Die Bayreuther Kripo hat eine neue DNA-Spur, die zum Mörder von Herbert Dippold führen könnte. Die Ermittler setzten bei der Aufklärung des Kulmbacher Tankstellenmords vor 30 Jahren auf eine Wunderwaffe.
Es wäre nicht das erste Gewaltverbrechen, das viele Jahre nach der Tat aufgeklärt wird. 18 Jahre dauert es, bis der Mörder einer Prostituierten in Regensburg durch eine DNA-Analyse überführt werden kann. Oder im südhessischen Mörfelden: Dort ermittelt die Polizei mit Hilfe eines DNA-Abgleichs nach sage und schreibe 40 Jahren den Mörder eines 35-Jährigen. Mit dem DNA-Test verfügt die Polizei zunehmend über eine Wunderwaffe - und die technischen Möglichkeiten werden immer besser. Mörder und andere Schwerverbrecher müssen sich warm anziehen.
Ob Blut, Speichelreste, Hautschuppen oder Haare - jeder Täter hinterlässt am Tatort seine Spuren. Dank der modernen Kriminaltechnik können heute selbst winzigste Spuren ausgewertet werden: Das ergibt im Idealfall einen genetischen Fingerabdruck, der zweifelsfrei einem Täter zugeordnet werden kann.
Neuer Ermittlungsansatz Dadurch hat die Kriminal polizei auch immer wieder neue Ermittlungsansätze bei so genannte Altfällen wie dem Kulmbacher Tankstellenmord von 1984, als der 42-jährige Herbert Dippold umgebracht worden ist. "Wenn wir ungelöste Mordfälle haben, lässt uns das nicht in Ruhe. Wir greifen solche ,cold cases', wie die Amerikaner sagen (,kalte Fälle'), immer wieder einmal auf", erläutert der Bayreuther Kripochef Ralf Popp.
Dabei nutzt die Polizei die neuesten kriminaltechnischen Methoden. "Da tut sich sehr viel, die Technik entwickelt sich immer weiter", versichert Popp. "Heute reichen auch kleinste DNA-Mengen, die man anreichern kann, um zu einem Ergebnis zu kommen."
Im Mordfall Dippold hat die Polizei verschiedene Beweis stücke verwahrt, unter anderem die Tatwaffe, also die blutverschmierte Abschleppstange, und das Lord-Extra-Feuerzeug. An einem Asservat haben Gerichtsmediziner eine DNA-Spur gefunden, die vor vier, fünf Jahren noch nicht verwertbar gewesen wäre. "Wir hab en eine neue DNA - von einer Stelle, dass die Spur vom Täter sein könnte", sagt der Kripochef. "Es könnte, aber auch vom Notarzt, von einem Sanitäter oder Polizisten sein." Deshalb werde der DNA-Abgleich im Umfeld des Mordopfers, bei Verwandten, Freunden und Bekannten durchgeführt.
200 Speichelproben Detaillierte Informationen, was genau und wo gefunden worden ist, gibt es nicht. Der Kripochef legt aber Wert auf die Feststellung, dass die Teilnehmer an dem Speicheltest "keine Tatverdächtigen" sind. "Es ist alles freiwillig", sagt er, "wir hatten allerdings noch keinen, der gesagt hätte, dass er nicht mitmacht." Nach seinen Worten wohnen von den zirka 200 Probanden die meisten in Kulmbach, aber auch einige im Ausland oder anderswo in Deutschland. Im Fokus der Ermittler stehen nur Männer, da die Spur nach den Erkenntnissen der Rechtsmediziner ausschließlich männliche DNA enthält.
Die Aktion soll laut Popp noch zwei bis drei Wochen dauern. "Dann sind wir mit den Speichelproben durch." Die Ergebnisse des DNA-Massentests erwartet der Kripochef Mitte November und gibt sich zuversichtlich: "Es ist mehr als nur einen Versuch wert, ich bin da ganz guter Dinge."
Wilde Spekulationen Derweil wird in Kulmbach aufgrund der neuen Ermittlungen wild spekuliert. Manch einer glaubt sogar, das Phantombild der Polizei von 1984 zuordnen zu können. "Der Täter läuft in Kulmbach rum", heißt es. Eine Annahme, die dadurch noch bestärkt wird, dass wenige Tage nach der Tat bei Baumgarten wichtige Spuren gefunden worden sind. "Wer fährt denn da hin? Der muss sich doch hier ausgekannt haben."
Rückblende - der Kulmbacher Tankstellenmord Den Mörder von Herbert Dippold, der am 10. November 1984 in seiner Tankstelle umgebracht worden ist, hat die Polizei bis heute nicht gefasst. Was ist vor 30 Jahren geschehen? Eine Rückblende.
Der Tatort Schauplatz des Mordes ist die Esso-Tankstelle am Kreuzstein, die inzwischen umgebaut worden ist.
Der Abend An jenem Samstag schließt Herbert Dippold gegen 20 Uhr die Zapfsäulen. Im Büro macht er die Tagesabrechnung. Die letzte feststellbare Kassenbewegung datiert von 20.22 Uhr. Danach muss sein Mörder in den Verkaufsraum gekommen sein.
Die Tat Für diejenigen, die Herbert Dippold gekannt haben, ist es unvorstellbar, dass der unerschrockene Mann die Tageseinnahmen von 8000 Mark ohne Widerstand herausgibt. Doch gegen den brutalen Angreifer hat der 42-Jährige keine Chance. Der Tankstellenpächter wird mit einer Abschleppstange erschlagen und mit 16 Stichen umgebracht. Seine Frau, die sich Sorgen gemacht hat, findet die blutüberströmte Leiche ihres Mannes im Büro seiner Tankstelle.
Die Ermittlungen Die Bayreuther Kripo setzt eine 20-köpfige Sonderkommission zur Aufklärung des Verbrechens ein. Zwei Tage nach dem Mord gibt es eine erste heiße Spur: Ein Landwirt entdeckt bei der Milchsammelstelle in Baumgarten die verbrannten Überreste von zwei Aktenkoffern aus dem Besitz des Opfers, dessen gestohlenen Schlüsselbund sowie ein Einwegfeuerzeug mit der Aufschrift "Lord Extra", das dem Mörder zugeordnet wird. Somit stellt sich die Frage: Verfügt der Täter über Ortskenntnisse? Wenig später taucht auf dem Parkplatz bei der B 85 in der Nähe der Gastwirtschaft "Zum Gründla" die blutverschmierte Mordwaffe auf: zwei Teile einer stählernen Abschleppstange. Aber alle Spuren verlaufen im Sande - auch 1986, als sich ein Zeuge meldet, der zur Tatzeit zwei Männer, einen Bullterrier und einen roten Ford Taunus mit Landshuter Kennzeichen in der Nähe der Esso-Tankstelle gesehen haben will.
Das Umfeld In Kulmbach glaubt niemand, dass Herbert Dippold Feinde gehabt haben könnte. Die Tankstelle, die er von seinem Vater August Dippold übernommen hat, gilt als beliebter Treffpunkt für ein Bierchen oder ein Gespräch.
Das Ergebnis Weder die überprüften Spuren - es sind im Laufe der 30 Jahre fast 500 - noch die Belohnung von insgesamt 16.000 Mark bringen die Kriminalpolizei entscheidend weiter. Der Fall ist bis heute nicht gelöst.