Jung, Frau, sympathisch - Emmi Zeulner aus Lichtenfels erobert die Herzen der CSU-Delegierten und wird damit Nachfolgerin von Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Direktkandidatin setzt sich gegen den Kulmbacher Jörg Kunstmann durch, der eigentlich nichts falsch gemacht hat.
Siegesgewiss oder gar überheblich ist er am Donnerstagabend nicht nach Lichtenfels gefahren. Jörg Kunstmann hat sich eine gute Chance ausgerechnet, als Direktkandidat der CSU im Bundeswahlkreis 240 Kulmbach nominiert zu werden. Aber er hat auch geahnt, dass es knapp werden würde, wenn er gegen die junge Lichtenfelserin Emmi Zeulner in die Stichwahl kommt.
Der Saal im Lichtenfelser Stadtschloss reicht gerade aus für die große Zahl der 160 Delegierten. Jörg Kunstmann kommt mit seiner Frau Nicole. Keiner der 53 Kulmbacher Delegierten versäumt es, ihm aufmunternd auf die Schultern zu klopfen.
Zunächst präsentieren die drei Kreisvorsitzenden, MdB Thomas Silberhorn (Bamberg-Land), OB Henry Schramm (Kulmbach) und Landrat Christian Meißner (Lichtenfels) ihre Vorschläge. Dann stellen sich die Kandidaten vor - die Reihenfolge wird ausgelost. Der Bamberger Alexander Hummel (35) macht den Anfang und bleibt blass.
Jörg Kunstmann (39), der die rechte Hand von "KT" im Wahlkreis gewesen ist und als leichter Favorit gehandelt wird, gibt zu, "dass ich ein bisschen aufgeregt bin". Er spricht engagiert - und mit 17:30 Minuten doppelt so lange wie die beiden anderen zusammen. Er streift fast jeden Winkel des Wahlkreises und packt viele Details in seine Rede. Er sagt, der Wahlkreis sei gut aufgestellt. Dennoch gebe es viel zu tun - zum Beispiel bei Bildung und Arbeitsplätzen: "Das ist entscheidend, ob die Menschen dableiben oder zu uns kommen." Und vermutet am Schluss: "Wahrscheinlich war ich viel zu lang ..."
"Brunzkarter" am Stammtisch
Emmi Zeulner (25) stellt weder ihr Alter noch die Tatsache, dass sie eine Frau ist, in den Mittelpunkt. Sie wirkt authentisch und sympathisch, wenn sie erzählt, dass sie im Wirtshaus der Eltern auch schon mal beim Schafkopf am Stammtisch als "Brunzkarter" ausgeholfen hat. Bei vier Geschwistern habe sie gelernt, sich durchzusetzen. Sie wäre als gelernte Krankenschwester in Berlin, wo die Gesundheitspolitik gemacht wird, genau richtig am Platz. "Denn ich finde es nicht gut, wie Krankenhäuser knallhart zu Wirtschaftsunternehmen umfunktioniert werden." Der Patient müsse immer noch im Mittelpunkt stehen.
Die erste Wahlrunde bringt das erwartete Ergebnis: Der Bamberger Kandidat scheidet mit 19 Stimmen aus. Bei 55 Delegierten hat er keinen Rückhalt bei den eigenen Leuten. Kunstmann (71 Stimmen) und die frühere Korbstadtkönigin (68) gehen in die Stichwahl.
"Wirklicher Wahlkrimi"
Wieder wird geheim gewählt, jeder Delegierte namentlich aufgerufen. Von einem "wirklichen Wahlkrimi" spricht Franz-Josef Hempfling. Sein Stadtsteinacher Kollege Klaus Witzgall glaubt, "dass der Jörg die kompetenteste Ansprache gehalten hat". Ob Kunstmann es schaffen wird? Keiner im Kulmbacher Lager wagt eine Prognose.
Es dauert, bis die Wahlkommission das Ergebnis ermittelt hat. Viermal werden die Stimmzettel ausgezählt. Als die Entscheidung verkündet wird, haben die Kulmbacher schon ein Zeichen bekommen, dass es nicht langt. 82 zu 76 Stimmen für Emmi Zeulner - die 25-Jährige ist das neue Gesicht der CSU.
Am Tag danach ist sie immer noch "überwältigt, dass es tatsächlich geklappt hat, wir hatten aus Lichtenfels ja die wenigsten Delegierten." Was den Unterschied ausgemacht hat, könne sie schwer beurteilen.
"Die Emmi kann mehr"
"Sie hat viel Herz, das hat sie gut rübergebracht", sagt Christian Meißner, der Zeulners politisches Talent erkannt hat. "Mir war immer klar, die Emmi kann mehr." Jubel in Lichtenfels - Ernüchterung in Kulmbach.
Kunstmann hat am Freitag das Mittagessen nicht geschmeckt, aber seine Kinder haben ihn aufgemuntert, berichtet er. "Vielleicht war ich zu professionell bei meiner Rede", sucht er nach einer Erklärung, warum ihm drei, vier Stimmen gefehlt haben. Einen wirklichen Fehler hat er nicht gemacht. Was ihn gefreut hat: "Dass meine Kulm bacher gestanden sind wie eine Eins." Das gebe Kraft, weiter zu machen, "das war ja nicht meine letzte politische Perspektive".
"Kunstmann wird sich weiter einsetzen"
"Jörg Kunstmann wird weiter ein sehr engagierter Stadt- und Kreisrat sein und sich für die Menschen einsetzen", ist Henry Schramm überzeugt. Er habe seinen langjährigen Parteifreund "aus voller Überzeugung" vorgeschlagen, "er wäre ein sehr geeigneter Kandidat gewesen". Die Entscheidung ("Eine Stichwahl ist unkalkulierbar") habe auch bei ihm "Spuren hinterlassen", so Schramm. "Ein guter zweiter Platz nützt da nichts."
Für den Zweitplatzierten ist klar, "dass wir Emmi Zeulner nach Kräften unterstützen, dass sie gewinnt." Er bietet an, ihren Wahlkampf zu managen. "Wir werden uns auf einen Kaffee tref fen und darüber reden", sagt die designierte Guttenberg-Nachfolgerin, "ich schätze den Jörg sehr und weiß, dass er immer gute Wahlkämpfe gemacht hat."
Ist die CSU von allen guten Geistern verlassen, eine 25-jährige Krankenschwester und Studentin als Bundestagskandidatin zu präsentieren? Diese Frage trieb mich so lange um, bis ich in Erfahrung gebracht hatte, dass die SPD im gleichen Wahlkreis den 28-jährigen Simon Moritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bamberg, nominiert hat. Da wird KT's Wahlkreis wohl im CSU-Besitz bleiben. Es sei denn, die Kandidatin leistet sich weitere derart schwache Auftritte wíe in dem Video von infranken.de unter der Überschrift "Emmi Zeulner wird Guttenbergs Nachfolgerin". Aber Gemach: Was kann man von einer 25-Jährigen, der unvermutet ein 10000-Euro-Job mit einem Leben unter den Großen der Republik vor die Füße fällt, auch schon erwarten?
Ein bisschen mehr vielleicht schon. Offenbar hat sie in der Nominierungskonferenz als herzige junge Frau gepunktet. Damit mag sie im Parteientrend liegen: Wo ist die adrette Frau, die sich politisch engagieren möchte? Ab nach München, Berlin oder Brüssel. Es winkt eine Blitzkarriere als Staatssekretärin, Ministerin oder Kommissarin. Achtung: Quote!
Frau Zeulner sei die Lektüre des Buches "Die Dilettanten" des Parteienforschers Thomas Wieczorek empfohlen, damit sie nicht in dem Irrglauben nach Berlin pendelt, dort in ihrem Fach Gesundheitswesen etwas zu bewirken. Sie trifft dort auf scheinbar allwissende und alles könnende Juristen und Lehrer (aller Kategorien), Politologen und Soziologen. Und was können die? Hauptsächlich schwafeln, abheben und - buckeln. Die hinteren Bankplätze sind groß an der Zahl und meist noch nicht mal besetzt.
Immerhin ist eine Bundestagskarriere nach oben offen. Es mag Frau Zeulner ermutigen, dass einer der populärsten Bundespolitiker einen Facharbeiterabschluss als Rinderzüchter hat: Gregor Gysi. Aber hüten sollte sie sich vor der Bild-Zeitung: Wenn die sie umgehend zur designierten Gesundheitsministerin hochjubeln möchte, sollte sie dem Reporter den Vogel zeigen oder Herrn Wulff um Rat fragen.