Schiedsrichterin Birgit Sickl - Eine Frau mit Pfiff

3 Min
Schiedsrichterin Birgit Sickl im Einsatz: Fotos: Monika Limmer
Schiedsrichterin Birgit Sickl im Einsatz: Fotos: Monika Limmer
 
 
 
 
 

Birgit Sickl ist Schiedsrichterin - ein Hobby, bei dem sie mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Eine davon sind dumme Sprüche von Spielern und auch Zuschauern.

Es ist Derby-Zeit in Stadtsteinach. Der TSV empfängt in der Kreisklasse die Reserve des ATS Kulmbach. Die Heimelf steht auf Platz 1, die Gäste sind Letzter. Die Stimmung auf dem Platz ist fast so kühl wie das Wetter: Stadtsteinach fertigt die Gäste mit 5:0 ab, die ATSler sind gefrustet. Immer wieder gibt es kleinere Nicklichkeiten und Reibereien. Mittendrin: Schiedsrichterin Birgit Sickl. Doch sie hat das Spiel im Griff.

"Als Frau ist es besonders schwierig, eine Partie zu pfeifen. Es gibt viele Vorurteile. Außerdem wissen viele Spieler nicht, wie sie mit einer Frau als Schiedsrichter umgehen sollen", sagt die 25-Jährige. Ihrer Erfahrung nach testen die meisten zunächst, wie weit sie bei ihr gehen können. Deshalb hat Sickl sich angewöhnt, zu Beginn eines Spiels eine strenge Linie zu verfolgen. "Man muss sich durchsetzen und darf sich nichts gefallen lassen", sagt sie.
Allerdings sei auch Fingerspitzengefühl gefragt, denn wer zu arrogant pfeife, mache sich schnell unbeliebt.

Birgit Sickl ist das, was man als resolut bezeichnet. "Ich habe einen starken Charakter. Das braucht man auch, sonst ist man als Schiedsrichter verloren." Anders wäre es ihr wohl auch nicht möglich, die fiesen Sprüche auf dem Feld zu verdauen. "Komm' Schiri, geh' lieber mein Auto waschen" - das ist noch einer der harmlosen Vertreter dieser Gattung. In den meisten Fällen überhört Sickl solche Anfeindungen bewusst. Doch wenn es zu heftig wird, zückt sie auch mal die Gelbe Karte - oder stellt einen Spieler gleich vom Feld. Doch auch aus den Reihen der Zuschauer gibt es häufig böse Kommentare.

Frauen, weiß Sickl, hätten in den Augen vieler Männer prinzipiell keine Ahnung vom Fußball. Sie jedoch verbringt jedes Wochenende auf dem Platz, spielt selbst, pfeift und kennt sich bestens mit den Regeln aus. Das, sagt Sickl, ist nicht bei allen Fußballern so. "Oft gebe ich Vorteil, um einen besseren Spielfluss zu gewähren. Doch statt dass die Akteure weiterspielen, bleiben sie stehen und beschweren sich, dass ich kein Foul gepfiffen habe", sagt sie und schüttelt den Kopf, "dann muss ich denen erstmal erklären, warum ich so entschieden habe".


Per Zufall zum Schiri-Job

Angefangen hat bei ihr alles vor knapp drei Jahren. Ihr Heimatverein, der TSV Himmelkron, wo sie auch Fußball spielt, war auf der Suche nach Schiedsrichtern. Verantwortliche traten an Sickl heran.

"Ich war mir zunächst nicht sicher, doch dann wollte ich es versuchen", sagt sie. 2012 machte die 25-Jährige einen Schiedsrichter-Kurs, hat dann zunächst in der Jugend gepfiffen, später bei den Herren. "Es ist für mich einfach ein Hobby, denn Geld lässt sich damit nicht verdienen", erklärt Sickl. Für jeden Einsatz bekommt sie 20 Euro plus 30 Cent Kilometergeld.

Doch für die Himmelkronerin ist es nicht einfach nur Spaß: "Es gibt sehr wenige weibliche Unparteiische, und das möchte ich ändern. Ich will zeigen, dass sich auch Frauen in dieser Männerdomäne behaupten können", sagt Sickl.

Für sie mache einen guten Schiedsrichter unter anderem das Stellungsspiel aus. Denn man müsse seine Augen und Ohren stets überall haben - und das klappe nur, wenn man möglichst nahe am Geschehen ist. "Man muss auch das Spiel lesen können, um Spielzüge vorauszusehen. Nur so kann man beispielsweise eine Abseits-Entscheidung treffen", erklärt Sickl. Doch es gibt ein zusätzliches Problem. Sie pfeift nur unterhalb der Kreisliga - und das bedeutet, dass sie alleine auf dem Platz ist, ohne die Unterstützung "richtiger" Linienrichter. Das macht es unmöglich, immer alles zu sehen. Besonders Abseits-Situationen sind heikel, da der Blick von der Seitenlinie der einzige ist, bei dem man die Stellung der Spieler richtig erkennt.

Entscheidend sei auch die Vorbereitung. "Ich versuche, mir die Namen der Spieler zu notieren. Denn es ist einfach respektvoller wenn ich jemanden mit Herr Müller anspreche, anstatt mit seiner Rückennummer", erklärt Sickl. Vor der Partie geht sie den Platz ab, rüttelt an den Tornetzen und prüft, ob alles seine Ordnung hat. Dann kann es losgehen.

In Stadtsteinach ist das Spiel bereits eine halbe Stunde vor Schluss entschieden, am Ende steht es 5:0. Oft musste Birgit Sickl nicht eingreifen. Nur eine kritische Situation gab es. Nach einem Foul beschwert sich ein Stadtsteinacher lauthals über den Gegner und die Schiedsrichterin. Eine Gelbe Karte lässt ihn verstummen - die Unparteiische zieht ihre Linie durch. Sie ist zufrieden mit ihrer Leistung, auch wenn sie ein, zwei Fouls in ihrem Rücken nicht geahndet hat. "Das ist natürlich ärgerlich, aber ohne Augen im Hinterkopf oder Assistenten kann ich das einfach nicht sehen", erklärt sie.

Sie hofft, dass Schiedsrichter - und dabei vor allem Frauen - wieder den Respekt bekommen, den sie verdienen. Denn sonst werde es über kurz oder lang keine Unparteiischen mehr geben. Trotz allem schätzt sie ihr Hobby: "Routine gibt es hier nicht. Jedes Spiel ist anders."