Kulmbachs Krenwurst soll auf die Geschmacks-Arche

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Eine Arche des Geschmacks hat der Verein "Slow Food" vom Stapel laufen lassen. Die Kulmbacher Krenwurst soll an Bord. Grafik: Michael Beetz
Eine Arche des Geschmacks hat der Verein "Slow Food" vom Stapel laufen lassen. Die Kulmbacher Krenwurst soll an Bord. Grafik: Michael Beetz
Die Krenwurst wird noch heute in der Metzgerei Lauterbach in Kulmbach hergestellt. Foto: privat
Die Krenwurst wird noch heute in der Metzgerei Lauterbach in Kulmbach hergestellt. Foto: privat
 
Simon Reitmeier
Simon Reitmeier
 

Früher war sie in aller Munde - heute scheint die Kulmbacher Krenwurst vergessen. Das wollen Metzgerei-Inhaberin Ursula Lauterbach und das Kompetenzzentrum für Ernährung verhindern.

Wer die Internet-Suchmaschine anwirft und nach "Krenwurst" fahnden lässt, der stößt auch auf das "Wörterbuch der donauschwäbischen Lebensformen". Kein Scherz. Seite 582 dieser Publikation spuckt folgenden Hinweis aus: "Krenwürste: gewöhnlich heiß, zu geriebenem Kren gegessene, paarweise gebundene Würstchen aus Rindfleisch mit gemahlenen Speckstückchen. Ähnlich dem Krenfleisch werden die Würstchen mit Essigkren oder Senf verzehrt".

Eine Variante dieser Wurst gibt es auch in Kulmbach - doch hier ist sie vom Aussterben bedroht. "Die Krenwurst war schon lange eine Kulmbacher Spezialität", weiß Ursula Lauterbach aus eigener Erfahrung. Die Inhaberin der gleichnamigen Metzgerei am Marktplatz kann sich noch gut daran erinnern, dass ihr Vater in den 1960er-Jahren die Wurst nach eigener Rezeptur hergestellt hat. Ein Wienerle im klassischen Sinn ist die Krenwurst nicht, sagt Ursula Lauterbach: "Sie ist eher ein herzhaftes Brühwürstchen mit grober Einlage, man isst sie traditionell mit fränkischem Kren, also Meerrettich."

Und weil die Spezialität nicht ganz in Vergessenheit geraten soll, hat die Geschäftsfrau zusammen mit Simon Reitmeier (siehe Interview) vom Cluster Ernährung in Kulmbach einen besonderen Antrag gestellt: Die Krenwurst soll an Bord gehen: an Bord der "Arche des Geschmacks". Diese Initiative hat der Verein "Slow Food Deutschland" initiiert. Mit dieser Aktion sollen seltene oder gar aussterbende Lebensmittel und Rezepturen für die Nachwelt erhalten bleiben. Auf die Arche geschafft hat es unter anderem bereits die Kartoffelsorte "Bamberger Hörnla".


Traueranzeige geschaltet

Ursula Lauterbach trauert den Zeiten nach, in denen die Krenwurst in den Gastwirtschaften eine beliebte und preiswerte Brotzeit darstellte. Die Inhaberin hatte 2012 sogar eine Traueranzeige geschaltet. Der Wortlaut: "Wir trauern um die Krenwurst - eine Kulmbacher Wurstspezialität 1902 - 2012. Sollen wir sie sterben lassen? Alles hat seine Zeit. Produkte kommen und gehen. Die fränkischen Wurstsorten liegen uns besonders am Herzen, und da tut es weh, wenn eine dieser Köstlichkeiten mangels Nachfrage aussortiert werden muss."


Stimmt das mit dem Jahr 1902?

Ob das mit dem "Geburtsjahr" 1902 stimmt? Genaue Jahreszahlen gibt es nicht, aber die Krenwurst soll schon Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt und beliebt im Kulmbacher Raum gewesen sein. Die Ursprünge liegen dennoch im Dunkeln. Metzger Heinz Kauper aus Hegnabrunn kennt die Kulmbacher Krenwurst seit ungefähr Ende der 1950er-Jahre. "Damals war sie eine beliebte Brotzeit in den Wirtschaften der Stadt und lief sogar dem Wienerle den Rang ab."

Womöglich geht sie auf einen österreichischen Ursprung zurück (Wienerle mit Meerrettich ist dort bekannt und beliebt) und wurde zur lokalen Spezialität. Heute aber, sagt Ursula Lauterbach, ist die Krenwurst nur noch ein Nischenprodukt. Sie wird nur mehr auf besonderen Wunsch gefertigt.

Und das ist drin: Die Krenwurst setzt sich nur zur Hälfte aus Feinbrät (bestehend aus Schweinefleisch, Rindfleisch, fett, Wasser) zusammen; die andere Hälfte ist grob gewolftes, angesalzenes Schweinefleisch. Weitere Zutaten sind Gewürze und Zucker. Die Wurst selbst wird in Saitlinge von Kaliber 20-24 gefüllt und in den Rauch gehängt.


Opfer des Ernährungszeitgeistes

"Vielleicht kann die Aufnahme in die Arche des Geschmacks beitragen, sie vor dem Vergessen zu bewahren", hofft Ursula Lauterbach darauf, dass die Krenwurst nicht zum Opfer des Ernährungszeitgeistes wird. Die alteingesessene Metzgerei setzt sich sehr für den Wursterhalt ein und produziert sie noch regelmäßig. Auch einige lokale Wirtschaften bieten an, die Würstchen wieder auf die Karte zu nehmen. Und wer weiß: Vielleicht erlebt die Spezialität ja eine Renaissance auf den Tellern in Stadt und Landkreis.


"Für Kulmbach wäre die Krenwurst der erste Passagier überhaupt"

Er will dazu beitragen, die Krenwurst auf die "Arche des Geschmacks" zu bugsieren: Simon Reitmeier ist Geschäftsführer des Clusters Ernährung am Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn).

Herr Reitmeier, wie kam es zu der Idee mit der Geschmacks-Arche?
Die Arche des Geschmacks ist ein Projekt des Vereins "Slow Food" mit Sitz in Norditalien. Dort werden sozusagen vom Aussterben bedrohte Lebensmittel gelistet - in Deutschland, aber auch weltweit. Ich habe früher ehrenamtlich für Slow Food gearbeitet - und die Kulmbacher Krenwurst passt hier gut rein.

Wie wurde denn die Krenwurst zum Arche-Typ?
Als ich vor drei Jahren ans Kompetenzzentrum für Ernährung nach Kulmbach kam, hat Ursula Lauterbach eine Anzeige in der Zeitung geschaltet, wonach die Krenwurst ausstirbt. Die Nachfrage nach dieser Spezialität ging offenbar sukzessive zurück, dabei sei gerade diese Wurst früher ein echter Renner gewesen. So kam das Thema sozusagen auf den Tisch.

Ist die Krenwurst eine regionale fränkische Spezialität?
Mir persönlich bekannt ist die Krenwurst-Tradition, eine Art Wienerle mit Meerrettich zu essen, vor allem aus dem österreichischen Raum. Im Fränkischen ist mir nichts bekannt, dass es diese Wurst außerhalb Kulmbachs noch in dieser Art der Zubereitung gibt. Es ist früher vielleicht auch als gar nichts so Besonderes empfunden worden. Sie hat ja einen Unterschied zum Wienerle: Sie hat eine viel dickere Einlage und dadurch wesentlich mehr Biss. Das liegt daran, dass die Wolfung grober ist, es ist kein feines Brät.

Was kann ein Platz auf der Arche bedeuten?
Sobald die Krenwurst als Passagier auf die "Arche des Geschmacks" kommt, steigt vielleicht wieder die Aufmerksamkeit für diese Ware. Viele Jüngere wissen es gar nicht mehr, was diese Wurstsorte ist. Wäre doch schade, wenn eine Lebensmitteltradition so sang- und klanglos verschwinden würde.

Haben Sie auch die geschichtlichen Hintergründe der Wurst recherchiert?
Ja, das habe ich versucht - aber das ist genau die Schwierigkeit: Viele ältere Leute erzählen mir, das habe es früher in vielen Metzgereien und auch Lokalen gegeben. Aber es gibt kein Dokument, keinen Beleg, wie weit man die Krenwurst zurückverfolgen kann. Jetzt gilt es, möglichst viele Informationen zusammenzutragen, beispielsweise Bilder von Würstelbuden, die die Wurst verkauft haben. Schön wären auch datierte Speisekarten, die Aufschluss über die frühere Verbreitung geben könnten. Das aber fehlt leider noch.
Gibt es bereits Lebensmittel aus der Region, die Aufnahme auf die Arche gefunden haben?
In Kulmbach nicht, da wäre die Krenwurst sozusagen Premierengast. Moment gibt es bundesweit erst 50 Passagiere.

Welche Voraussetzung muss der Mitfahrer mitbringen?
Es geht unter anderem um den identitätsstiftenden Charakter für eine Region.

Gibt es eine Art Gütesiegel für das Produkt oder den Hersteller?
Sobald ein Lebensmittel Arche-Passagier geworden ist, bekommt der Hersteller einen Flyer und wird auch von Slow Food darin unterstützt, das Produkt wieder bekannter zu machen.

Das Gespräch führte Jochen Nützel