Nach einem Unfall am Dienstag in Kulmbach mit fünf verletzten Jugendlichen kocht erneut die Diskussion um überfüllte Schulbusse hoch.
Es ist eine Horrorvorstellung für alle Eltern, deren Kinder in überfüllten Schulbussen unterwegs sind: Es kommt zum Unfall, und wer keinen Sitzplatz mehr ergattern konnte, wird durch den Fahrgastraum gewirbelt und verletzt. Genau das ist am Dienstag gegen 14 Uhr in Kulmbach passiert. Verursacher: ein 74-jähriger Autofahrer, der mit seinem Wagen einen Schulbus auf der Saalfelder Straße "geschnitten" und den Busfahrer zu einer Vollbremsung gezwungen hat.
Fünf der Kinder, die stehen mussten und nach vorne geschleudert wurden, stürzten. Sie erlitten Prellungen, eines trug eine Platzwunde davon, ein anderes klagte über Rückenschmerzen - relativ leichte Verletzungen, die aber im Klinikum Kulmbach versorgt wurden.
Die Betroffenen aus Kulmbach, Ludwigschorgast und Stadtsteinach sind 15 und 16 Jahre alt, besuchen alle die Hans-Edelmann-Schule. Ihr Bus war auf dem Weg zum ZOB, als das Malheur passierte. "Wir sind natürlich heilfroh, dass der Unfall so glimpflich abgelaufen ist", sagte gestern Rektorin Traudl Schmidt, derzufolge es nicht der Normalfall ist, dass Busse überfüllt sind. Sie freut sich darüber, dass alle Jugendlichen das Klinikum wieder verlassen konnten. Sie seien aber für Mittwoch noch krank gemeldet worden. "Wenn mein Sohn eine Platzwunde hätte, die mit fünf Stichen genäht wurde, würde ich ihn auch zuhause lassen."
Die Schulleiterin berichtete - abweichend vom Polizeibericht - noch von weiteren drei Kindern, die erst gestern über Kopfschmerzen geklagt hätten und von ihr deshalb zum Arzt geschickt worden seien.
Gemeindeversicherung zahlt
Wie wird ein solcher Vorfall nun versicherungstechnisch behandelt? "Wir geben eine Meldung an den Gemeindeunfallversicherungsverband weiter, der die Sache prüft", erläutert Traudl Schmidt. "Der Verband übernimmt alle Kosten, die durch Arztrechnungen entstanden sind, nicht aber Schadensersatz- oder Schmerzensgeldforderungen." Und Uwe Angermann, geschäftsleitender Beamter der Stadt, ergänzt: "Für die besagte Versicherung zahlt die Stadt entsprechende Beiträge. Zum Glück gab es bei uns in den vergangenen Jahren ganz wenige Unfälle." Zur Sicherheit trage auch bei, dass die Stadtverantwortlichen mit der Firma Schütz, die den Transport organisiert und übernimmt, entsprechende Kriterien ausgehandelt haben, sagt Angermann. "Das Unternehmen ist bei den Fahrzeugen technisch auf dem neuesten Stand."
Freilich nutzt der modernste Bus nichts, wenn sich ein anderer Verkehrsteilnehmer falsch verhält. Gegen den Unfallverursacher ermittelt die Polizei, eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung ist zu erwarten. "Das kann dem Mann im schlimmsten Fall passieren", so Alexander Horn, der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Kulmbach. Wenn das strafrechtliche Verfahren abgeschlossen ist, könnten die Eltern sogar noch zivilrechtliche Forderungen geltend machen.
Rechtlich ist die Situation in den Schulbussen übrigens nicht zu beanstanden. Laut Polizeihauptkommissar Alexander Horn sind in Kraftomnibussen, die im ÖPNV per Auftrag des Landratsamts zur Schülerbeförderung eingesetzt sind, Stehplätze erlaubt. "Sie müssen im Fahrzeugschein eingetragen werden. Es können bis zu 99 Sitz- und Stehplätze sein." Natürlich, so Horn, wäre es schön, wenn jedes Kind einen Sitzplatz hätte. Dies scheitere wohl daran, dass nicht genügend Busunternehmen und Fahrer zur Verfügung stehen. "Aus der Not heraus geboren, macht der Gesetzgeber dann halt Ausnahmen."
Von der Firma Schütz, die für die Schülerbeförderung im Stadtgebiet zuständig ist, war gestern niemand zu erreichen.
Wann gilt die Gurtpflicht?
Bus ist nicht gleich Bus. Reisebus, Linienbus, Schulbus - die Unterschiede sind erheblich. Unter anderem, was die Gurtpflicht angeht. Beim ADAC heißt es dazu: Grundsätzlich gelte für Reisebusse, die dem "Gelegenheitsverkehr" zugerechnet werden, folgendes: Sobald Gurte vorhanden sind, müssen sich die Passagiere anschnallen. Der Fahrer habe die Fahrgäste darüber vor der Fahrt zu informieren.
Von der Regelung für Reisebusse ausgenommen sind Linienbusse des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Im Linienverkehr gilt, so der ADAC, keine Anschnallpflicht, "weil stehende Passagiere befördert werden, die Haltestellenabstände zu kurz sind und das An- und Abschnallen das Ein- und Aussteigen an den Haltestellen verzögern würde", begründet ein Sprecher die Vorgabe. Weil Linienbusse auch stehende Insassen befördern, ist die Höchstgeschwindigkeit auf 60 Stundenkilometer begrenzt. Die Konzessionen für die jeweiligen Linien vergibt die zuständige Verwaltungsbehörde, für Kulmbach ist das die Regierung von Oberfranken.
Der ADAC macht auf eine interessante Besonderheit aufmerksam: Die Schulbusträger könnten bei der Ausschreibung Stehplätze vertraglich untersagen und Gurte vorschreiben. Zu berücksichtigen seien dabei Kriterien wie das Alter der Kinder, die Häufigkeit und Dauer der Stehplatzbelegung sowie Straßen- und Verkehrsverhältnisse.
Jochen Nützel
Die Beförderungsverordnung und ihre (finanziellen Folgen)
Grundlage Die Kostenfreiheit des Schulweges ist gesetzlich geregelt - und zwar über die sogenannte Verordnung zur Schülerbeförderung. Darin heißt es: "Die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen Volks- und Förderschulen, öffentlichen oder staatlich anerkannten privaten Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen, zweistufigen Wirtschaftsschulen und drei-/vierstufigen Wirtschaftsschulen sowie öffentlichen oder staatlich anerkannten Berufsschulen mit Vollzeitunterricht wird von den Aufgabenträgern der Schülerbeförderung organisiert und finanziert. Aufgabenträger sind für die öffentlichen Volks- und Förderschulen die Gemeinden und Schulverbände; für die übrigen Schulen sind es die Landkreise und kreisfreien Städte, in denen der Schüler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat."
Kosten Den Landkreis Kulmbach kostet die Schülerbeförderung eine Stange Geld. Kommunale Spitzenverbände fordern seit langem, dass der Freistaat zumindest 80 Prozent des Aufwands erstatten möge. Aktuelle Zahlen, die jüngst der Schulausschuss diskutierte, legen nahe: Davon ist man für den Kreis ein großes Stück entfernt. Demnach sank die Zuweisung aus München von 1,36 Millionen Euro im Jahr 2016 auf 1,32 Millionen für das laufende Jahr. Die Erstattungsquote verringerte sich von 67,55 Prozent (2016) auf 59,15.
Berechnungsgrundlage Laut CSU-Landtagsabgeordnetem Martin Schöffel sei eine Zuwendungsquote von 60 Prozent in den vergangenen Jahren zur Kalkulation herangezogen worden. Die genannten Zuweisungen berechnen sich ihm zufolge zur einen Hälfte nach den tatsächlichen Kosten, die dem Landkreis entstehen. "Das sind etwa zwei Millionen Euro pro Jahr", sagt Schöffel. Zur anderen Hälfte bilden die tatsächlichen Schülerzahlen eine weitere Bemessungsgrundlage. "Wir diskutieren im Landtag laufend über Verbesserungen - sowohl bei den Kommunalfinanzen als auch über die besseren Organisationen für die Busnutzer."
Jochen Nützel