Leichtathletik: Martin Ständner über den neuesten Doping-Skandal

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Sprachen auch über das Thema Doping: Der Kulmbacher Wurf-Trainer Martin Ständner (rechts) und der Russe Sergej Litvinov, der 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul Gold im Hammerwurf holte. Dieses Bild entstand im Januar in Sukhumi in Abchasien. Foto: privat
Sprachen auch über das Thema Doping: Der Kulmbacher Wurf-Trainer Martin Ständner (rechts) und der Russe Sergej Litvinov, der 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul Gold im Hammerwurf holte. Dieses Bild entstand im Januar in Sukhumi in Abchasien. Foto: privat

Der ehemalige Hammerwurf-Bundestrainer Martin Ständner ist über die neuesten Doping-Enthüllungen der ARD nicht sonderlich überrascht. Er glaubt, dass das geplante Doping-Gesetz etwas bringt - aber nur in Deutschland.

Die Leichtathletik-Welt ist in Aufruhr. Laut einer kürzlich ausgestrahlten ARD-Reportage "Geheimsache Doping. Im Schattenreich der Leichtathletik" soll der Leichtathletik-Weltverband IAAF Dopingsünder systematisch gedeckt haben.

Der ARD wurde aus IAAF-Kreisen eine geheime Datenbank mit Blutwerten untersuchter Sportler zugespielt. Unter den Verdächtigen sind Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften - also ganz große Namen. Auch viele afrikanische Spitzenläufer sollen unerlaubte Hilfsmittel, vor allem EPO, genommen haben, wie ARD-Doping-Experte Hajo Seppelt recherchiert hat.

Martin Ständner (59) vom UAC Kulmbach kennt sich aus in der Leichtathletik-Szene. Wir sprachen mit dem ehemaligen Bundestrainer im Hammerwurf über den neuesten Doping-Skandal.

Herr Ständner, bislang waren meist die Werfer und Sprinter als Doper entlarvt worden. Nun soll es auch im Ausdauerbereich massiven Betrug geben - überrascht?
Eigentlich nicht. Das Anabolika-Zeitalter, was vornehmlich die Schnellkraft-Disziplinen betraf, scheint vorbei zu sein. Aber Radsport und diverse Winter-Ausdauersportarten haben in den letzten Jahren gezeigt, was auch in diesem Bereich für Auswüchse Realität sind. Warum sollte das in den leichtathletischen Ausdauerdisziplinen anders sein? Ich denke kurz vor der WM Ende August in Peking werden die Medien noch einige Knaller ans Tageslicht bringen.

Trauen Sie dem Leichtathletik-Weltverband IAAF zu, dass er Doping vertuscht?
Ich glaube nicht, dass die IAAF als Ganzes korrupt ist, aber es ist wie im Fußball. Einzelne Länder, einzelne Funktionäre ticken ganz anders als zum Beispiel der deutsche Verbandspräsident Clemens Prokop, der im Hauptberuf Amtsgerichtsdirektor ist. Leute wie er bräuchten mehr Einfluss im Weltverband.

Sie kennen etliche ehemalige osteuropäische Spitzensportler wie Ex-Hammerwurf-Olympiasieger Sergej Litvinov sen. Erst im Winter waren sie bei ihm in Russland. ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt hat in einer aufsehen erregenden Reportage den Russen systematisches Doping durch den Staat vorgeworfen. Glauben Sie, dass das nur in Russland passiert?
Natürlich nicht. Auch zu dem russischen Problem hatte ich im Januar in Sotschi sehr tiefgehende Gespräche mit meinen Freunden Sergej Litvinov und seinem gleichnamigen Sohn, der im vergangenen Jahr EM-Dritter war. Ich bekam gute Einblicke in das russische System. Staats-Doping, womöglich noch von Wladimir Putin angeordnet, gibt es jedenfalls nicht. Die Gelder für den Leistungssport fließen dezentral in die Regionen. Da kann es schon vorkommen, dass in einer Sportregion wie Krasnodar schon eine Jugend-Olympiasiegerin ein Haus und der Trainer eine Eigentumswohnung bekommt. Bei 300 Euro Monatsverdienst ist da natürlich die Versuchung groß, unerlaubt nachzuhelfen.

Wenn es sich bestätigt, dass auch deutsche Spitzensportler zu den Sündern gehören - muss man dann nicht befürchten, dass immer weniger Eltern ihre Kinder zur Leichtathletik schicken?
Das ist meine größte Sorge, obwohl das absolut kein reines Leichtathletikproblem ist. Ein schwarzes Schaf kann da viel Basisarbeit kaputt machen. Der DLV leistet schon einiges an Aufklärungs- und Präventionsarbeit. Zum Beispiel wird jeder 15- und 16-Jährige, der auf dem Sprung zum Nachwuchs-Bundeskader steht, zu einem einwöchigen Seminar eingeladen, indem Training nur nebenbei stattfindet, aber das Thema Dopingprävention eine zentrale Rolle einnimmt. Auch bei den deutschen Jugendmeisterschaften am vergangenen Wochenende gab es unübersehbare Informationsstände. Pro Disziplin wurde mindestens ein Medaillengewinner ausgelost und zur Doping-Kontrolle geschickt. Ich wage zu bezweifeln, dass es weltweit überhaupt ein Land gibt, wo das im Altersbereich der 16- bis 19-Jährigen bei nationalen Titelkämpfen so passiert.

Ist der Kampf gegen Doping überhaupt zu gewinnen? Könnte ein eigenes Doping-Gesetz der Bundesregierung helfen?
Das Doping-Gesetz steht ja kurz vor der Verabschiedung. Auch da gibt es allerdings ausgerechnet aus dem Athletenbereich Gegenstimmen. Doch wer nichts zu verbergen hat, sollte dem eigentlich zustimmen! Ich bin der Meinung, das Doping-Gesetz bringt uns in Deutschland weiter, doch international juckt das natürlich niemanden. Auch der DLV bzw. der Bundesausschuss Leistungssport müsste da umdenken und zumindest den jungen Athleten auch mal eine Chance geben, wenn sie - sauber - knapp unter den hohen Qualifikationsleistungen für eine EM oder WM bleiben. Ein Opfer dieser nicht ganz glücklichen Leistungsschraube wurde in diesem Jahr unser früherer UAC-Athlet Simon Lang, der den Hammer 69,70 Meter weit warf, damit die Norm für die U23-EM von 70 Meter knapp verfehlte und zu Hause bleiben musste. Einen besseren Athleten in diesem Bereich hat der DLV jedoch nicht.

Jetzt steht die Weltmeisterschaft in Peking an - schauen Sie da überhaupt noch mit Freude zu?
Doch, natürlich. So eine WM ist etwas besonderes. Alte Gesichter, neue Gesichter, spannende Wettkämpfe, vielleicht ein paar deutsche Medaillen. Die olympische Kernsportart Leichtathletik ist nach wie vor spannend und interessant.