Der Rote Turm in Kulmbach war bis 1978 bewohnt

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Historische Ansicht des Roten Turms und des Langheimer Amtshofs. Foto: Archiv Stephan Tiroch
Historische Ansicht des Roten Turms und des Langheimer Amtshofs. Foto: Archiv Stephan Tiroch
So sieht das Treppenhaus ... Foto: Ronald Rinklef
So sieht das Treppenhaus ... Foto: Ronald Rinklef
 
...im Roten Turm heute aus. Foto: Ronald Rinklef
...im Roten Turm heute aus. Foto: Ronald Rinklef
 
Das Fachwerkzimmer oben ist früher nicht bewohnt gewesen. Es diente als Wäscheplatz und als Domizil zahlloser Mücken. Foto: Ronald Rinklef
Das Fachwerkzimmer oben ist früher nicht bewohnt gewesen. Es diente als Wäscheplatz und als Domizil zahlloser Mücken. Foto: Ronald Rinklef
 
Harald Scheibe
Harald Scheibe
 
Gerhard ScheibeFotos: privat
Gerhard ScheibeFotos: privat
 
Roter Turm im Winter, gemalt von Christian Schmidt. Foto: Stephan Tiroch
Roter Turm im Winter, gemalt von Christian Schmidt. Foto: Stephan Tiroch
 
Das Fachwerk des Roten Turms ist nicht immer zu sehen gewesen (Bild vermutlich aus den dreißiger Jahren). Foto: Archiv Stephan Tiroch
Das Fachwerk des Roten Turms ist nicht immer zu sehen gewesen (Bild vermutlich aus den dreißiger Jahren). Foto: Archiv Stephan Tiroch
 

Vom Brandwächter, Stadtmusikus, dem letzten Bewohner und vielen Treppen.

Den Roten Turm kennen wir heute als eines der markantesten Gebäude in Kulmbach. Ein Wahrzeichen der Stadt, das zum Postkartenblick mit Plassenburg, Petrikirche und Langheimer Amtshof gehört. Doch bis vor wenigen Jahren ist der Turm noch eine ganz normale städtische Wohnung gewesen, in der auch Kinder geboren worden sind.

Der stellvertretender Archivleiter der Stadtverwaltung, Hermann Müller, datiert den Turmbau ins 13. Jahrhundert. "Die Stadtbefestigung ist um 1230, als Kulmbach Stadtrecht bekommen hat, gebaut worden. Aus dieser Zeit dürfte auch der Vorgängerturm stammen, der beim Stadtbrand am Konraditag 1553, dem 26. November, zerstört worden ist", meint Müller.

Wiederaufbau nach dem Konraditag

Nach dem Wiederaufbau wird das markante Bauwerk 1631 wieder als Stadtpfeiferturm erwähnt und bekommt acht Jahre später erstmals die Bezeichnung als Roter Turm, wie der
frühere Stadtarchivar Richard Lenker rausgefunden und in seinem Kulmbacher Häuserbuch aufgeschrieben hat. Der Stadtpfeifer, so Müller, ist auch für den Feuerschutz zuständig. Wenn er von seiner hohen Warte aus einen Brand entdeckt, muss er die Bevölkerung warnen.

1853 ist die Rede von einer Wohnung im städtischem Eigentum - "mit Wohnzimmern und Hofraum am Kapellenberg" (Adresse: Kapellengässchen 5). Ab 1857 hat es laut Müller die Order gegeben, "dreimal täglich vom Roten Turm einen Choral zu blasen". Besonders der 11-Uhr-Choral sei wichtig gewesen, um den arbeitenden Menschen zu signalisieren, zum Mittag essen nach Hause zu gehen.

"1865 wird der Rote Turm als Dienstwohnung des Stadtmusikus Johann Kutz geführt. Das ist die letzte Aufzeichnung, die wir über die Bewohner haben", berichtet Müller. Später - um 1900 - sei kein Stadtmusikus, der auch Leiter der Stadtkapelle gewesen ist, mehr verzeichnet.

Eltern beschweren sich

Dies dürfte auch mit einer Beschwerde Kulmbacher Eltern an den Magistrat zu tun haben. Der Stadtpfeifer ist damals auch Musiklehrer gewesen, und die Eltern haben sich beklagt, dass der Anstieg für die Kinder sehr beschwerlich sei. Von der Stadt bis nach oben in den Roten Turm ist eine erhebliche Steigung zu bewältigen, es sind allein 155 Treppenstufen - wir haben nachgezählt. Von da an ist der Musikunterricht in die Stadt verlegt worden.

Ein Lied von den Beschwernissen des Lebens im Roten Turm kann auch Amanda Scheibe (92) singen, die 1954 dort eingezogen ist. "Die Aussicht war hervorragend", sagt sie, ohne die Anstrengungen aufgrund der vielen Treppen zu vergessen. Jedes Stück Holz, Kohle und alles zum Leben Notwendige muss nach oben getragen werden.

Die Familie hat im Turm eine günstige städtische Wohnung bekommen, wo auch die Söhne Gerhard (1956) und Harald Scheibe (1958) geboren sind. Das Fachwerkgeschoss oben wird allerdings nicht bewohnt, es dient lediglich als Dachboden und Wäscheplatz. In den beiden Etagen darunter befinden sich eine Wohnküche, das Elternschlafzimmer, ein Bad und zwei kleine Kinderzimmer.

Harald Scheibe erinnert sich an besondere Tiererlebnisse, als die Dohlen von der Plassenburg am Roten Turm Rast gemacht haben. Die Miete habe in den sechziger Jahren 65 Mark betragen. Er spricht von einer außergewöhnlichen Atmosphäre im Turm, von der Kinder stark beeindruckt gewesen sind.

Wohnturm bis 1978

Letzter Turmbewohner ist Gerhard Scheibe gewesen: "Ich habe 22 Jahre dort gelebt und am 30.Juni 1978 den Schlüssel an die Stadt zurückgegeben. Es freut mich, dass der Turm jetzt renoviert wird." Die vielen Stufen haben ihn und seine Brüder nicht gestört: "Wir waren fit, die Scheibes sind alle Sportler - das kommt vom Treppensteigen." Freilich, so schränkt er ein, "der Turm, wie wir ihn erlebt haben, existiert heute nicht mehr." Die Zimmereinteilung und das Treppenhaus - früher eine raumfüllende Wendeltreppe mit Holzpfosten in der Mitte - seien verändert worden.