Es gibt eine Sorte von Menschen, die ich gefressen habe: Sie wissen prinzipiell alles. Und was sie nicht wissen, wissen sie besser. Klugscheißer eben.
Ein besonders penetrantes Exemplar durfte ich in den letzten Wochen erleben. Ort der Handlung: eine große Rehaklinik. Akteure: einige friedliebende Patienten - und Herr Superschlau.
Erster Akt: In Bademantel und Badelatschen stehe ich, noch leicht tröpfelnd, am Aufzug vorm Hallenbad. Ich habe den Knopf mit dem Pfeil nach oben gedrückt, denn ich will ja sechs Stockwerke hinauf in mein Zimmer. Der Klugscheißer drängt sich an mir vorbei, drückt auf den Knopf mit dem Pfeil nach unten: "Du musst immer beide Knöpfe drücken, weil du ja nicht weißt, ob der Aufzug gerade oben oder unten ist." - ?????
Zweiter Akt: Die Patienten drängeln sich am Frühstücksbuffet. Weil einige von ihnen sehr übergewichtig und deshalb auf Diät sind, gibt es an allen Platten mit Wurst oder Käse Hinweise auf den Fettgehalt. Ein junger Mann, nicht zu dick, sondern von sportlicher Statur, lädt sich den Teller voll.
Der Klugscheißer kommentiert: "Das hat viel zu viel Fett für eine Mahlzeit! Da darfst du jetzt nur noch Knäckebrot und Süßstoff nehmen, sonst werden es zu viel Kalorien." - Der Angesprochene schaut sichtlich irritiert.
Dritter Akt: In den Gesprächen im Café der Klinik geht es immer wieder auch um Krankheiten und Beschwerden. Keine Frage, dass der Klugscheißer immer genau weiß, was absolut sicher hilft - und das ungefragt auch gerne mitteilt. - Warum ist er dann überhaupt in der Klinik?
Letzter Akt: Den habe ich leider verpasst, weil ich abgereist bin. Ich hoffe für meine Mitpatienten nur, dass sich niemand zu Handgreiflichkeiten hat hinreißen lassen. Verständlich wär's, denn genervt war am Ende jeder. Aber vermutlich hätte der Klugscheißer auch das kommentiert: "Gewalt ist keine Lösung." - Und da hätte er, ausnahmsweise, dann wenigstens einmal recht gehabt.
Katrin Geyer