Neuer Kulmbacher Dekan will Menschen in die Kirche locken

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Thomas Kretschmar ist der neue Dekan in Kulmbach. Foto: Katrin Geyer
Thomas Kretschmar ist der neue Dekan in Kulmbach. Foto: Katrin Geyer

Thomas Kretschmar ist der neue Dekan im evangelischen Dekanat Kulmbach. Am 1. Oktober wird er in sein Amt eingeführt.

Man könne sich gerne bei ihm zum Gespräch treffen, sagt Thomas Kretschmar am Telefon. Aber er müsse sich gleich vorneweg entschuldigen: Es sei alles noch ein wenig provisorisch, man sei ja eben erst eingezogen.
Das Gespräch findet im Wohnzimmer statt. Da sieht nichts nach Provisorium aus. Stattdessen: dunkle Möbel, viele Blumen und weit geöffnete Fenster, durch die an diesem warmen Spätsommernachmittag kaum der Lärm der Stadt dringt, dafür aber vernehmlich das Schlagen der Kirchturmuhr. Unmittelbar vor den Fenstern ragt der mächtige Bau der Petrikirche auf.

Die wird Thomas Kretschmar in den nächsten Jahren immer im Blick haben - auch im übertragenen Sinne: Der 55-Jährige, geboren in Hamburg, aufgewachsen in Bayern, ist neuer Dekan des evangelischen Dekanats Kulmbach und Pfarrer auf der ersten Pfarrstelle von St.
Petri.


Direkt am Kichplatz


Am 1. Oktober wird er sein Amt offiziell antreten. Umgezogen sind er und seine Frau Sabine bereits im August, haben sich in einem der alten Häuser direkt am Kirchplatz vorübergehend, aber durchaus behaglich eingerichtet und haben die Zeit genutzt, ihre neue Lebens- und Wirkungsstätte schon ein wenig kennenzulernen.

Kulmbach und die Umgebung seien wunderschön, sagt Thomas Kretschmar. Er und seine Frau seien sehr herzlich aufgenommen worden. Auch nach seiner offiziellen Amtseinführung wolle er sich Zeit lassen zum Schauen und Zuhören. "Ich will niemandem fertige Konzepte überstülpen, sondern solche Konzepte mit den Menschen gemeinsam entwickeln."

Ideen freilich gibt es. Viele Ideen. Die größte und vielleicht wichtigste: "Ich will die wunderschöne Petrikirche wieder mit Leben erfüllen." Das meint der neue Petri-Pfarrer ganz praktisch. Der Zugang zur Kirche müsse einfacher werden; die große Treppe, die von der Oberen Stadt zum Kirchplatz führt, sei vor allem für viele ältere Menschen ein kaum überwindbares Hindernis.


Kleine Glanzlichter setzen


Aber es gehe auch darum, neue Gottesdienstformen zu entwickeln, dabei kleine Glanzlichter zu setzen, um mehr Menschen in die Gottesdienste zu locken. "Es ist doch schade, dass dieser wunderbare Bau im Winter mehrere Monate nicht genutzt wird, und dass hier nicht jeden Sonntag ein Gottesdienst stattfindet."

Eng verwoben mit der Frage nach der künftigen Nutzung der Petrikirche ist die Frage nach einem Immobilienkonzept für die Petrikirchengemeinde. Beengte Raumverhältnisse im Verwaltungstrakt im Martin-Luther-Haus in der Waaggasse, ein dringend sanierungsbedürftiges so genanntes zweites Pfarrhaus, eine noch nicht bezugsfertige Dekanswohnung und die Frage, wie das vorübergehende Domizil der Kretschmars künftig genutzt werden soll, beschäftigen den Kirchenvorstand und die Petri-Pfarrer schon geraume Zeit - und werden es weiterhin tun. Dazu kommt, dickster Brocken von allen, die Frage, wie und vor allem mit welchem Geld die Petrikirche renoviert werden soll. Als Dekan wird Kretschmar sein Engagement freilich nicht auf die Petrikirche beschränken. Er wird auch das Dekanat, zu dem 25 Kirchengemeinden mit rund 30 000 Gläubigen gehören, in eine noch unbestimmte Zukunft führen müssen.

Der demographische Wandel wirkt sich auf die Kirchengemeinden aus. Wo junge Leute fehlten, fehlten auch die jungen Pfarrer, sagt Kretschmar. Im Jahr 2030, wenn die geburtenstarken Jahrgänge alle im Ruhestand sind, wird die Gesellschaft und auch die Kirche anders ausschauen.


Über die Zukunft nachdenken

Bis dahin hofft er selber schon in Pension gehen zu können. "Aber wir müssen jetzt schon anfangen, über das Gemeindebild der Zukunft nachzudenken."

Dabei setze er auf das, was er die "Kultur der Vernetzung" nennt. Man müsse lernen, in Regionen zu denken. "Es darf keine Konkurrenzsituation unter den Gemeinden entstehen."

In den nächsten Jahren wird die Evangelisch-Lutherische Landeskirche eine neue Landesstellenplanung entwickeln. Möglicherweise wird es dann in absehbarer Zeit nicht mehr in jeder Gemeinde einen eigenen Pfarrer geben. "Deshalb müssen wir lernen, in Regionen zu denken."

Umso bedeutsamer sei es aber auch, dafür zu sorgen, dass die Kirchengemeinden ihre Identität behalten. Dazu, so sagt Kretschmar, sei es wichtig, die Gemeinden als Ganzes zu betrachten, und nicht, wie das heute häufig getan werde, als eine Ansammlung einzelner Zielgruppen.

In diesem Prozess der Identitätsstiftung und -bewahrung spielten nicht nur die Pfarrer und die hauptamtlichen Mitarbeiter eine Rolle, sondern auch und vor allem die vielen Ehrenamtlichen, die es an die Gemeinden zu bilden gelte.


"Wir müssen den Ehrenamtlichen etwas zutrauen"


"Partizipation" sei das Stichwort, so der neue Dekan. "Wir müssen den Ehrenamtlichen etwas zutrauen, müssen Verantwortung an sie abgeben. Ehrenamtliche benötigen Freiraum und Verantwortung - auf allen Ebenen." Die Kirche selbst, davon ist Kretschmar überzeugt, braucht die Menschen. Auch die, die jetzt noch eher kirchenfern lebten.

"Um auf diese Menschen zuzugehen, braucht es charismatische junge Leute", sagt der neue Dekan - und ist froh, dass nach dem Wechsel von Christian Hanf auf eine Funktion in der Gesamtkirchengemeinde Kulmbach die Stelle des Jugenddiakons noch in den nächsten Wochen neu besetzt werde.

Was will der neue Dekan als erstes anpacken im neuen Amt? Da legt sich Kretschmar nicht fest. "Ich will mir Zeit nehmen, erst einmal die Kirchengemeinden und die Pfarrerinnen und Pfarrer kennenzulernen."


Schwere Erkrankung

Zeit wird er auch für seine Gesundheit brauchen. Noch in der Umzugsphase ist Thomas Kretschmar schwer erkrankt. Wegen der langwierigen Behandlung wird er auch nach seinem offiziellen Amtsantritt am 1. Oktober zeitweilig eingeschränkt sein.
"Dafür bitte ich um Verständnis", sagt er - und verspricht, sich sobald als möglich mit voller Kraft seinen neuen Aufgaben zu widmen. Und dann wird ihm, so wie es aussieht, die Arbeit nicht ausgehen.