Lieber tot in Kulmbach als zurück nach Afghanistan

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Der Asylbewerber hat aufgegeben: Er klettert vom Spinnerei-Schlot wieder nach unten, wo er sich in 30 Metern Höhe eine Stunde lang festgeklammert und droht hat, in die Tiefe zu springen. Fotos: Stephan Tiroch
Der Asylbewerber hat aufgegeben: Er klettert vom Spinnerei-Schlot wieder nach unten, wo er sich in 30 Metern Höhe eine Stunde lang festgeklammert und droht hat, in die Tiefe zu springen. Fotos: Stephan Tiroch
Aufatmen: Der Asylbewerber ist unversehrt unten angekommen.
Aufatmen: Der Asylbewerber ist unversehrt unten angekommen.
 
Der Mann wird zur Polizeidienststelle gebracht.
Der Mann wird zur Polizeidienststelle gebracht.
 
Polizeichef Gerhard Renk und der Notarzt im Gespräch.
Polizeichef Gerhard Renk und der Notarzt im Gespräch.
 
Die Feuerwehr bringt das Rettungskissen weg.
Die Feuerwehr bringt das Rettungskissen weg.
 
Die Lage entspannt sich.
Die Lage entspannt sich.
 
Die Gerätschaften werden eingepackt.
Die Gerätschaften werden eingepackt.
 
Die Bergwacht kann ihre Ausrüstung wieder ablegen.
Die Bergwacht kann ihre Ausrüstung wieder ablegen.
 
Schulkinder, die auf den Bus warten, und Schaulustige beobachten den Einsatz am Spinnerei-Schlot.
Schulkinder, die auf den Bus warten, und Schaulustige beobachten den Einsatz am Spinnerei-Schlot.
 
In 30 Metern Höhe klammert sich der Mann eine Stunde lang fest.
In 30 Metern Höhe klammert sich der Mann eine Stunde lang fest.
 
Nach einer Stunde gibt er auf und klettert nach unten.
Nach einer Stunde gibt er auf und klettert nach unten.
 

Ein Asylbewerber aus Afghanistan ist in Kulmbach auf den Schlot der Spinnerei geklettert und hat gedroht, in die Tiefe zu springen. Er hat Angst, in sein Heimatland abgeschoben und von Al Kaida ermordet zu werden.

Aufatmen bei Polizei und Rettungskräften: Am Donnerstag um 12.55 Uhr klettert der Mann vom Spinnerei-Schlot nach unten. Er hat auf der Leiter in zirka 30 Metern Höhe eine Stunde lange ausgehalten und gedroht, in die Tiefe zu springen. Der Notruf geht kurz vor zwölf bei der Polizei ein.

Die einstündige Aktion des verzweifelten Asylbewerbers aus Afghanistan ist ein Hilfeschrei. Der 23-Jährige hat Angst, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Er hat Angst, umgebracht zu werden von Al Kaida, der Terrororganisation, die 2001 den Anschlag auf das World Trade Center in New York verübt hat.

Asylantrag abgelehnt

"Sein Asylantrag ist abgelehnt worden", sagt sein Freund, der Iraker Hassan Ismail.
"Er hat nur noch eine Duldung." Ismail berichtet von einem Zettel, den der 23-Jährige vom Schornstein runtergeworfen hat: "Er hat geschrieben: Lieber bringt er sich hier um, bevor er zurückgebracht wird." Was ihm sehr zu schaffen macht, so der Freund: "Dass er nicht mehr arbeiten durfte." Er ist bei McDonald's beschäftigt gewesen.

Die Polizei hat das Gelände beim Busbahnhof, wo viele Schulkinder und Schaulustige stehen, abgesperrt. Die Busse können nicht durchfahren, müssen in der Heinrich-von-Stephan-Straße wenden. Insgesamt sind etwa 50 Rettungskräfte von Polizei, Feuerwehr, BRK und Bergwacht im Einsatz.

Am Fuß des Backstein-Schlots hat die Feuerwehr ein Rettungskissen aufgebaut, das glücklicherweise nicht gebraucht wird. Spezialisten der Polizei sprechen von der Drehleiter aus mit dem 23-Jährigen, um ihn zu beruhigen und zum Aufgeben zu bewegen. Derweil legt Thomas Gremer seine Bergwacht-Ausrüstung an. "Wir könnten ihn sichern und mit unserem Bergesitz runterbringen", erläutert er.

OB Schramm soll kommen

Weder die Bergwacht noch die Feuerwehr werden letztlich gebraucht. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Der Mann klettert hinab. Er will, dass OB Henry Schramm unten wartet. "Ich kenne den Mann nicht", so der Oberbürgermeister, "aber es hat sich halt rumgesprochen, dass ich mich für Asylbewerber einsetze. Ich habe versprochen, dass ich mit ihm rede."

Für die letzten vier, fünf Meter stellt die Feuerwehr eine zusätzliche Leiter auf. Wieder am Boden, wird der Asylbewerber zur Polizei auf die andere Straßenseite gebracht. "Wir befragen ihn und ermitteln die Hintergründe", sagt Inspektionsleiter Gerhard Renk.

Der OB geht mit. Er will helfen, einen Ausweg zu finden, "dass nix mehr passiert", so Schramm. "Der Mann hat eine Krankheit, die in Afghanistan nicht behandelt werden könnte", berichtet er. Dies wäre ein Grund für einen zweiten Asylantrag: "Das ist eine zweite Chance für ihn. Ich habe ihm zugesagt, ihn zu unterstützen. Er hat anfangs nur geweint. Als ich gegangen bin, hat er ein wenig gelächelt."

In ärztlicher Behandlung

Der junge Mann, der keine Angehörigen in Kulmbach hat, wird dann im Gesundheitsamt untersucht. Es geht um die Frage, ob er suizidgefährdet ist. Schließlich wird entschieden, ihn nach Bayreuth ins Bezirkskrankenhaus zu bringen, wo er jetzt ärztlich behandelt wird.