Reichsbürger: Mit BRD ist kein Staat zu machen

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So sieht der Staatsangehörigkeitsausweis aus, den alle Landratsämter ausstellen. Diese Urkunde wird in seltenen Einzelfällen gebraucht, wenn Pass oder Personalausweis nicht ausreichen - etwa für die Immatrikulation für ein Studium im Ausland. Foto: Matthias EInwag
So sieht der Staatsangehörigkeitsausweis aus, den alle Landratsämter ausstellen. Diese Urkunde wird in seltenen Einzelfällen gebraucht, wenn Pass oder Personalausweis nicht ausreichen - etwa für die Immatrikulation für ein Studium im Ausland. Foto: Matthias EInwag

Landratsämter stellen vermehrt Staatsangehörigkeitsausweise aus. Auch skurrile Gruppen beantragen das Dokument für ihre Fantasiewelt.

Es klingt wie ein Witz, doch es ist keiner: Seit einiger Zeit wenden sich vermehrt Personen an Behörden, die sich selbst "Reichsbürger" nennen. Seit den tödlichen Schüssen in Georgensgmünd (Landkreis Roth) auf Polizisten stehen sie nun im Fokus der Ermittler.

Die Gruppierung erkennt die Bundesrepublik Deutschland samt ihrer Ämter und Institutionen nicht an, stellt sich eigenmächtig obskure Ausweise und sogar "Reichsführerscheine" aus und bastelt fantasievolle Kfz-Kennzeichen. Die Mitglieder dieser Gruppen sind wohl ein buntes Konglomerat aus Verschwörungstheoretikern und Rechtsnationalen. Der Verfassungsschutz warnt vor den "Reichsdeutschen" und ihren bizarren Darstellungen.


Rückgriff auf das Jahr 1871

Das Landratsamt Lichtenfels hat kürzlich Post von einer dieser Gruppen aus 85652 Landsham bekommen, deren Briefkopf ein - im Fax undefinierbares - Wappen ziert, das
von zwei Löwen flankiert wird. "Bundesstaat Bayern" prangt oben in Frakturbuchstaben. Im Schreiben wird gefordert: "die Wiederherstellung des status quo ante (bellum) für die Staaten und den seit 1871 existierenden Staatenbund Deutsches Reich in den Reichsgrenzen 2 Tage vor Ausbruch des 1. Weltkriegs (2. Deutsches Reich)". Unterzeichnet hat das Fax eine Monika a. d. F. Sedlmeir, Zusatz in Frakturschrift: "administrative Regierung des Bundesstaat(s) Bayern".

Im Kreis Kulmbach sind zwar noch keine "Reichsbürger" renitent aufgetreten, doch ihre wirklichkeitsfremden Forderung haben sie schon nachdrücklich und wortreich vertreten. Im Landratsamt sei "vermehrt seit Ende letzten Jahres" das Interesse an Staatsangehörigkeitsausweisen gestiegen, bestätigt Christine Dippold, im Landratsamt tätig für Personenstandswesen. "Die Tendenz ist steigend", sagt die Sachbearbeiterin. Bundesweit einheitlich werden für einen solchen Ausweis 25 Euro verlangt.

Auch im Landkreis Lichtenfels gibt es laut Landrat Christian Meißner eine verstärkte Nachfrage. "Gerade vor dem Hintergrund der Bluttat im Landkreis Roth prüfen wir, wer von diesen ,Reichsbürgern' im Besitz einer Waffe ist. Wer sich nicht zu unserem Staat bekennt, hat meiner Ansicht nach auch kein Recht auf den Besitz einer Waffe, deren Genehmigung der gleiche Staat ausstellt, den diese Bürger ablehnen."

Im Handbuch "Reichsbürger" des Brandenburgischen Instituts für Gemeinwesenberatung heißt es: "In mitunter aggressiver Weise treten dort Bürger auf und verbreiten wilde Verschwörungsfantasien. Sie sehen in der Bundesrepublik Deutschland keinen souveränen Staat, weil er gar nicht existiere. Demnach gebe es auch keine Regierung. Selbiges gelte für Kommunen und Landkreise. Jegliches staatliches Handeln wird als illegitim aufgefasst. Somit seien alle Gesetze, Bescheide und Gerichtsurteile nichtig. Sie behaupten ferner, die Bundesrepublik Deutschland sei eigentlich ein Unternehmen namens ,BRD GmbH'. Dementsprechend weigern sie sich, eine ,Geschäftsbeziehung' mit dieser ,GmbH' einzugehen und zahlen weder Steuern noch kommunale Gebühren, Abgaben oder Bußgelder.

Stattdessen nehmen manche von ihnen sogar Gerichtsverhandlungen und Erzwingungshaft in Kauf. Andere wiederum geben ihren Personalausweis bei der Gemeinde- oder Stadtverwaltung ab. Als Begründung führen sie an, nicht mehr ,Eigentum' oder ,Personal' der ,BRD GmbH', sondern Angehörige des ,Deutschen Reiches' zu sein. Um das zu untermauern, hantieren sie mit eigens erstellten Fantasiedokumenten wie ,Reichsausweisen' oder ,Reichsführerscheinen' herum."


Anzeige gegen Bayreuther OB

Für Bayreuth ist ein besonders absurder Fall dokumentiert: Ein gewisser Oliver N. hatte im Frühsommer Anzeige gegen Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe (Bayreuther Gemeinschaft) erstattet. Zur Begründung führte er an, die Rathauschefin habe die Bevölkerung darüber getäuscht, in einem angeblich freien Land zu leben. Die Bundesrepublik Deutschland sei nicht dieses frei propagierte Land, sondern - wenn überhaupt - eine besetzte Zone seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Merk-Erbe sollte die Bayreuther über diesen angeblich bestehenden Quasi-Besatzungsstatus unterrichten.

Oliver N., ein 48-jähriger Mann, der von Hartz IV leben soll, bezeichnet sich selber als Reichsbürger. "Das sind wir alle", sagt er und macht das an folgender Darstellung fest: Weder die Kapitulation des Deutschen Reichs noch der Versailler Friedensvertrag seien von Vertretern eines Landes unterzeichnet worden, die dazu berechtigt gewesen wären. "Das haben Generäle unterschrieben - folglich besteht das Deutsche Reich bis heute fort." Den Rechtsnachfolger BRD akzeptiert Oliver N. nicht; es sei ein Firmenkonstrukt, "damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt". Insofern lehnt er auch die Befugnisse von Vertretern dieser "BRD GmbH" wie Polizisten oder Richter ab. Sie nähmen lediglich den Grad von Angestellten ein, die ihm gegenüber in keiner Weise staatlich etwas durchsetzen könnten.


"Hochverrat am deutschen Volk"

Explizit verwahrt sich der 48-Jährige auch gegen einen Gerichtsvollzieher, der von ihm einige Hundert Euro hatte eintreiben wollen. Nach BR-Informationen handelt es sich um Forderungen der Staatskasse. Oliver N. wittert darin nicht weniger als "Amtsmissbrauch und -anmaßung, vorsätzlichen politischen Betrug, Hochverrat am deutschen Volk". Der Rechtsbürger wähnt sich im Recht, fordert gar einen internationalen Haftbefehl gegen den Gerichtsvollzieher - und will das notfalls mittels Eingreifen der Alliierten durchsetzen. Zur Untermauerung seines Ansinnens gingen Kopien seines Briefes an die russische Botschaft in Berlin sowie den Generalstaatsanwalt und den Außenminister Russlands.