Riesige Löcher in einem Kulmbacher Familiengrab, Erdhaufen vor der Einfassung, zwei verzweifelte Grabbesitzerinnen. Ein Beweisfoto überführt den Täter.
Sabine Schröder und Evi Möhrlein trauen ihren Augen nicht: Fassungslos stehen die Schwestern am Grab ihrer Mutter auf dem Kulmbacher Friedhof. Ein stattlicher Haufen Erde und Steinchen neben der Einfassung. Links und rechts neben der auf der Grabstätte blühenden Rose zwei riesige Löcher im Erdreich. Was ist hier passiert?
Zu Ostern kam das zum ersten Mal vor. Die Schwestern vermuteten einen tierischen Besucher, brachten alles wieder in Ordnung. Nach längerer Pause vor zwei Wochen wieder ein Besuch am Grab - und dieselbe Situation. Sabine Schröder wendet sich an die Friedhofsverwaltung, bittet darum, sich das einmal anzusehen. Doch sie hat das Gefühl, man nimmt sie nicht ernst. Man verweist sie an den Jagdpächter.Der habe sich aber im befriedeten Bereich nicht als zuständig gesehen.
"Wir haben uns abgebügelt gefühlt"
"Uns wurde gesagt, das sei vermutlich ein Eichhörnchen oder eine Maus. Das sei halt die Natur, da könne man nichts machen", sagt die 57-Jährige. "Wir haben uns abgebügelt gefühlt", so auch das Empfinden von Evi Möhrlein.
Im aus dem Grab gewühlten Erdhaufen finden sich auch Holz-Herzen, beschriftet mit den Namen der Familienangehörigen. "Die waren als Schmuck am Sarg befestigt. Ich mache mir Sorgen, dass beim nächsten Mal noch andere Dinge nach oben befördert werden."
Sabine Schröder ist verärgert, dass sich niemand das Problem wenigstens ansehen will. "Wir werden einfach damit alleine gelassen."
Sie wendet sich an die Redaktion der Bayerischen Rundschau. Ob wir vielleicht Rat wüssten? Wir möchten gerne helfen und fragen wiederum Stadtfördersterin Carmen Hombach um Rat. Die 52-Jährige ist auch Jägerin, kennt sich mit Wildtieren aus und hat im Friedhof schon einmal Probleme mit Rehen erfolgreich gelöst. Sie erklärt sich bereit, noch am selben Tag den "Tatort" zu besichtigen. Ein Blick genügt ihr: Das ist etwas Größeres. "Kaninchen", ist die erste Vermutung, aber auch Dachs oder Fuchs kämen in Frage.
Schritt eins der Problemlösung: herausfinden, wer da uneingeladen zu Besuch kommt. Carmen Hombach hat eine Wildtier-Kamera mitgebracht. Gut getarnt wird diese im gegenüberliegenden Gebüsch befestigt. Wenig später ist der Übeltäter eindeutig identifiziert: Es ist ein Jungfuchs, etwa ein Jahr alt, der in dem Doppelgrab einen Eingang zu zwei rechts und links abzweigenden Gängen gegraben hat. "Da muss möglichst sofort etwas passieren", sagt die Stadtförsterin. Auch sie hat Bedenken, der Fuchs könnte ans Licht befördern, was im Grab bleiben sollte.
Dass der Fuchs sich in diesem Bereich des Friedhofs, angrenzend an eine städtische Biotopfläche und die Bürgergärten wohlfühlt, ist für die Försterin keine Überraschung. "Füchse im Siedlungsgebiet sind nicht selten, und hier finden sie Deckung und Nahrung."
Aber da, wo er ist, kann er natürlich nicht bleiben. "Jetzt ist ein günstiger Zeitpunkt, ihn zu verjagen, weil keine Jungen da sind." Carmen Hombach recherchiert und nimmt über die Online-Seite fuchs-hilfe.de Kontakt zu dem Spezialisten Daniel Peller aus Biebertal auf. Peller antwortet schnell und umfassend. Seinem Rat folgend bestellt die Stadtförsterin ein Vergrämungsmittel. Es handelt sich um ein Granulat, das für den Fuchs, andere Tiere, Mensch und Umwelt ungefährlich ist. Der intensive Zitrusgeruch wird selbst in kleinen Mengen von der feinen Fuchsnase als extrem unangenehm empfunden.
Dieses Granulat wird nun großzügig im und um den Fuchsbau sowie im Umfeld verteilt. Zur Besprechung dieser und der folgenden Maßnahmen gibt es noch einmal ein Treffen auf dem Friedhof. Diesmal sind alle Beteiligten versammelt: die Besitzerinnen der Grabstätte, die Stadtförsterin, Stadtgärtner Jürgen Ganzleben, Michael Dörsch vom Bauhof.
Ganzleben bittet um Verständnis, dass es im Vorfeld mit der Kommunikation nicht so geklappt hat, wie es wünschenswert gewesen wäre. Durch die Urlaubszeit hätten sich viele Aufgaben und Anfragen gestaut. Er sei nach dem Gespräch mit Sabine Schröder von einem kleineren Tier ausgegangen, und davon, dass in Zusammenarbeit mit dem Jagdpächter das Problem längst gelöst sei.
Es sei keinesfalls gewollt, dass Bürger sich im Stich gelassen fühlen, betont er und versichert, dass Friedhofsverwaltung und Bauhof stets bemüht seien, bei allen Anliegen zu helfen.
Der Bau wird dicht gemacht
Dafür, dass der Fuchs das Grab, das schon seit 1966 der Familie gehört, künftig in Ruhe lässt, soll neben dem Vergrämungsmittel und weiterer Kameraüberwachung eine effiziente Verfüllung beitragen. Michael Dörsch hat bereits Maß genommen für einen Holzgestell, das mit Draht bespannt in die gegrabene Röhre eingepasst und mit Erde aufgefüllt wird. Da ist dann für das Tier kein Durchkommen mehr.
Sabine Schröder und Evi Möhrlein sind sehr erleichtert, dass ihr Problem endlich gelöst wird. Und sie richten ein dickes Dankeschön an Carmen Hombach für ihre Hilfe.
Zuständig für derartige Probleme ist jedoch nicht die Stadtförsterin, sondern nach wie vor die Friedhofsverwaltung. "Jetzt, wo wir die Situation kennen, werden wir natürlich ein besonderes Augenmerk darauf haben", versichert Jürgen Ganzleben. Wer einen entsprechenden Verdacht habe, solle sich direkt bei den Mitarbeitern melden.
Kommentar: Miteinander reden hilft
Es gibt Situationen, die müssten nicht sein. Ärger, der sich vermeiden ließe. Dass die beiden Kulmbacherinnen, die das Grab ihrer Mutter im Kulmbacher Friedhof pflegen, stinksauer waren, weil sie sich seitens der Stadt mit ihrem Problem allein gelassen fühlten, ist nachvollziehbar. Die liebevolle Anpflanzung - zerstört. Die Sorge, was da in der Tiefe am Sarg vor sich geht - nicht beachtet.
Warum sah sich das Problem seitens der Friedhofsverantwortlichen niemand an? Warum wälzte man die Ursachenforschung auf die Nutzungsberechtigten ab? Die sehen sich dazu weder in der Lage noch verpflichtet: Sie zahlen ihre Gebühren, halten das Grab in Ordnung, melden den Vorfall - mehr als einmal. Und es passiert: nichts.
Frust ist da vorprogrammiert, und der mündete in einen Anruf bei der BR-Redaktion. So kommt Bewegung in die Sache. Und es zeigt sich: Miteinander reden hilft!
Es ist nämlich keineswegs böse Absicht oder Ignoranz, die diese unerfreuliche Situation geschaffen hat, sondern ein Missverständnis gepaart mit einem nicht unerheblichen Mangel an Kommunikation. Nicht nur zwischen den unmittelbar Beteiligten, sondern auch in der Informationskette innerhalb der Verwaltung, durch die das Problem nicht als solches erkannt wurde.
Selbstverständlich wolle man die Sorgen und Nöte der Bürger ernst nehmen und vernünftig bearbeiten, ließ uns die Pressestelle der Stadt auf Nachfrage wissen. Das Ausmaß des Problems sei den Verantwortlichen nicht bewusst gewesen, die Fuchs-Situation ein ganz neues Phänomen. Hätte man es gewusst, hätte man früher reagiert.
Freilich: Hätte man nachgesehen, hätte man es früher gewusst!
Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Sofern man etwas daraus lernt, sind die sogar zu etwas gut. In diesem Fall bedeutet das: Künftig wird man bei der Friedhofsverwaltung sensibler sein, intern dafür sorgen, dass Informationen ankommen. Nicht nur, wenn ein Fuchs ein Grab zerlegt.