Fahrräder sind seine Leidenschaft

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Georg Hempfling in seiner Werkstatt. Foto: Matthias Beetz
Georg Hempfling in seiner Werkstatt. Foto: Matthias Beetz
Raritäten auf Rädern: Auf diesen Sportgeräten haben schon die Radballweltmeister von 1954, Willi und Rudi Pensel aus Kulmbach, trainiert. Foto: Matthias Beetz
Raritäten auf Rädern: Auf diesen Sportgeräten haben schon die Radballweltmeister von 1954, Willi und Rudi Pensel aus Kulmbach, trainiert. Foto: Matthias Beetz
 
Anfang der 1950er Jahre entstand dieses Bild des Radfahrvereins Stadtsteinach; stehend, Dritter von rechts: Johann Hempfling. Foto:privat
Anfang der 1950er Jahre entstand dieses Bild des Radfahrvereins Stadtsteinach; stehend, Dritter von rechts: Johann Hempfling. Foto:privat
 
Die Ersatzteile liegen griffbereit. Foto: Matthias Beetz
Die Ersatzteile liegen griffbereit. Foto: Matthias Beetz
 
Die Firma Hempfling auf einen Blick: Philippine, Georg und Johann Hempfling Mitte der 1950er. Foto: privat
Die Firma Hempfling auf einen Blick: Philippine, Georg und Johann Hempfling Mitte der 1950er. Foto: privat
 
Das letzte Exemplar der Kinderwagen, die es bei Hempfling zu kaufen gab. Foto: Matthias Beetz
Das letzte Exemplar der Kinderwagen, die es bei Hempfling zu kaufen gab. Foto: Matthias Beetz
 
Fahrradkauf auf Raten: In den 1960er Jahren keine Seltenheit und schon damals kein Problem. Foto: Matthias Beetz
Fahrradkauf auf Raten: In den 1960er Jahren keine Seltenheit und schon damals kein Problem. Foto: Matthias Beetz
 
Bis kurz vor ihrem Tod am 20. Juni 1987 stand Philippine Hempfling im Geschäft. Foto: privat
Bis kurz vor ihrem Tod am 20. Juni 1987 stand Philippine Hempfling im Geschäft. Foto: privat
 
In der 1970er und 1980er Jahren heißbegehrte Tuning-Teile: Flatterbänder für den Fahrradlenker. Foto: Matthias Beetz
In der 1970er und 1980er Jahren heißbegehrte Tuning-Teile: Flatterbänder für den Fahrradlenker. Foto: Matthias Beetz
 
Fahrrad Marke "Nachkriegsmodell". Foto: Matthias Beetz
Fahrrad Marke "Nachkriegsmodell". Foto: Matthias Beetz
 

Im Juli 1925 eröffnete Johann Hempfling in Stadtsteinach einen kleinen Laden. Zum Angebot zählten auch Grammophone, Kinderwagen und Sprechmaschinen. 90 Jahre später hält Sohn Georg die Traditionen hoch.

Als sein Vater den Betrieb an der Alten Pressecker Straße eröffnete, hatte das Fahrrad noch eine ganz andere Bedeutung: Es war das Fortbewegungsmittel schlechthin. Selbst verbeulte Nachkriegs-Metallröhren wurden unter der geschickten Händen von Johann Hempfling wieder zu heiß begehrten Zweirädern. 90 Jahre ist das her. Zweirad-Hempfling gibt es noch immer. Sohn Georg Hempfling hält die Tradition des ältesten und letzten Fahrradladens in Stadtsteinach hoch.

Dass man 1925 allein von einem Fahrradhandel hätte leben können, daran war nicht zu denken. Und so fanden sich im Sortiment von Johann Hempfling auch Nähmaschinen, Grammophone, Kinderwagen, Skier, Schlitten - und Sprechmaschinen. "So hat man damals die Radios genannt", erzählt Georg Hempfling und berichtet von Zeiten, da "die halbe Pressecker Straße vor dem Haus zusammengelaufen ist, um Nachrichten zu hören".
Den Großteil des Lebensunterhalts verdiente Johann Hempfling damals freilich in der Papierfabrik, die unter dem Namen "Max Ellern Forchheim/Stadtsteinach" firmierte.

Nach dem Krieg schlug sich der dreifache Vater mit dem Verkauf von Baumaterial und seinem kleinen Geschäft durch, das natürlich auch die Mitglieder des schon vor dem Krieg gegründeten Radfahrvereins "Concordia" Stadtsteinach aufsuchten. Hempfling war dort Vorsitzender. Jahrzehnte später - 1972 - sollten die Radsportler mit dem TSV verschmelzen. Zwei Spezialräder, die einst die Radballweltmeister von 1954, Willi und Rudi Pensel aus Kulmbach, nutzten, blieben in der Alten Pressecker Straße zurück...

Die "Autohäuser" von Zettlitz

Mitte der 1950er Jahre erkrankte Johann Hempfling schwer, konnte nicht mehr arbeiten. In die Bresche sprang seine Frau Philippine. Und die wagte sich sogar an kleine Reparaturen an Beleuchtung, Reifen und Bremsen, wie Sohn Georg erzählt. Der hatte schon 1953 bei der Firma Rittmann im Rugendorfer Ortsteil Zettlitz und dann bei der Nachfolgefirma Opel &  Tittus eine Ausbildung zum Kfz-Handwerker begonnen. Und die bescherte der Familie nach dem Tod des Vaters 1959 durch die Meisterprüfung die Genehmigung der Mechaniker-Innung zur Fortführung des Betriebs.

Dass Georg Hempfling seinem Lehrberuf treu blieb und später bei Auto Dippold bis zum Kundendienstleiter aufsteigen sollte, tat dem kleinen Fahrradladen in Stadtsteinach keinen Abbruch. "Reparaturen habe ich in meiner Freizeit, an den Samstag und Sonntagen erledigt", erinnert sich Georg Hempfling, der zwischenzeitlich sogar motorisierte Zweiräder der Marken NSU, KTM, Kreidler, Puch und Hercules sowie Motorroller verschiedener Marken in das Sortiment aufgenommen hatte. Und dafür, dass der Laden lief, sorgte seine Mutter Philippine.

"Die Hempflings Pina", wie sie in Kreisen jugendlicher Zweirad-Enthusiasten genannt wurde, kümmerte sich - unterstützt von Schwiegertochter Hannelore - um die Reparaturannahme und um die Ersatzteilversorgung - und um die Beschaffung begehrter "Tuning"-Teile: Flatterbänder für den Lenker, Wimpel, zusätzliche Katzenaugen, Zahlenschlösser und bunte Plastikverkleidungen für die Bremszüge sind nur ein kleiner Auszug aus dem damaligen Zubehörprogramm. Und wenn das Taschengeld für die Erfüllung jugendlicher Sehnsüchte einmal nicht ganz reichte - "die Hempflings Pina" hat angeschrieben.

Mit 86 Jahren noch im Geschäft

Bis ins Frühjahr 1987 war Philippine Hempfling im Laden anzutreffen. "Noch ein Vierteljahr vor ihrem Tod hat sie das Geschäft betrieben", erzählt Sohn Georg. Er und Ehefrau Hannelore führen die Traditionen fort.

Felgenbremsen, Drei-Gang-Nabenschaltung, Kettenschaltung, Klickpedale, Nabendynamos, Federgabeln und noch vieles mehr - die technische Entwicklung macht auch auf dem Fahrradsektor nicht Halt. Georg Hempfling hält im Interesse der Kundschaft mit. "Ich alter Ochs mach' mich halt damit vertraut", sagt er schmunzelnd, um sogleich zur Ehrenrettung des Berufsstands das größte Problem der Branche zu benennen: "Es ist beschämend, dass man heute manche Teile nicht mehr reparieren kann, sondern komplett neue Komponenten einbauen muss. Die sind dann manchmal fast so teuer wie ein neues Rad."

Georg Hempfling - inzwischen 75 Jahre alt - denkt noch nicht ans Aufhören. "Ich habe Stammkundschaft aus dem gesamten Stadtsteinacher Land, aus Kulmbach und Bayreuth", sagt er mit einem Unterton der Verpflichtung. Und: "So lange es körperlich geht, werde ich so weiter hantieren."

Von wegen schnelles Geld

Dass Idealismus und der Servicegedanke für ihn schon lange vor den Verdienstmöglichkeiten rangieren, ist dem Wissen der Eltern und langjähriger eigener Erfahrung geschuldet. "Mit dem Verkauf von Fahrrädern schnelles Geld machen, das klappt nicht. Da gehört mehr dazu", sagt der Stadtsteinacher und erklärt damit auch die Tatsache, dass er auf einen Fuhrpark von neuen Rädern im Geschäft verzichtet. Und statt auf Internetverkauf setzt er auf Fachkataloge und Tipps vom Experten.

Ob es denn zum 90. Firmengeburtstag - wie bei früheren Jubiläen - wieder die legendären Fahrradklingeln mit Hempfling-Emblem gibt? Der 75-Jährige winkt ab. Im Jubiläumsmonat Juli verschenkt Georg Hempfling etwas, was der Fahrradfan nur abseits des Sattels genießen sollte: Schnaps von Früchten der Bäume, die im Gründungsjahr der Firma auf dem Grundstück an der Alten Pressecker Straße gepflanzt wurden - Hochprozentiges, Jahrgang 1925 ...