Wird die Zulassung für das Herbizid verlängert? Der Bauernverband sieht die Politik in der Pflicht, Öko-Landwirte wie Roland Scherm müssen ohne auskommen.
Während der deutsche Pharma-Riese Bayer sich gerade den US-Konzern Monsanto einverleiben und dafür 62 Milliarden Euro hinblättern will, erlischt Monsantos Lizenz zum Gelddrucken womöglich bald, jedenfalls in Europa: Glyphosat, der meistverkaufte Unkrautvernichter weltweit, steht wegen angeblich gesundheitsgefährdender Wirkung zumindest auf der Kippe. Die Bundesregierung ist uneins darüber, ob sie eine weitere Zulassung für das Herbizid befürworten soll oder nicht.
Eine Hängepartie, die nicht zuletzt die Landwirte trifft - und nervt. "Wenn der Stoff tatsächlich die Gesundheit gefährdet, dann gehört er natürlich verboten", sagt Wilfried Löwinger, Landwirt aus Altenreuth und Kulmbachs Kreisobmann im bayerischen Bauernverband. Und er hängt gleich ein "aber" an: "Aber wenn, dann muss es für alle verboten sein, und zwar überall auf der Welt.
Nicht dass wir Deutschen wieder den nationalen Alleingang antreten. Sonst ist es nur zum Nachteil für die deutschen Bauern. Wir konkurrieren weltweit mit Lebensmittelproduzenten. Da darf es nicht zu einseitigen Belastungen für uns kommen. Und es darf nicht sein, dass Glyphosat - und danach sieht es wohl aus - in der gängigen Dosierung ungefährlich ist und dann von der Politik nur wegen blanker Ideologien seitens bestimmter Verbände geopfert wird."
In der Sache, sagt Löwinger, gehe es längst nicht mehr um eine mögliche Verbrauchergefährdung. "Gewissen Interessenvertretern ist jedes Mittel recht, ein Verbot zu befeuern, losgelöst von wissenschaftlichen Wahrheiten und jeglicher fachlicher Praxis.
Ich verstehe ehrlich gesagt unsere Volksvertreter nicht, dass sie sich so treiben lassen."
Gegen Quecke, Distel & Co.
Wilfried Löwinger setzt Glyphosat auf seinen Feldern ein, vor allem zur Queckenbekämpfung nach der Getreideernte. "Ich bringe es auf den Stoppelfeldern aus. Es ist kein Bodenherbizid, sondern wirkt über die Blätter. Wurzelunkräuter sind an sich schwer in den Griff zu bekommen. Freilich gibt es ackerbauliche Möglichkeiten wie das umfangreichere Bearbeiten mit dem Pflug. Dann aber heißt es seitens der Wissenschaft wieder, die pfluglose Bestellung der Flächen sei zu bevorzugen, weil sie den Boden und die Lebewesen darin schont. Ich muss aber natürlich auch die Kostenseite im Blick haben. Und Glyphosat ist eine bewährte Methode."
Eine Gefährdung seiner eigenen Gesundheit beim Ausbringen des Pflanzenschutzmittels befürchte Löwinger nicht.
"Mir ist nichts bekannt von Gefahren für uns Landwirte. Diese Wirkstoffe sind absolut streng geprüft und müssen höchste Auflagen bei der Zulassung erfüllen." Auch ein Nachlassen der Bodenfruchtbarkeit auf den gespritzten Flächen habe Löwinger nicht festgestellt, im Gegenteil: "Der behandelte Bestand ist ertragreicher, weil eben die Konkurrenzpflanzen weg sind. Unkraut wie die Quecke bindet wichtige Nährstoffe."
Spritzen verboten!
Auch Roland Scherm kennt die Quecke, die sich tellerförmig in den Ackerflächen breit macht. Sprühen aber darf er nicht. Nicht mehr. Vor neun Jahren ist der Kasendorfer vom konventionellen zum ökologischen Landbau umgeschwenkt und arbeitet seither für Bioland.
Quecke, Distel & Co. zu Leibe zu rücken - für Scherm ist das eine Frage von Bodenbearbeitung, Fruchtfolge und dem Anbau konkurrenzstarker Kulturpflanzen.
"Die Quecke vermehrt sich über Wurzelausläufer. Deswegen fahre ich im Sommer mit dem Grubber insgesamt drei Mal über die Fläche, dann zieht es die Wurzeln raus und sie vertrocknen." Durch den kompletten Verzicht auf Kunstdünger kommen auch den Unkräutern weniger Nährstoffe zu, so dass deren Entwicklung nicht noch zusätzlich gefördert wird.
Der Kasendorfer baut Kleegras als Futterfrucht für seine Kühe an. Das Kleegras enthält sehr viel wertvolles Eiweiß und ist zudem ein adäquater Soja-Ersatz. Das erspart ihm wiederum den Zukauf von Soja aus Übersee, für dessen Kultivierung viel Glyphosat gebraucht wird. "Wir müssen vor dem Hintergrund unserer Bioausrichtung wesentlich größeres Augenmerk auf die Fruchtfolge richten.
Um das Aufkommen von Disteln zu unterbinden, sie regelrecht auszuhungern, mähe ich das Kleegras vier Mal im Jahr, das ganze auf drei Jahre - in etwa dem Prinzip der klassischen Dreifelderwirtschaft folgend." Unkrautbekämpfung nach dem Vorbild der Vorfahren sei das, sagt Scherm. "Es ist die Kombination aus dem Wissen unserer Väter auf der einen und moderner, speziell von und Biobauern entwickelter Geräte auf der anderen Seite."
Mit dieser Kombi bewirtschaftet Scherm seine insgesamt 110 Hektar; 60 Kühe stehen in seinem Laufstall und dürfen ab Frühjahr auf die Weide. Auch der Kasendorfer hat früher mit Glyphosat gearbeitet. "Es ist einfach und kostengünstig. Spritzen ist billiger als die intensive Bodenbearbeitung. Wobei es darauf ankommt, nicht zu tief einzuwirken.
Zu tiefes Bearbeiten würde das Bodenleben mehr zerstören, als es Glyphosat tut."
Scherm weiß aus eigener Erfahrung, dass Ökolandbau gleichbedeutend ist mit geringeren Erträgen. "Bei der Braugerste erreiche ich, verglichen mit dem konventionellen Anbau, vielleicht 75 Prozent, bei Weizen gerade die Hälfte."
Ausgeglichen wird das durch höhere Preise, sagt Scherm. "Nach Abzug aller Steuern bekommen wir pro Liter Milch 49 Cent. Das ist hoch, verglichen mit den 20 Cent im konventionellen Milchviehbetrieb."
Glyphosat: ein Bestseller auf dem Feld und im Garten gerät ins Zwielicht
Einstufung Eine an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) angegliederte Institution, die Krebsagentur IARC, hatte Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.
Ein anderes, für die Pestizidbewertung zuständiges Gremium der WHO, das "Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues" kommt nun jedoch, wie auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), zu dem Schluss: Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft sei bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung kein Risiko für Krebsentstehung oder Erbgutveränderungen durch Glyphosat für den Menschen über die Nahrung zu erwarten. Die Bundesregierung ist geteilter Meinung über Verlängerung des Zulassung.
Verwendung Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Weltweit und auch in Deutschland ist es der meistverwendete Unkrautvernichter. Er wird in der konventionellen Landwirtschaft großflächig versprüht, aber auch von Hobbygärtnern eingesetzt, wobei vor Gebrauch ein Nachweis erforderlich ist.
Zwei Milliarden Dollar - so hoch wird der Umsatz geschätzt, den der amerikanische Konzern Monsanto allein mit Glyphosat-haltigen Herbiziden wie Roundup jährlich erzielt.
Produktpalette Monsantos Patentschutz auf Glyphosat-Produkte ist ausgelaufen, andere Firmen dürfen ähnliche Mittel anbieten. In Deutschland sind es 84 Produkte.
Rückstände? Die Zeitschrift "Öko-Test" titelte 2012 "Gift im Korn": In Mehlen und Getreideprodukten war man auf der Suche nach Spuren des Wirkstoffs fündig geworden. Demnach war Glyphosat in fast drei Vierteln der Produkte nachweisbar. Eine Leipziger Forschungsgruppe wies nach, dass Rückstände von Glyphosat im Urin von Menschen und Tieren zu finden sind. Diesen Befund bestätigte eine 2013 veröffentlichte Untersuchung, die unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
initiiert worden war. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hingegen urteilt, in den ermittelten Befunden seien die zulässigen Grenzwerte deutlich unterschritten worden, also keine Gefährdung erkennbar.