Der neue Bürgermeister Volker Schmiechen hängt sich voll rein - denn er muss die Anforderungen von zwei Berufen erfüllen. Dabei will er bürgernah sein und bodenständig bleiben.
Fakten, Zahlen, Einzelheiten - der neue Untersteinacher Bürgermeister Volker Schmiechen hat auf jede Frage jede Menge Detailkenntnisse zu bieten. Während er über eines seiner Projekte spricht, managt er dazwischen die Folgen des Starkregens, der vor einer Woche auch Untersteinach getroffen hat. Er beruhigt besorgte Anrufer und instruiert einen Bauhof-Mitarbeiter, welchen vollgelaufenen Keller er anschauen soll. Bei allem Stress - der Bürgermeister hat Spaß bei der Arbeit im Rathaus.
"Ich bin stolz, dass ich dieses Ehrenamt ausüben darf. Ich arbeite gern, ich fühle mich hier daheim, und deswegen möchte ich was bewegen", sagt der 55-Jährige. "Bürgermeister zu sein, erfordert den ganzen Mann, das ist ein Ganztagsjob." Dabei übt er noch einen zweiten Beruf aus: In seiner Versicherungsagentur macht er auch 40 Stunden pro Woche. Bürgermeister plus Büro - das schafft nur ein Arbeitstier.
"Ich werde bleiben, wie ich bin"
Dass der Chefsessel im Untersteinacher Rathaus, den er mit seiner Figur voll ausfüllt, einmal sein Platz sein würde, hat Schmiechen nicht ahnen können. Aufgewachsen in der Kulmbacher Siedlung, ist er 1992 nach Untersteinach gezogen. Er und seine Frau Birgitt "sind nach und nach hier heimisch geworden". Als Neu-Bürger übernimmt er Verantwortung - von 2003 bis 2012 als Vereinsvorsitzender bei der Fortuna, seit 2005 für die SPD im Gemeinderat ("nachgerückt für Inge Winkler") und seit 2008 als stellvertretender Bürgermeister: "Vom Heinz Burges habe ich viel gelernt."
Wie geht man als neuer Bürgermeister am ersten Arbeitstag ins Rathaus? Mit einem mulmigen Gefühl? "Nein, ich habe mich auf die neue Aufgabe gefreut, und das ist auch so geblieben", erklärt Schmiechen. "Ich glaube nicht, dass mich das Amt verändern wird. Ich werde bleiben, wie ich bin: bodenständig, offen und ehrlich. Das erwarte ich auch von anderen, dass man offen und fair miteinander umgeht."
Die ersten 100 Tage sind für den neuen Bürgermeister ("Ich bin von den Mitarbeitern mit Verwaltungsleiter Martin Betz an der Spitze gut aufgenommen worden") intensiv gewesen: 25 Sitzungen - vom Abwasserzweckverband über den Bau- oder Finanzausschuss bis zum Gemeinderat, "und alles muss ja auch vorbereitet werden."
Raus aus dem Bierfest
Dass ein Bürgermeister nicht mal beim Bierfest privat sein kann, erlebt er vor einer Woche. Als der Starkregen Untersteinach heimsucht, "bin ich gleich raus und mit dem Taxi hingefahren". Am Bühl, in der Tradgasse und im Industriegebiet gibt's Probleme, und Schmiechen erkennt, dass es richtig ist, den Untersteinacher Untergrund untersuchen zu lassen. Es ist eine seiner ersten Amtshandlungen gewesen, sich um das Kanalsystem zu kümmern. "Es gibt eine Reihe von neuralgischen Punkten, da müssen wir dringend Abhilfe schaffen." Derzeit läuft die Digitalisierung des Kanalnetzes. Dann soll per Kamera die Beschaffenheit der Kanäle festgestellt werden. "Ich will wissen, was im Untergrund los ist, um das Geld sinnvoll auszugeben."
Themawechsel: Als Untersteinacher Bürgermeister erbt man ein Projekt, das die Gemeinde wie kein anderes seit Jahren bewegt: die Umgehung. Der 55-Jährige legt die Stirn in Falten - er weiß, wie schwierig es ist, hier etwas zu bewegen. "In den neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 müssen wir reinkommen, das ist wichtig", sagt er und blickt fast flehentlich nach oben: "Es müsste mal einer auf den Knopf drücken, dass wir das Geld kriegen, um anfangen zu können." Was er nicht versteht: "Wir haben seit 2009 Baurecht, aber nichts passiert. Seither hat sich das Projekt schon um zehn Millionen Euro verteuert. Aber wir kämpfen weiter."
Kinderhort: Arbeiten laufen gut
Da ist es natürlich angenehmer, über einen Erfolg zu reden: die Umsiedlung des neuen Kinderhorts. "Für 25 Kinder konzipiert, haben wir jetzt 39 Anmeldungen, so dass wir in die Schule umziehen müssen", sagt Schmiechen. Eltern eine Absage zu erteilen, kommt für ihn nicht in Frage. "Es war kompliziert, aber alle Beteiligten haben mitgezogen." Dass die Arbeiten gut laufen, zeigt der Bürgermeister gerne vor und sagt: "Wir sind im Gemeinderat auf dem richtigen Weg, um Untersteinach gemeinsam nach vorne zu bringen."
Nachgefragt: Das sagen die Fraktionssprecher
Wolfgang Arlt (SPD): Volker Schmiechen hat sich auf seine Aufgabe gut vorbereitet und macht die Sache vom ersten Tag an souverän. Er steht für eine offene Informationspolitik - als Grundlage für eine gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen im Gemeinderat. Er kniet sich unheimlich rein. Er ist immer erreichbar und ansprechbar, er hat für jeden ein offenes Ohr. Er hatte in den ersten 100 Tagen ein Riesenpensum zu bewältigen, hatte eine Menge Termine und Sitzungen und ist dabei immer informiert. Der Volker hat nur eine Schwäche, er ist Club-Fan - und ich bin Anhänger von Bayern München.
Markus Weigel (WGU/FW): Die 100 Tage sind zu kurz, um die Arbeit eines neuen Bürgermeisters beurteilen zu können. Ein Jahr wäre dafür der richtige Zeitraum. Aber Volker Schmiechen bemüht sich, seine Sache gut zu machen. Die bisherige Zusammenarbeit ist auf jeden Fall konstruktiv, wie die Verlagerung des Kinderhorts in die Schule zeigt, die der Gemeinderat einvernehmlich entschieden hat. Es stehen jedoch noch viele Projekte an, die im Wahlkampf angesprochen wurden. So müssen der Ausbau des schnellen Internets, die Sanierung des Hochbehälters und der Hummendorfer Brücke noch vorangebracht werden. Daran kann man den Bürgermeister dann messen.
Reiner Seiffert (CSU): Der neue Bürgermeister Volker Schmiechen ist bemüht, alle Fraktionen einzubinden. Er informiert im Vorhinein gut. In Sachentscheidungen gab es bisher keine Probleme.
Zur Umgehung sagt Bgm. Schmiechen: „Wir haben seit 2009 Baurecht. Seither hat sich das Projekt schon um zehn Millionen [???] Euro verteuert."
Also nun mal zu den tatsächlichen Fakten:
Beim Planfeststellungsbeschluss am 24. Juli 2009 sollte die die B 289 ’neu’ 45,2 Mio. € kosten.
Bei der ersten Kostenfortschreibung vom 26. Januar 2012 seitens der Bayerischen Straßenbauverwaltung waren es bereits 81,545 Mio. €, also schon mal 36,345 Mio. mehr … – … und nicht bloß „um zehn Millionen Euro verteuert“ (Zitat Bgm. Schmiechen).
Und nach den aktuellen Baupreis-Indizes des Statistischen Bundesamts (Wiesbaden) belaufen sich die Kosten per Mitte II. Quartal 2014 auf 86.118.965 Euro.
(Die angeblichen 'zehn Millionen Euro' des „immer gut informierten“ Bgm. Schmiechen sind nix als eine billige Verharmlosung der tatsächlichen Kosten-Explosion!)
Der neue Bürgermeister von Untersteinach zeigt einen tollen Einsatz und brauchte nahezu keine Einarbeitungszeit. Er hat nach den ersten hundert Tagen Lob verdient und nicht Aussagen á la "bemüht sich, seine Sache gut zu machen" .
Außerdem gehe ich davon aus, dass der neue Bürgermeister auch außerhalb seiner offiziellen Sprechzeiten jederzeit für die Sorgen und Nöten seiner Bürger ansprechbar ist.
… im Untersteinacher Rathaus bietet allerdings nur sechs wöchentliche Stunden im Rathaus und somit bedeutend weniger „Sprechzeiten“ als sein Amtsvorgänger an.
Obendrein ist es selbst zu den angegebenen „Sprechzeiten“ ein echter Glücksfall, das „Arbeitstier“ dann dort auch wirklich zu erreichen!
(P. S.: Vom „Ehren-“Amt ist oft die Rede … - … leider allerdings nicht von der diesbezüglichen vierstelligen Aufwands-Entschädigung in der Größenordnung der gehobenen Beamten-Besoldung!)