Silke Eber: Eine Woche unter Strom

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"Ich bekomme das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht", sagt eine überglückliche Weltmeister-Trainerin Silke Eber. Foto: imago/Eibner
"Ich bekomme das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht", sagt eine überglückliche Weltmeister-Trainerin Silke Eber. Foto: imago/Eibner
Die Baugenossenschaft Kulmbach empfing ihre Mitarbeitern Silke Eber nach dem WM-Triumph. Foto: privat
Die Baugenossenschaft Kulmbach empfing ihre Mitarbeitern Silke Eber nach dem WM-Triumph. Foto: privat
 
Ulrich Meiners, Präsident der Deutschen Faustball-Liga, beglückwünscht Bundestrainerin Silke Eber zum Titelgewinn. Foto: imago/Eibner
Ulrich Meiners, Präsident der Deutschen Faustball-Liga, beglückwünscht Bundestrainerin Silke Eber zum Titelgewinn. Foto: imago/Eibner
 
Foto: Christian Schuberth
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Die Deutsche Nationalmannschaft bei der Siegerehrung. Foto: privat
Die Deutsche Nationalmannschaft bei der Siegerehrung. Foto: privat
 
Foto: privat
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Foto: imago/Eibner
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Der Zop fist ab: Die Nationalspielerinnen schnitten Silke Eber nach verlorener Wette die Haare.
Der Zop fist ab: Die Nationalspielerinnen schnitten Silke Eber nach verlorener Wette die Haare.
 
Silke Eber präsentiert ihre WM-Goldmedaille. Foto: Christian Schuberth
Silke Eber präsentiert ihre WM-Goldmedaille. Foto: Christian Schuberth
 
Foto: imago/Eibner
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Die Kulmbacherin Silke Eber hat noch nicht richtig realisiert, dass sie Weltmeisterin ist. In die Freude über den Titelgewinn mit der Deutschen Damen-Nationalmannschaft mischt sich aber auch etwas Wehmut.

So recht kann es Silke Eber immer noch nicht begreifen. Sie ist tatsächlich Weltmeisterin! "Es wird wohl auch noch einige Zeit brauchen, bis ich es realisiert habe", sagt die 41-jährige Katschenreutherin. Eine Woche ist es jetzt her, dass sie als Bundestrainerin mit der Faustball-Nationalmannschaft der Damen den WM-Titel gewonnen hat. "Das Schönste", sagt sie, "war, dass wir vor eigenem Publikum gewonnen haben und wir unsere Freude teilen konnten." 3000 Fans, darunter die komplette Bundesliga-Truppe des ATS Kulmbach, bejubelten in Dresden mit Silke Ebers Mannschaft den vierten WM-Triumph.
Der kostete allerdings Silke Eber ihren Zopf. Gleich nach der Siegerehrung schnitten die Spielerinnen ihrer Trainerin die Haare ab - "mit einer Schere aus dem Medizinkoffer" erzählt die Bundestrainerin schmunzelnd. Schuld war eine Wette, die sie vor dem Turnier angeboten hatte. "Wir haben nach der Anreise im Hotel eine Frau mit einer komischen Frisur gesehen. Da habe ich dummerweise gesagt, so eine Frisur lasse ich mir auch machen, wenn wir Weltmeister werden..."
Den WM-Titel feierte das Team in Dresden bis in die Morgenstunden. Doch auch in Kulmbach ist man stolz auf seine Weltmeisterin. Ihre Kollegen bei der Baugenossenschaft empfingen Silke Eber mit einem Transparent, Sekt und Häppchen.

Jetzt geht's nach Mallorca

Doch jetzt braucht Silke Eber erst einmal Abstand. Für eine Woche geht es mit fünf Freunden nach Mallorca. "Ich hatte zuletzt eine Wahnsinnsbelastung. Außer Arbeit und Faustball habe ich heuer noch nichts gemacht", sagt die 41-Jährige, die auch noch Trainerin der Bundesliga-Mannschaft des ATS Kulmbach ist. Vor ihrem Abflug in den Urlaub haben wir uns mit Silke Eber unterhalten.

BR: Silke Eber, herzlichen Glückwunsch zur Weltmeisterschaft. Hat die Bundeskanzlerin schon gratuliert?
Eber: Nein, aber in den ersten Tagen nach dem Titelgewinn war die Resonanz überwältigend. Dauernd klingelte das Telefon, Freunde, Bekannte, Nachbarn haben per SMS gratuliert. Ich kann es irgendwie noch nicht recht begreifen. Das liegt wohl daran, dass ich die ganze WM-Woche über unter Strom gestanden war.

Wie war der Weg zum Titel?
Im Laufe des Turniers hat sich eine Eigendynamik entwickelt. Nach dem 3:1 im Vorrundenspiel gegen Österreich, den vermeintlich übermächtigen Gegner, hat die Mannschaft gemerkt, dass sie es schaffen kann. Das war nicht irgendein Sieg, sondern ein Wahnsinnsspiel, mit einer Geschwindigkeit, die es noch nie im Frauenfaustball gegeben hat. Wir haben nicht gewonnen, weil der Gegner so schwach war, sondern weil wir so stark waren.

Ihre Mannschaft hat ja bei den vergangenen EM-Turnieren immer Österreich in der Vorrunde geschlagen, aber dann drei Mal in Folge das Finale verloren. Warum lief es diesmal anders herum?
Es ist schon oft passiert, dass eine WM im eigenen Land in die Hose gegangen ist. Aber diesmal hat uns die Welle der Begeisterung getragen. Das Finale war ein ganz enges Spiel, es hätte auch anders herum ausgehen können. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Österreich im vierten Satz einen seiner zwei Satzbälle genutzt hätte.

Was hat Ihre Mannschaft ausgezeichnet?
Es war der ausgeglichenste Kader, den ich je bei der Nationalmannschaft hatte. Im Laufe des Turniers haben wir eine erste Fünf gefunden, mit der ich vorher selbst nicht gerechnet hatte. So standen im WM-Finale drei ganz junge Spielerinnen auf dem Feld, die Jüngste, Theresa Schröder, ist gerade einmal 18 Jahre alt. Wir hatten außerdem einen sehr guten Teamgeist. Wenn du nur einen Störfaktor hast, geht das Ganze schief. Selbst diejenigen, die in ihren Vereinen unumstrittene Stammspielerinnen sind, haben sich in ihrer Reservistenrolle gefügt. Und dann hatten wir mit Sonja Pfrommer eine unglaublich starke Schlagfrau.

Ist eine WM im eigenen Land mehr Bürde oder mehr Antrieb?
Der Druck war unfassbar groß. Die größte Herausforderung ist es, mit den äußeren Bedingungen zurecht zukommen. Wir Faustballer sind es nicht gewohnt, dass Fernsehkameras da sind. Aber diesmal hat sogar die Sportschau über uns berichtet. Auch in in den Tagesthemen gab es eine Kurzmeldung über unseren Titelgewinn. Das war großartig. Wir mussten sogar eine Autogrammstunde geben.

Warum ist ein Titelgewinn im eigenen Land so etwas Besonderes?
Weil du die Freude mit so vielen Leuten teilen kannst. Man hat das Gefühl, dass dich jeder umarmen will. Wenn 3000 Leute hinter der Mannschaft stehen, ist es schon außergewöhnlich. Den Moment, als wir zum Finale ins Stadion eingelaufen sind, werde ich nie vergessen. Da wird dir heiß und kalt, wenn du nur Deutschland-Flaggen siehst.

Jeder deutsche Fußballer hat 300000 Euro für den WM-Titel in Brasilien eingesteckt. Was war Ihre Prämie?
Wir haben keine Prämie mit dem Verband ausgehandelt. Es gibt erst noch eine offizielle Ehrung bei der Deutschen Herren- und Damen-Meisterschaft in Schweinfurt. Ich bin gespannt, was sich der Verband einfallen lässt.

Vielleicht bekommen Sie ein Kaffee-Service wie einst die deutschen Fußballerinnen nach ihrem EM-Sieg...
Ich habe einmal einen Trainerlehrgang mit Fußball-Bundestrainerin Silvia Neid gemacht. Sie hat mir auch erzählt, wie stiefmütterlich Damenfußball lange behandelt worden ist. Das hat sich ja geändert.

Wird der WM-Titel den Faustballsport in Deutschland voranbringen?
Ich hoffe es. In Österreich geht es mit der Sportart ganz anders voran, seit die Herren 2007 Weltmeister geworden sind. Der Verband dort ist finanziell viel besser aufgestellt als in Deutschland. Die österreichischen Frauen konnten zwei Wochen WM-Vorbereitung in Kroatien absolvieren, haben acht Betreuer. Da steht der Staat dahinter, weil er nicht so viele erfolgreiche Sommersportarten hat. Ich dagegen musste schon um ein einwöchiges Trainingslager in der Türkei und um eine Physiotherapeutin betteln. Auf Dauer wird der deutsche Faustball schwer mithalten können. Den finanziellen Nachteil kann man vielleicht mal durch die Begeisterung bei einer Heim-WM kompensieren.

Und international? Wie entwickelt sich da der Faustball?
Einige Nationen wie Chile haben aufgeholt. Es ist schön, dass mittlerweile auch die USA an der WM teilnehmen. Sie waren mit 150 Fans in Dresden vertreten. Mannschaften wie Kolumbien sind zwar Anfänger, waren aber durch ihre Begeisterung eine absolute Bereicherung für die WM. Selbst in Pakistan, Nepal oder Australien wird inzwischen Faustball gespielt. Die Frage ist natürlich: ist das nachhaltig? Und das hängt natürlich wieder einmal am Geld.

Jetzt müssten Sie doch als Bundestrainerin so lange weitermachen, bis Faustball endlich olympisch ist.
Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass ich das noch erleben werde. Natürlich streben wir danach, Olympische Sportart zu werden und sprechen viel darüber. Doch das ist noch ein unfassbar langer Weg. Es gibt Regularien vom IOC, die der Faustball-Sport noch nicht erfüllt. Vor allem fehlt uns die nötige Anzahl an Nationen, in denen Faustball gespielt wird. Immerhin ist Faustball inzwischen bei den World-Games dabei, allerdings nur die Herren. Da ist Faustball sogar die Sportart, die die meisten Zuschauer hat.

Kann der WM-Titel Sie darüber hinwegtrösten, dass es keinen Bundesliga-Faustball mehr in Kulmbach gibt?
Ich erlebe gerade ein Wechselbad der Gefühle. Vor vier Wochen haben wir unser letztes Bundesliga-Spiel mit dem ATS bestritten. Der Rückzug aus der 1. Liga war ein schlimmer, aber notwendiger Schritt. Ich hänge emotional sehr am ATS.

Wird Faustball in Kulmbach aussterben?
Das kann sein. Das Problem ist nicht fehlender Nachwuchs, sondern es finden sich keine Trainer mehr, die sich zwei, drei Mal die Woche auf den Trainingsplatz stellen. Wir brauchen dringend frisches Blut in der Faustballabteilung. Wir könnten jederzeit ein Schnuppertraining organisieren. Aber was nützen uns Kinder, wenn sich keiner um sie kümmert?

Nennen Sie mir drei Gründe, warum Kinder mit dem Faustballspielen anfangen sollten.
Vor allem gibt es ein außergewöhnliches Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Faustballern. Es ist zudem eine schöne Ballsportart. Ich bin durch den Faustball schon in jungen Jahren als Kind viel herumgekommen und hatte klasse Erlebnisse.

Das Interview führte Christian Schuberth
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