Andreas Hügerich will für seine Partei das Lichtenfelser Rathaus zurückerobern. Im Gespräch mit dem FT beschäftigt er sich mit dem Dilemma der SPD und damit, welche Erkenntnisse er auf Reisen gewonnen hat.
Bei der Kommunalwahl am 16. März 2014 geht der 29-jährige Standesbeamte Andreas Hügerich als Bürgermeisterkandidat der SPD-Ortsvereine Lichtenfels, Schney und Buch ins Rennen. Und er geht das große Ziel nicht nur mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus an, sondern hat auch schon einige grundsätzliche Vorstellungen von der Ausübung des Bürgermeisteramtes.
Sie haben Reisen bei der Nominierung im Stadtschloss als Ihr großes Hobby genannt. Was haben Sie denn aus Afrika, Südamerika, oder Asien mitgebracht?
Andreas Hügerich: Ein Blick über den Tellerrand ist immer gut. Doch das Stärkste, was ich überall erlebt habe, war die Gemeinschaft. Gemeinsam können die Menschen etwas bewirken. Der Zusammenhalt der Generationen, das hat mich beeindruckt. Und es ist eine Brücke zu unserer Politik vor Ort.
Warum?
Auch hier haben wir gemerkt, dass gemeinsam etwas vorangeht. Zum Beispiel bei den Mahnwachen gegen die Atomkraft. Da standen nicht nur ein paar von der SPD, sondern Menschen aller Parteien. Das sind Brücken, die wir brauchen. Und es zeigt, dass wir gemeinsam etwas erreichen können. Das ist doch das Schöne an Politik.
Wenn die SPD so gemeinsam auftritt: Warum ist dann aus einem roten Landkreis ein schwarzer geworden? Die SPD-Bürgermeister, die es in Redwitz, Marktzeuln, Michelau, Bad Staffelstein und Lichtenfels einmal gab, sind Geschichte. Und in nur noch vier Räten ist die SPD überhaupt die zweitstärkste Partei...
Das stimmt leider. Im Landkreis und Marktzeuln gab es einen Generationenwechsel. In Michelau hätten wir es fast geschafft - und in Bad Staffelstein und Lichtenfels sind Bürgermeister aus dem Amt gewählt worden. Das ist bitter.
Es zeigt aber auch, dass wir Versäumnisse hatten und haben. Es fehlt uns eine ganze Generation. Ich bin mit 29 Jahren der Jüngste in der SPD-Fraktion im Kreistag, danach kommt schon Susann Biedefeld mit Mitte vierzig. Der Umbruch in der Partei findet erst jetzt statt. Man muss ganz bewusst auf die Leute zugehen und ihre Ideen und Anregungen aufgreifen.
...was die CSU seit Jahren ziemlich erfolgreich tut ...
Das stimmt. Gerade Emmi Zeulner, die ja für den Bundestag kandidiert, ist da ein gutes Beispiel. Klar ist, auch die SPD versucht, diese Lücke zu schließen. Das ist mein großes Anliegen. Und es gibt Anzeichen, dass es nach oben geht.
Wirklich?
Doch. Es sind junge Leute zu uns gekommen, die ich vor einem Jahr noch gar nicht gekannt habe. Auch bei meiner Nominierung waren eine Menge Menschen da, die gar nicht in der SPD sind.
Die möchte ich hören und einbinden.
Die sollen jetzt alle in die SPD eintreten?
Wenn sie wollen, gerne. Aber viel wichtiger ist doch der direkte Kontakt. Ich - und wir alle - müssen mehr das Gespräch suchen. Flugblätter und Plakate, das geht doch an den meisten vorbei. Politik findet draußen auf der Straße statt. Bei den Menschen. Und manches muss man auch organisieren. Ich möchte zum Beispiel runde Tische für Unternehmer, für Jugendliche, zu allen möglichen Themen.
Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ' ich einen Arbeitskreis. Das soll etwas bringen?
Na klar. Die Frage ist doch, wie ich so etwas mache. Wer mit einer fixen Idee da rein geht, die nur abgenickt werden soll, wird scheitern. Wir brauchen die Ideen von vielen, an denen wir feilen wie an einem Werkstück.
Am Ende wollen wir sagen können: Damit können wir raus zu den Leuten.
Und das funktioniert?
Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Als Standesbeamter bin ich nicht nur mit den glücklichen Momenten im Leben betraut, sondern ich beurkunde auch Sterbefälle. Und da war eine Frau bei mir, deren Mutter in Kulmbach auf einer Palliativ-station lag. Das war für die Mutter gut, aber auch die Angehörigen bekamen seelischen Beistand. Da bin ich hellhörig geworden. So etwas hatten wir im Landkreis Lichtenfels noch nicht. Dann haben wir an der Idee gefeilt, haben die Station in Kulmbach besucht - und am Ende haben im Kreistag alle Fraktionen einstimmig dafür gestimmt. Seit vergangenen Sommer existiert die Station auch im Lichtenfelser Klinikum und ist ein riesiger Erfolg. Für die Menschen etwas bewegt zu haben, das ist ein großartiges Gefühl. Da muss nicht "Hügerich" drauf stehen.
Das gute Gefühl alleine zeigt mir, dass es richtig ist, Politik hier in Lichtenfels zu machen.
Sie sind erst 2007 in die SPD eingetreten. Hätte es damals auch eine andere Partei werden können?
Ich habe mir auch die Freien Wähler und die Grünen angesehen. Auch mit denen hatte ich Schnittmengen. Doch die größte gab es mit der SPD. Solidarität, das Miteinander, das ist für mich sehr wichtig. Dass die Menschen die gleichen Chancen bekommen und von ihrer Arbeit auch leben können. Also habe ich mich bei der SPD eingebracht. Was ja dann schneller gegangen ist, als ich dachte.
Erst Kreisrat, dann Kreisvorsitzender, dann Bürgermeisterkandidat. Ist diese Karriere nicht ein wenig zu steil? Sind Sie nicht noch ein wenig jung für solch ein Amt?
Wer auf Menschen zugehen kann, wer ihnen zuhören kann, wer begeistern kann, der kann das, egal wie alt er ist. Das ist doch das Entscheidende.
Wir brauchen Begeisterung für die Politik und für Lichtenfels.
Vom Zuhören allein bewegt sich nichts. Was wollen Sie als Bürgermeister denn anpacken?
Die Menschen müssen gerne in ihrer Stadt sein. Da brauchen wir Leben. Anderswo gibt es Afrika- oder Zauber-Festivals. Da müssen wir sehen, wo die Lücke für Lichtenfels ist. Eine Idee von mir ist die Fanmeile, die ich zur Europameisterschaft gerne hätte.
Ein wenig Party - und schon sind alle Probleme gelöst?
Nein, das sicher nicht. Aber diese positive Stimmung gehört auch dazu. Wir müssen das tun, was in unserer Kraft liegt. Zum Beispiel endlich einen Mieter für das Haus finden, in dem zuletzt der Schlecker war. Das gehört der Stadt, da können wir etwas für die Innenstadt tun.
Mitten in der Stadt liegt auch das Rathaus, in dem Sie ja jetzt schon arbeiten.
Was sagen denn die Kollegen, wenn einer, der gerade noch Azubi war, ihr Chef werden will?
Viele haben schon gefragt: Stimmt das wirklich? Ich hab' da gehört... Ich spüre da Zustimmung. Meine Entscheidung ist mir ja nicht leicht gefallen. Ich habe meine Freunde und meine Familie befragt. Seit ungefähr einem halben Jahr weiß ich: Ich will und kann das.
Und vorher waren Sie nochmal vier Wochen in Indien...
Das war ein unglaublicher Start in Dehli. Ich war alleine unterwegs und stand im Flughafen. Drinnen war alles klimatisiert, eine Welt für sich. Und draußen vor den großen Glasscheiben pulsierte und tobte das Leben. Ich habe ein paar mal tief durchatmen müssen, bevor ich mich getraut habe, aus der Tür hinaus zu gehen. Als ich dann unter den Menschen in diesem Gewühl war, war ich einerseits völlig bei mir - und andererseits ein Teil dieses Lebens.
Ein wunderbares Gefühl.
Nach Ihrer Nominierung sind Sie auch mitten im Getümmel, mitten im Leben eines Kandidaten, der Wahlkampf macht.
Ein schöner Vergleich. Ich mache das so gerne, mitten unter den Menschen zu sein - egal wo. Und jetzt mache ich es als Kandidat und versuche, den Menschen zu zeigen, wofür ich stehe. Dann kann jeder entscheiden, wen er wählt. Das Ergebnis kennt keiner.
Und wenn Sie am Ende doch nicht genügend Stimmen bekommen, was machen Sie dann?
In den Stadtrat Lichtenfels kann ich nicht, weil die Stadt ja mein Arbeitgeber ist. Da bräuchte ich einen neuen Job, den ich - sollte ich nicht Bürgermeister werden - gar nicht will. Es ist wunderbar, Standesbeamter zu sein. Aber ich mache natürlich weiter mit der Politik, zum Beispiel im Kreistag.
Wir brauchen überall Menschen, die Brücken bauen. Auch und insbesondere zwischen den Parteien. Bei uns Jungen im Lichtenfelser Kreistag, der Emmi Zeulner von der CSU, dem Valentin Motschmann von den Grünen und mir, klappt das schon sehr gut. Wir kennen keine Parteigrenzen.
Die Fragen stellte Tim Birkner.