange auf sich warten. "Man kann es trinken", stellte Harald Fischer, der Leiter der Tourist-Information fest. Winfried Weinbeer machte eine leichte Zitronennote aus. "Genießbar", stellte Experte Hubert Wendler fest. Musste dann aber doch feststellen, dass das Bier "a weng gelitten hat". Vermutlich wäre es das ideale Bier für die Hitzeperiode im letzten Jahr gewesen, schön kalt mit einer leichten Zitronennote.
Getrunken wurde es trotzdem. Auch das Edelfräulein Podica (Helga Seelmann) fand das Bier gar nicht mal so schlecht.