Experten in Kulmbach rechnen nicht mit Börsen-Crash

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Bulle oder Bär - wer behält die Oberhand? Nach dem katastrophalen Jahresstart fragen sich die Anleger, wie es an der Börse weitergeht. Kulmbacher Experten geben Antworten. Foto: dpa-Bildfunk/Boris Roessler
Bulle oder Bär - wer behält die Oberhand? Nach dem katastrophalen Jahresstart fragen sich die Anleger, wie es an der Börse weitergeht. Kulmbacher Experten geben Antworten. Foto: dpa-Bildfunk/Boris Roessler
Holger Jahn, Leiter Vermögensmanagement und Wertpapier-Center der Sparkasse Kulmbach-Kronach
Holger Jahn, Leiter Vermögensmanagement und Wertpapier-Center der Sparkasse Kulmbach-Kronach
 
Thomas Merkel, stellvertretender Bereichsdirektor Vermögensanlage/Wertpapiere der Kulmbacher Bank
Thomas Merkel, stellvertretender Bereichsdirektor Vermögensanlage/Wertpapiere der Kulmbacher Bank
 
Oswald Salcher, Leiter Marktanalyse und PR beim Kulmbacher online-Broker flatex
Oswald Salcher, Leiter Marktanalyse und PR beim Kulmbacher online-Broker flatex
 

Nach dem katastrophalen Jahresauftakt fragen sich die Anleger, wie es an der Börse weitergeht. Kulmbacher Wertpapier-Experten geben Antworten.

Für Anleger war der Start ins Börsenjahr eher ein Horrortrip: Von seinem Höchststand, den er im April 2015 mit 12 390 Punkten erreicht hatte, sank der deutsche Aktienindex (DAX) im vergangenen Monat auf 8699 Punkte. Seitdem hat er sich wieder etwas erholt, rund 1000 Zähler mehr stehen auf der Kurstafel. Wird das Börsenbarometer nun die magischen 10 000 Punkte wieder knacken? Oder droht, wie manche Analysten vorhersagen, ein Crash?

Die BR hat bei den Wertpapier-Experten der örtlichen Geldinstitute nachgefragt: Holger Jahn, Leiter Vermögensmanagement und Wertpapier-Center der Sparkasse Kulmbach-Kronach, und Thomas Merkel, stellvertretender Bereichsdirektor Vermögensanlage/Wertpapiere der Kulmbacher Bank. Außerdem kommt Oswald Salcher zur Wort, Leiter Marktanalyse und PR beim Kulmbacher online-Broker flatex.

Die Gemengelage ist schwierig: Gebremstes Wirtschaftswachstum in China, Ölpreise im Keller, Flüchtlingskrise, Eurokrise. Auf der anderen Seite gibt es aber auch positive Signale der deutschen Wirtschaft, deren exportorientierten Unternehmen vor allem der schwächelnde Euro hilft. Wo sehen Sie den DAX am Ende des Jahres?
Holger Jahn: Der deutsche Aktienmarkt bleibt im Vergleich zu anderen Märkten fundamental solide unterstützt. Die deutsche Volkswirtschaft kann sich zwar der Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern nicht entziehen und wird leicht an Dynamik einbüßen. Dennoch stufen wir die die konjunkturellen Rahmenbedingungen als solide ein. Wir erwarten trotz des turbulenten Auftakts ein positives Aktienmarktjahr 2016. Anleger sollten sich aber im Jahresverlauf auf anhaltend hohe Schwankungen einstellen und sich insgesamt in Geduld fassen. Gegen Ende des Jahres sehen wir den DAX in einer Range von 10.000 bis 10.500 Punkten.
Thomas Merkel: Das Jahr 2016 wird an den Börsen sicherlich volatil bleiben, gerade auch vor dem Hintergrund der Abstimmung der Briten zu einem möglichen Austritt aus der EU, dem sogenannten Brexit. Nicht nur in Großbritannien, deren Währung (Pfund) bereits die Folgen eines negativen Szenarios spürt, sondern auch weltweit könnte dies großen Einfluss auf das Börsengeschehen nehmen. Wir gehen allerdings davon aus, dass der DAX sich im Laufe des Jahres erholen und am Jahresende bei 10 300 Punkten notieren wird.
Oswald Salcher: Der Start in das neue Börsenjahr war einer der schlechtesten der Geschichte. Mitte Februar stand der DAX bei mehr als 18 Prozent im Minus im Vergleich zum Jahresanfang. Das war mit Sicherheit übertrieben, aber all die oben genannten Argumente haben den Markt verunsichert. Die europäische Zentralbank versucht, durch ihre Geldpolitik der Unsicherheit entgegenzuwirken. Und, ja, der schwächer Euro hilft einer Exportnation wie Deutschland natürlich. Andererseits sieht man gerade hinter den Kulissen einen Wettlauf um die schwächste Währung. Auch die Chinesen und die Amerikaner versuchen, ihre Währung schwach zu halten oder zu schwächen, um dadurch den Export anzukurbeln. Aus derzeitiger Sicht sehen wir den DAX am Jahresende zwar über der 10 000 Punkte Marke, aber deutlich unter den alten Höchstständen vom April 2015.

Einen wichtigen Impuls wird am Donnerstag die Sitzung der Europäischen Zentralbank geben. Deren Präsident Mario Draghi hatte die Anleger im Dezember ziemlich enttäuscht, weil das Anleihen-Kaufprogramm nur für sechs Monate bis März 2017 verlängert, nicht aber die monatlichen Käufe aufgestockt wurden. Die EZB flutet den Markt damit zwar immer noch mit mehr als 1,5 Billionen Euro, die Anleger wünschen aber offenbar, dass die Geldschwemme noch größer ausfällt. Was erwarten Sie von Draghi am Donnerstag?

Holger Jahn: Aufgrund der ungewöhnlich hohen Unsicherheit neigen die Notenbanken wieder etwas stärker dazu, den Märkten Schützenhilfe zu leisten. So dürfte die amerikanische Notenbank Fed in diesem Jahr nur zwei Zinsschritte nach oben machen. Und die Europäische Zentralbank wird im März weitere expansive Maßnahmen beschließen. Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre monatlichen Anleihekäufe erhöht, so dass die Geldmarktsätze in absehbarer Zeit auf niedrigem Niveau bleiben. Die EZB "zementiert" also momentan das Niedrigzinsumfeld.
Thomas Merkel: Wir gehen mindestens von einer Einlagensatzsenkung um zehn Basispunkte aus, sollte es Draghi nicht gelingen, den Rat ganz auf seine Seite zu ziehen. Gelingt es ihm doch, wird wohl ein gestaffelter Einlagensatz eingeführt. Die Chancen hierfür sind angesichts der jüngsten Inflationszahlen und der zu erwartenden Abwärtskorrektur der EZB-Projektionen recht hoch.
Oswald Salcher: Der Markt erwartet von der EZB ein deutliches Signal, aber niemand weiß genau, wie das aussehen soll. Es wird aber befürchtet, dass noch mehr Anleihenkäufe als die 60 Milliarden Euro pro Monat nicht die gewünschte Wirkung zeigen. Sehr wahrscheinlich ist es, dass mehr Anleihen gekauft werden, deren Fokus verändert wird und mehr Anleihen Not leidender Länder gekauft werden (z. B. Griechenland). Und dass das Kaufprogramm um mindestens sechs Monate verlängert wird.
Was raten Sie den Anlegern? Sollte man noch auf der Seitenlinie abwarten, oder haben sich auf dem aktuellen Niveau bereits wieder Kaufkurse ergeben. Wenn ja, für welche Branchen? Vielleicht Bankenwerte? Die sind ja in der Vergangenheit arg gebeutelt worden.
Holger Jahn: Die Weltkonjunktur bewegt sich auf dünnem Eis, und das macht die Märkte nervös. Die Aktienmärkte haben nach dem Fehlstart ins Jahr 2016 noch keine Ruhe gefunden. Als sicherste Prognose darf für 2016 also eine hohe Schwankungsanfälligkeit angenommen werden. Doch nach wie vor wird die Dividendenrendite von Aktien deutlich höher sein, als die Rendite deutscher Staatsanleihen.
Die empfohlene Aufteilung in Anlageklassen sehen wir aktuell wie folgt: Aktien übergewichten, Renten untergewichten, Immobilien hoch gewichten.
Grundsätzlich empfehlen wir unseren Kunden, weniger mit Einmal-Beträgen in den Markt zu investieren, sondern Stück für Stück. Für eine langfristige Vermögensanlage macht der Einstieg lediglich 2 Prozent aus. 3 Prozent sind sonstige Einflussfaktoren. Die Titelauswahl macht 5 Prozent und die Depotstruktur 90 Prozent des Anlageerfolges aus. Wir empfehlen unseren Kunden daher das persönliche Gespräch. In der Anlageberatung erstellen wir aufgrund unserer Hausmeinung und der individuellen Anlagewünsche eine passende Strategie für alle Vermögenswerte.
Thomas Merkel: Wir raten den Anlegern zu einer individuellen Beratung vor Ort, da die im Kundengespräch erörterten Bedürfnisse sowie die individuellen Ziele und Wünsche des Kunden im Vordergrund stehen. Grundsätzlich steht nach wie vor das Prinzip der Risikostreuung beim Anlageerfolg an vorderster Stelle.
Oswald Salcher: Wer nicht investiert ist ist auch nicht dabei. Als online-Broker bieten wir den Kunden ja Produkte für alle Börsensituationen. Man kann also mit z.B. Optionsscheinen, Zertifikaten oder CFDs auch von fallenden Kursen profitieren. Wer ausschließlich Aktien handelt und nur von steigenden Kursen profitieren möchte der sollte unbedingt einen Stop-Loss setzen. Für den Fall, dass sich die Börse doch anders als erwartet entwickelt wird die Position automatisch geschlossen zwar mit Verlust aber mit einem vorher definierten. Verluste aussitzen jedenfalls sollte man nicht denn das kann oft Jahre dauern.

Noch ein Wort zum Euro: Kommt die Parität zum Dollar?
Holger Jahn: Für den Euro erwarten wir mit Blick auf die fundamentalen Faktoren gegenüber dem US-Dollar bis Ende 2017 eine schwache Entwicklung. Die Wachstumsaussichten für die US-Wirtschaft sind günstiger als für das Euroland. Die Leitzinswende ist im vergangenen Dezember erfolgt, während die EZB vor Ende 2018 wohl keine Leitzinserhöhung vornehmen wird. Entsprechend stellt die Geldpolitik für eine längere Zeit ein spürbare Belastung für den Euro dar. Wir sehen den Wechselkurs Euro / US-Dollar in 12 Monaten bei ca. 1,00.
Thomas Merkel: Das Szenario der Parität beider Währungen ist durchaus möglich. Auch eine weitere Stärkung des US-Dollars darüber hinaus ist denkbar, sollte die US-Notenbank die Leitzinsen weiterhin anheben. Wir sehen das Verhältnis des Euros zum US-Dollar auf Sicht von 12 Monaten bei 1,04.
Oswald Salcher: Noch vor ein paar Monaten hätte ich die Frage mit einem klaren "Ja, im ersten Quartal 2016" beantwortet. Wie schon weiter oben gesagt, findet jetzt aber gerade ein Wettlauf um die schwächste Währung statt. Nach derzeitiger Einschätzung sehen wir 2016 weder die Parität noch eine weiter Zinserhöhung in den USA.