Er hat einen der höchsten Titel im Land: Punkkönig Brandy I. Mit seiner Band Euroschäck sorgte Jürgen Schäck vor allem in den 80er und 90er Jahren für rebellische Klänge in der oberfränkischen Stille. Inzwischen ist der Peestener 52 Jahre alt und etwas ruhiger geworden.
Bist du noch ein Punk?Jürgen "Brandy" Schäck: Punk? Was heißt Punk? Das ist ein Begriff. Ich war's damals. Heute kann ich nicht mehr sagen, dass ich es bin. Ich bin jetzt 52 Jahre und stehe noch auf die Musik. Die Toten Hosen sind auch kein Punk mehr.
Was macht einen Punk aus?Früher war es halt, gegen alles zu sein - keine Zukunft. Das ist aber nicht mehr so. Die Musik, die wir machen, ist aber noch Punk. Deutsche Texte, schnell, wenige Riffs.
Liegt das daran, dass du älter geworden bist oder dass sich deine Einstellung geändert hat?Die Zeit hat sich geändert.
Das heißt, die Zeit des Punk ist vorbei?Vorbei würde ich nicht sagen. Es gibt immer noch eine Szene, aber die ist nicht mehr so ausgeprägt.
Hast du mit deinen alten Bandkollegen und der Kulmbacher Szene noch Kontakt?Mit der alten Szene habe ich noch Kontakt, da mache ich noch Sachen. Wir spielen selbst wieder seit zwei Jahren in der Besetzung, in der wir am meisten Erfolg hatten. Das heißt mit Ed Bergmann an der Gitarre, Stefan Eggmaier am Bass, Markus Köstner am Schlagzeug. Und ich singe. Wir geben im Jahr drei, vier Konzerte, was uns Spaß macht.
Hattest du den Traum, mit der Musik Geld zu verdienen?Als wir angefangen haben, wollten wir schon bekannt werden und vielleicht davon leben können. Wenn wir es geschafft hätten, wäre das überragend gewesen.
Wie siehst du die Kulmbacher Musikszene heute?Die war schon immer gut und ist bestimmt auch noch gut. Aber da kenne ich zu wenig. Es gibt viele Metal-Bands, Punk-Bands gibt es nicht mehr viele.
Aber das Problem sind die Auftrittsmöglichkeiten: Da ist fast nichts. Die Leute gehen auch nicht ins JUZ. Da waren die Konzerte früher voll. Jetzt sind es 100 bis 150 Leute. Außer es machen welche Festivals.
Da mischst du ja auch mit.Ich organisiere schon seit 20 Jahren Festivals, und die laufen gut: das Peesten Open Air, das es seit drei Jahren wieder gibt. Ich kümmere mich um die Bandauswahl. Dann mach ich Seubersdorf seit 17 Jahren und seit zehn Jahren bin ich beim Rock-im-Wald-Team in Neuensee dabei. Vier bis sechs Festivals gibt es im Jahr im Nepomuk in Altenkunstadt. Das macht Spaß und hält jung. Im November ist geplant, dass wir wieder im Nepomuk spielen. Für nächstes Jahr ist eine Anfrage für die Sternfahrt da. Und auf jeden Fall werden wir ein Open Air spielen, entweder Peesten oder Rock im Wald. Höchstwahrscheinlich Peesten.
Weil es schön ist, in der Heimat zu spielen, da kennt dich jeder.
Hat Live-Musik noch die Zugkraft?Es gibt schon noch junge Leute, die sich Bands live anschauen. Sonst wären nicht die großen Festivals mit 70 000 Leuten ausverkauft.
Geht es da nicht mehr um das Event?Das stimmt schon. Wer stellt sich von früh bis nachts hin und schaut sich jede Band an. Klar, dass da auch auf dem Zeltplatz was abgeht. Das war bei uns früher ja auch so.
Trauerst du den alten Zeiten nach?Eigentlich nicht. Jede Zeit hat ihre Vor- und Nachteile. Früher waren die Konzerte halt wesentlich besser besucht. Aber bei Rock im Wald hatten wir 900 Leute am Freitag und am Samstag 1200 Leute.
Es ist also schon Interesse da.
Bei Rock im Wald haben ja auch einmal Volbeat gespielt.Da haben sie noch die wenigsten gekannt. Die sind damals vor 400 Leuten aufgetreten, jetzt spielen sie vor 70 000.
Da freut man sich doch über so einen Riecher?Logisch, wir versuchen immer was zu holen, was gut ist. Das ist nicht immer ganz einfach. Die Band muss unterwegs sein, und du musst sie auch bekommen.
Hattest du Kontakt mit Volbeat?Nein. Wir sind ja sieben Leute, die das veranstalten. Da hat jeder seinen Bereich. Ich war zwar Backstage, aber mehr als ,Hallo' habe ich nicht gesagt.
Ärgert man sich nicht, dass man da kein gemeinsames Foto gemacht hat?Eigentlich nicht. Ich habe so viele Gruppen kennengelernt, bin immer noch mit Bands befreundet wie dem Stone Wall Noise Orchester.
Die versucht man immer wieder zu holen. Es waren auch große Bands in Peesten wie Jingo de Lunch, Dead Moon und Schweißer.
Gab es auch Bands, die dich menschlich enttäuscht haben?Da gab's genug. Die Backyard Babies aus Schweden hatten die Stars raushängen lassen und unheimliche Forderungen. Die sind in der Szene bekannt und ziehen Leute. Ich hab zwar alle CDs von denen und fand ihren Auftritt gut. Aber menschlich waren es halt Arschlöcher.
Hast du noch Lampenfieber?Das kannst du nicht ablegen. Wenn man das nicht mehr hat, ist man nicht mehr so gut. Selbst Mick Jagger sagt, er hat noch Lampenfieber. Wenn alles zur Routine wird, wird man schlechter.
Ein Kribbeln muss auf jeden Fall dabei sein.
Gehen wir mal weg von der Musik zu deinem zweiten großen Hobby, dem Fußball.Ich war zwölf Jahre Spielleiter beim SSV Peesten, jetzt bin ich Mannschaftsbetreuer. Und natürlich bin ich in jedem Verein in Peesten - ganz klar. Ich bin seit 30 Jahren im Gesangverein, sing' da immer kräftig mit. Das ist was ganz anderes, was aber trotzdem Spaß macht, weil die Leute passen. Bei der Feuerwehr bin ich zweiter Vorsitzender, bei der Lindenkirchweih bin ich als Helfer eingebunden. Meine Heimat ist mir sehr wichtig. Dafür wird auch mal der Urlaub geopfert.
Da überraschst du mich. Der Punk passt doch nicht zum Gesangverein.Für die Stimme ist es gut, und man lernt viel. Wir singen auch neues Liedgut, haben einen gemischten Chor, singen zum Beispiel Stücke von Grönemeyer.
So was soll erhalten bleiben, das ist wichtig für ein Dorf, dass es ein intaktes Dorfleben gibt, dass es weiter geht. Auch wenn es außer beim Fußball überall mit dem Nachwuchs schwer ist.
Woher kommt deine Heimatverbundenheit?Ich bin in Peesten geboren. Einmal Peesten, immer Peesten. Es ist ein schönes Dorf, der Zusammenhalt ist gut. Das würde ich nicht missen wollen.
Für dich ist es nie in Frage gekommen wegzuziehen?Überhaupt nicht. Ich war jobmäßig viel auf Montage, war lange in Frankfurt und Bad Königshofen. Ich bin immer gern am Wochenende heimgekommen. Die Heimat ist mir wichtig.
Was machst du beruflich?Ich bin Lagerist bei Stahlbau Galler. Mittlerweile schon 22 Jahre.
Und hoffe, dass ich bis zu meiner Rente bleiben kann.
Gibt es für dich einen Fußball-Verein neben dem SSV Peesten?Ich bin 1860 München-Fan. Sogar Mitglied. Es gab Zeiten, da sind wir jedes Wochenende zum Fußball gefahren, wenn nicht Musik war.
Warum nicht der Club?Clubberer war ich noch nie. Ich hoffe, dass sie wieder aufsteigen. Das hoffe ich für 60 aber schon 1000 Jahre. Ich war noch nie einer, der auf Bayern gestanden hat. Das ist ein Geldverein. Wer Geld hat, hat die Macht und schafft an. Wäre schön, wenn die 60er aufsteigen und es wieder ein Derby gibt.
Du bist unverheiratet.Ich bin noch zu haben. Mit mir ist es schwierig, weil ich ein Typ bin, der schwer zurücksteckt. Musik ist für mich wichtig. Ich würde weiter Konzerte geben und zu Konzerten gehen - weil das mein Leben ist.
Wenn du eine findest, die da mitzieht, ist das gut. Dazu die Vereine. Das geht Montag los mit Singstunde, Dienstag ist Training, Mittwoch ist der einzige Tag, an dem nichts ist, Donnerstag ist Spielersitzung, Freitag geht es dann los mit einem Konzert oder in Peesten ist was. Sonntag bin ich ab 11 Uhr unterwegs wegen Fußball.
Tut man sich als Musiker nicht leichter mit Frauen?Glaube ich nicht. Man kriegt zwar Angebote, die man in der Sturm- und Drangzeit mitgenommen hat. Aber jetzt sollte es schon was Festes sein. Sie sollte nur nicht unbedingt Bayern-Fan sein.