Für Schüler, die an der Mittelschule den qualifizierenden Abschluss geschafft haben oder die den M-Zug erfolgreich absolviert haben, steht die Welt offen. Im Landratsamt Kulmbach wurden nun die Besten geehrt.
Momentan tourt Jana Rafelt (17) noch mit ihrem Roller durch die Gegend. Doch wenn sie einmal ein bisschen älter ist, will sie auf jeden Fall den Motorradführerschein machen. Schon jetzt ist sie oft mit ihrem älteren Bruder Peter (26) unterwegs. Jana hat schon einiges hinter sich. Denn eigentlich ging die Schülerin, die den Abschluss am M-Zug der Hans-Edelmann-Schule mit einem Durchschnitt von 1,55 geschafft hat, auf das Gymnasium. Doch in der sechsten Klasse verstarb ihre Mutter. "Ich habe dann die sechste Klasse wiederholt. Aber nach der neunten Klasse hatte ich in Deutsch und in Physik eine 5, dann habe ich die Schule verlassen", erzählt Jana Rafelt.
Auf die Realschule konnte sie nicht wegen der Altersgrenze. Dann kam sie an die Hans-Edelmann-Schule. "Mir ist dieser Schulwechsel sehr schwer gefallen, denn ich wollte nicht weg vom Gymnasium. Wir hatten eine Super-Klasse.
Aber jetzt muss ich sagen, dass das ein guter Weg war im M-Zug - meine letzte Chance", erzählt die 17-Jährige. In Deutsch hat sie eine Zwei, in Mathe ebenso. Und in der Fächerkombi Physik, Bio und Chemie hat sie auch einen Einser geschafft. "Ich gehe jetzt auf die FOS, denn ich will unbedingt zur Polizei", sagt Jana Rafelt. Das sollte bei ihrem Durchschnitt kein Problem sein, doch Jana Rafelt hat ein anderes Handicap: das Gewicht.
Im August steht noch ein Aufnahmetest an. "Wenn ich genommen werden, dann gehe ich gleich, aber wenn nicht, dann schaue ich, dass ich bei der nächsten Aufnahmerunde zum Zug komme", erzählt sie zielstrebig. Das Problem beim Auswahlverfahren der Polizei ist, dass Jana zu leicht ist. Ihr Body-Mass-Index liegt knapp unterdem vorgeschriebenen Mindestwert. "Ich habe immer viel Sport gemacht, spiele Fußball und gehe zwei Mal pro Woche ins Fitnessstudio.
Ich versuche es jetzt mit Muskelaufbau", sagt Jana und hat sich fest vorgenommen, nicht von ihrem Traumberuf abbringen zu lassen.
Ein VW Polo als Belohnung Auch Sebastian Schmidt (17) hat den M-Zug mit Bravour gemeistert - mit einem Durchschnitt von 1,6. Schmidt, der im Kessel wohnt, wird ein Berufsgrundschuljahr absolvieren und danach eine Lehre als Zimmermann anfangen. Schon jetzt jobbt er bei seiner späteren Ausbildungsfirma. "Ich bin auf Baustellen unterwegs. Das ist gut", sagt Sebastian Schmidt.
Aktuell macht er zudem seinen Führerschein. "Aber den T-Führerschein habe ich schon - also ich kann landwirtschaftliche Fahrzeuge bis 40 Tonnen fahren", erzählt Schmidt. Seine Familie hat einen Pferdehof im Kessel. Und in seiner Freizeit hilft Sebastian natürlich mit. "Als Belohnung bekomme ich einen VW Polo", freut er sich schon auf die Lehrzeit. Natürlich kein neues Auto.
"Aber eine Vespa hab ich ja auch noch." Zeit zum Ausspannen bleibt ihm auch noch ein bisschen, denn in den Ferien fährt er mit seinen Eltern nach Italien.
Doch nicht nur die M-Schüler haben sich mächtig ins Zeug gelegt, auch die Mittelschüler haben beim Quali Durchschnitte erzielt, die sich sehen lassen können.
Die Beste ist erst ein Jahr im Land Valentina Skok (18) ist erst vor einem Jahr aus Kroatien nach Deutschland gekommen. Die Familie hat wegen der wirtschaftlichen Probleme in Kroatien das Haus in Zagreb verkauft, und sich in Presseck eine Immobilie gekauft. Valentina hat in Kroatien die ökonomische Berufschule besucht, doch ihr Abschluss wurde nicht anerkannt. "Deshalb habe ich jetzt den Quali gemacht", erzählt sie. Doch schwer war der nicht.
Mit einem Schnitt von 1,44 hat sie auch schon eine Ausbildungsstelle: Bei Katz und Katz will sie Einzelhandelsverkäuferin lernen.
"Mein Wunschberuf ist eigentlich etwas mit Marketing, aber jetzt mache ich erst einmal eine Ausbildung und dann kann ich mich immer noch weiterbilden. Denn in Deutschland ist das Weiterbildungssystem sehr gut", sagt Valentina. In ihrer Freizeit zeichnet sie gerne, außerdem verbringt sie jede freie Minute mit ihrem Freund Luis (20). Und in den Ferien wird sie auch mit Luis in seine alte Heimat - nach München - fahren und vielleicht an en Chiemsee.
Spaß am Lernen mit dem Lehrer Ebenfalls einen Super-Abschluss hat Lukas Ströhlein (16) an der Mittelschule Neuenmarkt erzielt. Er hat den Quali mit einem Durchschnitt von 1,5 geschafft.
"Das lag an unserem Lehrer - der war so ein Kumpeltyp, da hat das Lernen Spaß gemacht", erzählt Lukas Ströhlein. Und außerdem ging Lukas in die Ganztagesschule. "Das hat mir einfach viel gebracht", sagt er. Eine Ausbildungsstelle hat Lukas Ströhlein auch schon - er wird bei MGS eine Ausbildung zum Mechatroniker machen. "Ich habe dort schon Praktikum gemacht", erzählt Ströhlein und ist überzeugt, dass seine Berufswahl genau die Richtige ist.
In einer kleinen Feierstunde wurden die vier besten Mittelschüler im Landratsamt ausgezeichnet. Landrat Klaus Peter Söllner wollte den Fokus darauf richten, dass auch den Absolventen der Mittelschulen die Welt offen steht. "Euch stehen jetzt alle Wege offen. Ihr habt alle Chancen dieser Welt", so Söllner.
Initiiert hatte diese außerordentliche Ehrung die Handwerkskammer für Oberfranken und die Kreishandwerkerschaft Kulmbach. Kreishandwerkermeister Günther Stenglein betonte, dass das Handwerk, solche guten Leute brauche. "Aktuell bildet das Handwerk 5598 Lehrlinge aus, prozentual drei Mal so viel wie andere Wirtschaftsbereiche." Und die Hälfte der Lehrlinge im Handwerk komme aus Mittelschulen.