Am Fachwerk des Rotes Turms in Kulmbach zeigt sich eine wenig beachtete Besonderheit.
Im 13. Jahrhundert erhielt
Kulmbach das Recht, eine Stadtmauer zu errichten. An deren höchster Stelle wurde ein Turm, später Roter Turm genannt, errichtet. Ihm stand in einiger Entfernung gegenüber der Heiligschwertturm, in dem heute die VHS beheimatet ist, vermutlich damit man sich durch Zeichen besser verständigen konnte.
Der Rote Turm wurde in den Stadtgraben gebaut, vor die Stadtmauer. Dies hatte den Vorteil, dass es keinen toten Winkel gab. Außerdem konnte ein bis in den Graben vorgedrungener Feind leichter mit Pechnasen und Geschossen bekämpft werden.
Brandwächter im Einsatz
Militärisch war der Rote Turm nach der Erfindung der Kanone fast bedeutungslos, aber mit einer Gesamthöhe von 27 Metern und einer Traufhöhe von 18,40 Metern war er als Beobachtungsposten für den Brandwächter bestens geeignet. Davon später mehr.
Die Außenmauern im unteren Bereich sind 1,60 Meter dick, diese nehmen nach oben zu, in der Stärke aber ab. Der kleine Erker in Richtung Weißer Turm hatte die Funktion eines Plumpsklos.
Der Name Roter Turm geht auf dessen äußere Erscheinung zurück. Drei Eigenschaften tragen zu seiner Farbgebung bei:
Der zu seinem Bau verwendete Buntsandstein besitzt eine rötliche Färbung.
Das verwendete Holz im obersten Stockwerk wurde zum Schutz in alter Zeit mit Ochsenblut gestrichen und zeigt seither ebenfalls eine rötliche Färbung.
Den hohen Turm krönt eine spitze Haube aus roten Ziegeln.
Eine Besonderheit zeigte sich am obersten Stockwerk des Roten Turms. Hier wurde das Fachwerk in zwei verschiedenen Formen verarbeitet. Zur Burg hin ist es - nach der Fachwerkskunst benannt - der sogenannte "wilde Mann". Die anderen Seiten bestehen aus Riegel- und Ständerfachwerk.
Das hängt damit zusammen das der Turm früher ein Halbschalenturm war, also gebaut wie ein "U". Hätte der Feind diesen Turm erobert, hätte er ohne Deckung von der Stadt aus bekämpft werden können.
Wohnung des Stadtpfeifers
Der an der Ostseite der Stadtbefestigung gelegene, auf dem Kapellenberg stehende Turm, diente als Wohnung des Stadtpfeifers und Stadtmusikus. Ab 1631 wird er offiziell als Roter Turm bezeichnet. Seine Lage war als Wächterturm sehr günstig, da man von ihm aus fast die gesamte Kulmbacher Altstadt überblicken konnte.
Der Stadtpfeifer musste zu allererst auf die Feuersgefahr achten. Es war damals zum Beispiel den Bäckern oder Schmieden bei Strafe verboten, ihre Feuer nachts durchbrennen zu lassen. Ein Funke hätte genügt, um die aus Holz gebaute Stadt in Schutt und Asche zu legen.
Eine weitere Aufgabe bestand darin "dreimal täglich vom rothen Turm einen Choral herab zu blasen". Dafür eignete sich das spitzbogige Türlein mit balkonförmigem Pranger auf geschweiften Kragsteinen zur Stadt hin am besten.
Die Ämter des Stadtmusikanten und des Kantors der Stadtpfarrkirche waren Bindeglieder zwischen weltlicher und geistlicher Musik. Im Stadtpfeiferamt vereinigten sich alte Überlieferungen in Form von Turmwärterrechten mit bürgerlicher Musikpraxis.
Bescherliche Aufgabe
Nach Ableben des Stadtmusikus Wilhelm Götz 1868 erarbeitete der Stadtmagistrat neue Instruktionen. Nach Paragraf 4 "hat täglich zwischen 11 und 12 Uhr der Stadtmusikus mit seinen Leuten auf dem Rothem Thurme nach den verschiedenen Stadtteilen hin einen vierstimmigen Choral zu blasen".
Das war natürlich auf die Dauer beschwerlich, und der Stadtmusikus Johann Kotz richtete einen Beschwerdebrief an den Stadtrat mit folgender Begründung: "Der rothe Thurm, auf welchem sich meine Dienstwohnung befindet, ist bekanntlich sehr hoch, und daher das täglich oftmalige Begehen desselben ist beschwerlich und sehr ermüdend. Ich muss deshalb hierüber fortwährend die Klagen meiner Schüler anhören, mir wurde sogar von einigen Vätern derselben bedeutet, dass sie unter diesen Verhältnissen ihre Söhne von weiterem Unterrichtbesuch bei mir abhalten müssten. Es ist auch richtig und wird wohl von jeder Person, die nur einmal diesen Thurm bestiegen hat, bestätigt werden, dass man, oben angekommen, fast zusammenknickt und geraume Zeit braucht, bis man sich wieder etwas erholt hat."
Kotz wollte eine Wohnung im Lokal des Musikvereins, dessen Dirigent er war, im Haus des Metzgermeisters Hereth (Obere Stadt 5) beziehen. Nach den Beschwerden über diesen allzu beschwerlichen Aufstieg um der Musik willen erfolgte um 1880 die Einstellung.
Rätselhafte Pforte zur Burg
Und zum Schluss noch eine ungelöste Frage: Neben dem Roten Turm befindet sich eine kleine Pforte zur Plassenburg. Zu der gibt es zwei unterschiedliche Meinungen: War dies die Stelle, an der sehr viele Kulmbacher am Konraditag 1553 den Tod fanden? Oder befand sie sich an dem ebenfalls als Roter Turm bezeichneten kleinen Turm zur Fischergasse hin?