Vor der Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth wird der Kulmbacher Bierfest-Unfall mit seiner ganzen Tragik noch einmal aufgerollt. Die Eltern des Getöteten wollen nicht, dass ihr Sohn die ganze Schuld bekommt.
An den Fakten gibt es auch in der Berufungsverhandlung vor der Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth am Donnerstag keinen Zweifel: wie sich der Kulmbacher Bierfest-Unfall in der Unglücksnacht am 4. August 2012 zugetragen hat, wie Matthias H. aus dem Weißenbrunner Ortsteil Eichenbühl auf der B 85 bei Ziegelhütten gestorben ist und dass die damals 20-jährige Studentin mit 1,6 Promille niemals mehr hätte Auto fahren dürfen.
Es geht um Einschätzungen, um Schuldzumessung und um Missverständnisse. "Es geht um ein bissla Gerechtigkeit für meinen Sohn. Er wird dadurch auch nicht mehr lebendig, aber das bin ich ihm schuldig", sagt die Mutter des Unfallopfers am Ende des ersten Prozesstages im historischen Schwurgerichtssaal des Bayreuther Justizpalasts. Aber was ist Gerechtigkeit? Können juristische Laien überhaupt nachvollziehen, wie die Rechtsprechung funktioniert?
Keine Alleinschuld Als ob er es geahnt hätte, richtet Vorsitzender Richter Michael Eckstein schon vorher ein Wort an die Eltern des Opfers, die mit ihrer Berufung den Richterspruch der ersten Instanz vom Dezember anfechten. "Im Urteil des Amtsgerichts Kulmbach ist mit keinem Wort die Rede, dass dem Getöteten das alleinige Verschulden gegeben wird oder dass seine Alkoholisierung zum Unfall beigetragen hat", betont Eckstein. Auch der Gutachter habe festgestellt, dass Matthias H. bei seinem nächtlichen Fußweg vom Bierfest - obwohl bei ihm 1,3 Promille festgestellt worden sind - nicht geschwankt oder getorkelt ist. "Wenn das anders aufgenommen wurde, ist das unzutreffend."
In der Beweisaufnahme wird der Fall, der die Menschen im Raum Kulmbach und Kronach bewegt, mit seiner ganzen Tragik komplett neu aufgerollt. Dass der 30-Jährige nach dem Bierfest zu Fuß auf der B 85 nach Hause laufen will. Dass der Mann um 4.45 Uhr, auf der rechten - falschen - Straßenseite laufend, bei der Kreuzung Ziegelhütten/Niederndobrach vom Mercedes der Anklagten angefahren und in den Straßengraben geschleudert wird. Dass für ihn jede Hilfe zu spät kommt.
"Eine Art Blackout" Die junge Frau befindet sich damals ebenfalls auf dem Heimweg vom Bierfest. Sie fährt nach dem Aufprall, den sie für einen Wildunfall hält, weiter. "Ich hatte eine Art Blackout, wie wenn ich automatisch weitergefahren bin", sagt die Angeklagte, die nervös und angespannt wirkt.
Zu Hause weckt sie ihren Vater und fährt mit ihm den Weg ab. Sie finden die Unfallstelle, Glasscherben und ein Schuh liegen auf der Fahrbahn. Der Vater setzt den Notruf ab. Matthias H. wäre laut ärztlichem Gutachten aber auch nicht mehr zu retten gewesen, wenn die Autofahrerin eher Hilfe geholt hätte. Er erleidet einen Schädelbruch, Knochenbrüche überall - und erstickt an seinem eigenen Blut.
Besondere Bedeutung hat die Aussage des Unfall-Sachverständigen. Dekra-Ingenieur Stefan Luther kommt zu dem Ergebnis, dass der Unfall auch für einen nüchternen Autofahrer nicht vermeidbar gewesen wäre. Die Angeklagte sei sehr weit rechts und vorschriftsmäßig mit 60 bis 70 km/h gefahren. Im Abblendlicht habe sie den dunkel gekleideten Mann erst 15 bis 20 Meter vor dem Aufprall gesehen. Zu spät, um anhalten oder ausweichen zu können. Dazu hätte sie höchstens 30 bis 35 km/h fahren dürfen.
Daraus ergeben sich zwei rechtliche Fragen, die das Gericht in seinem Urteil, das am Freitag verkündet wird, beantworten muss: Durfte die Angeklagte so weit rechts fahren? Und: Hätte sie das Fernlicht einschalten müssen?
Sorgfaltspflichtverletzung? Für Rechtsanwalt Till Wagler aus Kronach, der die Eltern vertritt, steht fest: Es liegen zwei Sorgfaltspflichtverletzungen der Angeklagten vor. Sie hätte besonders vorsichtig sein müssen, weil sie gewusst hat, dass sie betrunken ist. Wäre sie 40 Zentimeter weiter links gefahren und mit Fernlicht, hätte die Kollision vermieden werden können. "Sie hat sich eines Vergehens der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht", sagt Wagler und beantragt, das Urteil der ersten Instanz aufzuheben.
Die Staatsanwaltschaft, die nicht in die Berufung gegangen ist, hält das Kulmbacher Urteil - unter anderem 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit - in vollem Umfang für zutreffend. Staatsanwalt Ludwig Peer sieht keine objektive Sorgfaltspflichtverletzung. Es liege kein alkoholbedingter Fahrfehler vor, für die Autofahrerin habe das Rechtsfahrgebot gegolten, und es gebe in der Straßenverkehrsordnung keine Vorschrift, wann das Fernlicht einzuschalten ist. Peer: "Es bleiben also nur die vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr und das unerlaubte Entfernen vom Unfallort."
Die Antwort des Verteidigers Verteidiger Thomas Dolmány aus Nürnberg, der sich vollinhaltlich der Staatsanwaltschaft anschließt, spricht die besondere Tragik an: dass Matthias H. kein Taxi bekommt, dass ihn sein Bruder im Auto eines Freundes nicht mitnehmen kann und "dass er auf der verdammten rechten Seite läuft". Dolmány betont, dass seine Mandantin für ihr ganzes Leben gezeichnet ist, dass sie psychotherapeutische Behandlung benötigt und dass ihre ganze Familie leidet. Er vergisst aber auch die Familie des Opfers nicht und beantwortet die Frage nach "ein bissla Gerechtigkeit" so: "Beide tragen Schuld. Matthias hat eine Mitschuld, aber dass die Angeklagte die überwiegende Schuld trägt, wurde nie in Frage gestellt."
Auch wir warten auf Gerechtigkeit.
Nach über 21 Jahren lässt man uns mit unseren Fragen und Zweifeln alleine.
Lies auf Google:
"Wiegen zwei Morde leichter als einer"
http://www.welt.de/print-wams/article130477/Wiegen-zwei-Morde-leichter-als-einer.html
Wir wissen, dass der schlimme Mord an unserer Melanie nicht vergleichbar ist, mit dem Unfalltod von Matthias. Der Tod von Matthias wurde nicht "bewußt" begangen, wohl aber der Mord an unserer Tochter. Sicherlich leidet die junge Frau sehr und dieses tragische Erlebnis wird sie ihr Leben lang wohl auch begleiten und nicht loslassen. Noch schlimmer aber ist es für die Eltern von Matthias, denn ein Kind zu verlieren, ist das Schlimmste, was man erleben kann.
Wir wurden in der schwersten Zeit unseres Lebens alleine gelassen von Staat/Justiz und Kirche. Trotz allem haben wir zum christlichen Glauben gefunden, den Glauben aber an eine gerechte Justiz genauso verloren, wie den Glauben an eine helfende, tröstende Kirche.
Leidvoll mussten wir erleben, dass Oberstaatsanwälten die Karriere wichtiger war, als die Aufklärung des Mordes an unserer Tochter. Zwei von diesen Vertretern des Staates wurden noch vor Beginn des 1. Prozesses versetzt, als Gerichtspräsidenten nach Coburg und Bamberg. Niemand interessierte sich dafür, wie wir damit leben sollten, nachdem ein mutmaßlicher Täter aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde und nur wenige hundert Meter von uns entfernt wohnte.
Um der Gefahr von Selbstjustiz aus dem Weg zu gehen, haben wir unser Elternhaus verkauft und unsere Heimatstadt verlassen. Wir haben alles aufgegeben, um anständig zu bleiben und erhalten auf unsere Briefe an die frühere Justizministerin Merk und den damaligen Innenminister Beckstein keine Antwort.
Wären wir es nicht wert, unsere Fragen zu beantworten und unsere Zweifel zu beseitigen ?
Der Theologe Friedrich Schorlemmer schrieb einmal:
"Der Rechtsstaat lässt den Tätern das Zugute kommen,
was er den Opfern verweigert".
Die Wahrheit dieser Worte haben wir leidvoll erleben müssen.
Nach der schlimmen Nachricht vom gewaltsamen Tod unserer Tochter kam kein Pfarrer, kein Seelsorger, kein Psychologe, der uns half, oder tröstete. Nur mit Beruhigungsspritzen und -Tabletten wurden wir am Leben gehalten.
Zwei Mordprozesse mussten wir durchstehen und leidvoll erleben, dass vor dem 1. Prozeß, zwei Oberstaatsanwälten die Karriereleiter wichtiger war, als die Aufklärung.
Unter vielen Tränen haben wir einen Antrag ausfüllen müssen, um zum zweiten Prozeß als "Zuschauer" zugelassen zu werden, nachdem dieser Prozeß gegen einen 29jährigen unter "Jugendstrafrecht" lief. Um diesen 29jährigen Jugendlichen zu schützen, durften wir in diesem onimösen Prozeß keine Fragen stellen. Kein Anwalt durfte uns zum Prozeß begleiten oder unterstützen, während dieser "Jugendliche" zwei Anwälte hatte, wovon einer derselbe war, den auch der 1.Tatverdächtige hatte. Außerdem erhielt dieser "Jugendliche" eine "Jugendgerichtshelferin".
Wie soll man da an eine Gerechtigkeit und ein gerechtes Urteil glauben ?
Wer interessiert sich in diesem Land eigentlich für die Opfer, bzw. Hinterbliebenen ?
Uns hat der christliche Glaube geholfen, nachdem wir Antwort suchten auf die Frage unserer Tochter, die diese wenige Wochen vor ihrem schlimmen Tod stellte:
"Vati, was wird eigentlich nach dem Tod sein ?"
Antworten auf diese Fragen haben wir in der Bibel gefunden und unsere Kirche verlassen, die uns in der schwersten Zeit unseres Lebens alleine ließ.
Vielleicht finden die Eltern von Matthias und die junge Frau, die diesen Unfall verschuldete, Trost in Videos von Menschen, die den Nahtod erlebten und deren Erlebnisse wir in unserem Kanal "Melanielebt" auf YouTube, stellten.
Vielleicht können auch sie dann auch die Worte sagen:
"Matthias lebt".
Bibelworte über das "weltliche Gericht".
"Noch etwas habe ich in dieser Welt beobachtet.
Wo Recht gesprochen und für Gerechtigkeit gesorgt werden sollte,
da herrscht schreiendes Unrecht."
Prediger 3,16
"Sprecht ihr in Wahrheit Recht, ihr Mächtigen?
Richtet ihr in Gerechtigkeit die Menschenkinder?
Nein, mutwillig tut ihr Unrecht im Lande."
Psalm 58, 2.3
"Also wurde das Recht verdrängt, und die Gerechtigkeit zog sich zurück;
denn die Wahrheit strauchelte auf dem Markt und die Redlichkeit fand keinen Eingang."
Jesaja 59,14
"Die Schmach hat mir das Herz gebrochen,
dass ich krank geworden bin;
ich warte auf Mitleid, aber da war keines
und auf Tröster, aber ich fand sie nicht."
Psalm 69,21
"Wiederum sah ich alles Unrecht an,
das unter der Sonne geschieht und siehe,
da waren Tränen derer, die Unrecht litten
und keinen Tröster hatten.
Und die ihnen Gewalt antaten, waren zu mächtig,
so dass sie keinen Tröster hatten.
Da pries ich die Toten, die schon gestorben waren,
mehr als die Lebendigen, die noch das Leben haben."
Prediger 4,1-2
"Von Recht und Gerechtigkeit ist nichts mehr zu finden.
Ehrlichkeit und Redlichkeit sind auf dem Marktplatz nicht mehr gefragt.
Zuverlässigkeit gibt es nicht mehr.
Wer sich vom Unrecht fernhält,
dem spielen die anderen übel mit.
Der Herr hat dies alles gesehen und es mißfällt ihm,
dass es kein Recht mehr gibt."
Jesaja 59, 14-17
auf welcher Seite das Opfer lief. Sie hätte einen entgegenkommenden Fußgänger genauso umgefahren. So ist nur die Frage, ob sie ihn von vorne oder hinten totgefahren hat. Und zu Hause erst den Vater und nicht die (bei einem Wildunfall zuständige Polizei ) zu informieren lässt an ein Versehen nur schwer glauben