Das Quartett "Vocalisto" sorgte für Gänsehautstimmung in der Kirche "Unsere Liebe Frau" in Kulmbach. Die Darbietungen erfüllten höchste Ansprüche.
Die Kirche "Unsere Liebe Frau" ist dunkel. Nur wenige Kerzen setzen glitzernd-goldene Akzente. Aus der Tiefe der neugotischen Kirche ertönt Marco Frisinas "Chi ci separerá". Auch wenn aus dem Quintett "Vocalisto" ein Quartett geworden ist, sorgen schon die ersten Klänge für Gänsehautstimmung: "Chi ci separerá dal suo amore?" - "Wer wird uns scheiden durch seine Liebe?", klingt die Frage und wird immer lauter. Langsam ziehen Marion Schmid, Ulrike Hahn, Hubertus Baumann und Ulrich Förster ein. Und schon kommt die Antwort: Weder Tod noch Leben vermögen dies. Die Antwort wird immer präsenter. Selbst diejenigen, die noch in der vorweihnachtlichen Hektik gefangen waren, werden ruhig. Andacht breitet sich aus. Ruhe - das Lied wirkt wie Wellness vom Alltag. Kaum jemand wagt zu atmen. Nicht ein einziger Huster oder Nieser zerstört die Stimmung. Kein Bonbonrascheln. In der Kirche war es so still, dass jeder sein eigenes Herz schlagen hören konnte.
Reizvolle Musikauswahl
Seit Jahren gehört das zu Herzen gehende Lied und das Einzugszeremoniell zum Markenzeichen des Vokalensembles "Vocalisto". Und auch wenn Barbara Baumann nicht mehr mitsingt, so hat das legendäre Einzugslied doch nichts von seiner Wirkung verloren.
Unter dem Motto "Ehre sei Gott in der Höhe" präsentierte das Quartett ein Konzert höchster Ansprüche. Seinen besonderen Reiz bekam die musikalische Stunde durch die Auswahl anspruchsvoller Vokalmusik. Claudio Monteverdis "Ave maria stellla" und "Ecce concipies" wurden Wolfgang Menschiks modernem Satz "Maria durch ein' Dornwald ging" gegenübergestellt. Das legendäre Kyrie aus der Missa "Ave, maris stella" von Giovanni Palestrina konkurrierte mit dem zeitgenössischen "O, du stille Zeit", und zwischen die zeitgenössischen Werke "E'en so Lord Jesus, quickly come" und "A tender shot" in englischer Sprache mischte sich das in der Renaissance entstandene Werk "Canita Tuba"des spanischen Komponisten Francisco Guerrero.
Spannungsgeladenes Ganzes
Auch beim klassischen Weihnachtslied hatte "Vocalisto" Überraschungen für die Zuhörer parat: So gaben die Sänger die klassische Weise nach einem Satz von Michael Praetorius zum Besten und stellten diese einem modernen, ebenfalls sehr festlichen zeitgenössischen Satz von Hugo Distler gegenüber.
Doch auch wenn Jahrhunderte zwischen den Werken, die Hubertus Baumann und sein Ensemble ausgesucht hatten, lagen, so fügte sich das Programm zu einem spannungsgeladenen, Ganzen zusammen. Als Intermezzi baute das Vokalensemble instrumentale Elemente von Georg Philipp Telemann ein oder das gemeinsam gesungene "Macht hoch die Tür". Zwischendurch neckte Hubertus Baumann das Publikum mit dem berühmten mozart'schen "Ah, vous dirai-je, Maman" - nach dem Motiv von "Morgen kommt der Weihnachtsmann".
Und dann setzte das hochkarätige Vokalensemble mit Friedrich Silchers "Ehre sei Gott in der Höhe", "Zwischen Ochs und Eselein" und Michael Praetorius "Enatus est Emanuel" zum Schlussakkord an. Mit dem russischen "Schlaf mein Kindlein" und dem beschwingten "Ding Dong! Merrily on high!" ging das anspruchsvolle Abendprogramm in der Stadtpfarrkirche "Unsere Liebe Frau" zu Ende. Die Zuhörer waren verzaubert und wurden noch mit einer Zugabe belohnt.
Das Auszugsritual
Schließlich zogen Marion Schmid, Ulrike Hahn, Hubertus Baumann und Ulrich Förster mit derselben Melodie, mit der sie das Konzert eröffnet hatten, aus. In der Kirche zurück blieb ein Zauber und eine fast fühlbare Sehnsucht nach einer friedvollen Weihnacht.