Es heißt, dass man das Schafkopfspiel in der legendären Kartschul' Hutschdorf lernen kann. Jeder kennt diese Schule, jeder spricht darüber. Aber wo, bitte, ist sie? Wir machen uns auf die Suche.
Der Franke, sagt man, verliert selten die Contenance. Und wenn doch, dann passiert's meistens beim Schafkopfen in einem fränkischen Wirtshaus. Nehmen wir mal unseren alten Chefredakteur Ottmar Schmidt. Sonst ein Mann von ausgesuchter Höflichkeit, kann ihn nichts mehr in Rage bringen als der Fehler eines Kartbruders. Legendär sein Ausspruch, den er einem Kollegen (der Name sei hier verschwiegen) an den Kopf geworfen hat: "Entschuldigens, Herr ..., aber Sie müssen blöd sein!"
Dem so Geprügelten - und allen seinen Leidensgenossen - bleibt nichts anderes übrig, als sich auch noch den Spott der anderen Mitspieler anzu hören. "Warst halt net in Hutschdorf, in der Kartschul? Wir melden dich zum nächsten Kurs an." Die Botschaft ist klar: Wer einen Bock nach dem anderen schießt beim Schafkopfen, wird nach Hutschdorf geschickt.
Alle reden über die legendäre Kartschul', jeder kennt sie.
Aber wo, bitte, ist die Kartschul'? Wir machen uns auf die Suche und begeben uns nach Hutschdorf - denn dort soll sie ja sein.
Er kennt jede Lumperei Zuvor schauen wir beim Thurnauer Altbürgermeister Rudi Hofmann in Berndorf vorbei, der von sich selber sagt: "Ich weiß jede Lumperei, die in der Gemeinde passiert ist." Doch hier muss er passen. Von der Kartschul' hat er gehört. "Aber da kann ich Euch nicht weiterhelfen, ich bin kein Schafkopfer", sagt er und erzählt noch schnell einen Schwank aus seiner Jugend: "Ich hab' früher immer zu meinen Arbeitskollegen gesagt, wenn sie zum Kartenspielen ins Wirtshaus gegangen sind: Dann muss ich mich halt um Eura Madla kümmern."
In Hutschdorf angekommen, treffen wir unweit der evange lischen Johanneskirche Gotthard Lehner.
Der Chef von Haus Immanuel, einer weithin bekannten Fachklinik für suchtkranke Frauen, lacht: "Nein, bei uns ist die Kartschul' nicht." Es habe auch noch keiner nachgefragt, sagt er und macht sich Gedanken, ob Schafkopf als Therapieform in der Klinik in Frage käme.
Ein Geheimtipp Wieder nichts. Wer was wissen könnte, ist Werner Bär, der in Hutschdorf - sehr erfolgreich - einen Dorfladen betreibt. Motto: Tante Emma lebt. "Die Kartschul' ist weltbekannt", meint er. Ansonsten: ebenfalls Fehlanzeige.
Im Dorfladen bekommen wir jedoch einen Geheimtipp: Im Feuerwehrhaus treffen sich regel mäßig die Kartler. "Da geht immer was zamm." Also, dann nix wie hin. Die Uhr zeigt halbneun an - und wir treffen jede Menge Schafkopf-Experten. "Raus den Alten", "Grün wie mein Haar" oder "Schellinski war eine Polin" - ein Fachbegriff nach dem anderen jagt durch den Raum.
Wenn wir da nicht weiterkommen ...
Hutschdorfer Historie Hier also sitzen die einzig wahren Experten des süddeutschen Traditionsspiels? Immer dabei im FFW-Oberstübla die Brüder Helmut und Manfred Reinhardt, Gerhard Müller (alle Rottlersreuth), Reinhold Kauper (Hörlinreuth) und Gerhard Schmidt (Kemeritz). Sie haben eine Erklärung, was es mit der Kartschul' auf sich hat: Die jetzige Suchtklinik ist nach dem Krieg ein Genesungsheim für Lungenkranke gewesen. Die Patienten sind zum Zeitvertreib oft ins Gasthaus Barth (heute Pausch) gekommen. Um den TBC-Kranken aus dem Weg zu gehen, hat man ihnen das abgetrennte Nebenzimmer zugewiesen, wo sie Schafkopf gespielt haben.
"Das ist die Kartschul' gewesen", sagt Helmut Reinhardt.
Mischen und geben Sein Bruder Manfred - er hat sich gerade selbst vier Ober gegeben ("der Giftmaatscher") - kann sich erinnern, was man früher zu den Schafkopf-Erst semestern gesagt hat: "Runter in den Keller, erst mal mischen und geben."
Ob sie sich als Schafkopf-Professoren fühlen? Nein, nein, wiegeln die fünf Männer ab und widmen sich wieder ihrem Spiel, während wir uns wundern, dass die Zeiger nach wie vor auf halbneun stehen. "Das ist immer so, da brauchen wir nicht heimgehen", erläutert Reinhold Kauper. Seine Kollegen nicken. Alles klar, verstanden.
Wer war der Tote? Ohne Ergebnis verlassen wir das Feuerwehrhaus. Wir haben Gott und die Welt gefragt, aber keiner weiß, wo die Kartschul' ist.
Nicht mal in Hutschdorf! Sind wir einem Phantom hinterhergejagt? Mit der Bildungseinrichtung in dem kleinen Ort bei Thurnau verhält es sich wohl so wie mit der Geschichte von dem, der sich zu Tode gemischt hat: Da weiß auch keiner, wer's gewesen ist.
Schafkopfrennen Die Kartschul' in Hutschdorf haben wir nicht gefunden - daran sind wir gescheitert. Wer glaubt, dass er vielleicht mehr Erfolg hat, kann schon am Freitag beim Schafkopfrennen des SV Hutschdorf im Feuerwehrhaus (Beginn 20 Uhr) sein Glück versuchen. Oder dann im Frühjahr, wenn das Kartschul'-Turnier stattfindet. Da bilden vier Mann eine Mannschaft, deren Punkte zusammengezählt werden.