Susi Schilling verlässt alsLeiterin das Tierheim. Was bleibt nach 25 Jahren im Tierschutz, in der Freud und Leid wechselten wie auf der Achterbahn?
Für die einen war es absehbar, für die anderen eine Überraschung - und für nicht wenige ein Schock, als Susi Schilling ihre Kündigung als Tierheimleiterin einreichte. Ab November geht es für die 51-jährige gelernte Steuerfachgehilfin nach 23 Jahren Tierschutz zurück in ein Büro in Bayreuth. Was bleibt nach der langen Zeit? Frau Schilling, die wenigsten mögen glauben, dass es eine engagierte Macherin im Tierschutz wie Sie ernstlich in ein Büro zieht, wo Sie in der Verwaltung tätig sind. Susi Schilling: Büroarbeit ist mir nicht fremd, auch wenn es schon geraume Zeit zurückliegt, als ich bei einem Sanitärbetrieb beschäftigt war. Als Tierheimleiterin besteht der Tagesablauf zum Großteil auch aus Verwaltungstätigkeiten. Die eigentliche Arbeit mit den Tieren muss da zwangsläufig oft in den Hintergrund treten. Wie waren die Reaktionen? Ich glaube, es hat wohl jeder verstanden und die meisten - den Eindruck habe ich jedenfalls - bedauern es. Mein Haltbarkeitsdatum war abgelaufen. Tierschutz ist ein hartes Brot. Man hat es auch nicht immer mit den einfachsten Menschen zu tun, das muss man ehrlicherweise sagen. Dazu kommt: 60-Stunden-Wochen sind keine Seltenheit, eigentlich immer in Bereitschaft sein, auch am Wochenende. Ich habe zum Selbstschutz die Reißleine gezogen. Sie verlassen das Tierheim mit einem weinenden und einem lachenden Auge? Auf jeden Fall. Die Tiere werde ich sehr vermissen, manches Drumherum dagegen weniger. Ich werde auch die Kolleginnen und Ehrenamtlichen vermissen. Ich bin nicht aus der Welt, werde aber zunächst einmal ein bisschen auf Distanz gehen. Wie hat das bei Ihnen angefangen mit dem Tierschutz? Ich kam vor ziemlich genau 25 Jahren erstmals ins Tierheim, weil ich ehrenamtlich was machen wollte. So habe ich als Katzenstreichlerin begonnen. Daraus wurde schnell mehr und ich habe mitgeholfen, die Hauptamtlichen zu unterstützen. Einen solchen Stamm an Ehrenamtlichen wie heute gab es damals bei weitem nicht. Was war der erste große Einsatz? Das ging relativ schnell los mit dem, was ich als unser "Horrorhaus" bezeichne. Diese eine Familie im nördlichen Teil des Landkreises hat uns zehn Jahre auf Trab gehalten, allein von diesem Anwesen haben wir über 100 Tiere rausgeholt. Da herrschten schlimme Zustände, immer wieder wurden seitens der Behörde, wenn auch teils nach langem Zögern, Tierhalteverbote verhängt. Die Leute dort haben sich nicht dran gehalten. Das ist die Krux: Solche Verbote muss man kontrollieren, sonst bringt das nichts. Der Horror hatte sich erst erledigt, als die Hausbesitzerin starb. Und selbst da mussten wir noch zehn Katzen und vier Hunde aus dem Dreck befreien. Im Tierschutz ist man auf die Vorarbeit von Behörden angewiesen, vor allem das Veterinäramt muss juristisch den Weg ebnen. Sie selber dürften nicht einmal ein Grundstück betreten, richtig? Wie verzweifelt ist man da als jemand, der um Missstände weiß, aber nicht eingreifen kann und darf? Das ist ein Dilemma - und das muss man der Öffentlichkeit auch immer mal wieder mitteilen, weil sonst leicht ein falsches Bild entsteht: Wir vom Tierschutz dürfen alleine gar nichts! Wir können keine Auflagen erteilen und schon gar keine Tiere wegnehmen, selbst wenn wir von Verstößen Kenntnis haben. Wir können das nur ans Amt weitergeben und hoffen, dass es die Behörde auch so sieht wie wir. Ureigenste Aufgabe des Tierschutzvereins ist die Versorgung von Abgabe- und Fundtieren. Für Letztere haben die Stadt Kulmbach sowie die Landkreiskommunen im Rahmen ihrer Pflichtaufgabe finanziell aufzukommen. Klingt, als ist Tierschutz ein bloßer Papiertiger. Zweifelt man da nicht am System? Ja, wobei ein Amtsveterinär natürlich seine Vorgaben hat. Der Eingriff ins Privatrecht ist nicht so einfach möglich. Man würde sich aber manchmal mehr Engagement seitens der Behörden wünschen - zum Wohle der Tiere, die sich ja nicht selber helfen können. Oft wird an die Halter appelliert, Hund oder Katze doch freiwillig abzugeben. Damit, und das muss man wissen, bleiben die Behörden nicht auf den Kosten sitzen. Bei einer Beschlagnahmung hingegen hat das Amt so lange für die Unterbringung zu zahlen, bis sich für das Tier eine anderen Regelung gefunden hat. Werden hingegen Tiere freiwillig rausgerückt und sie kommen zu uns, zahlt der Verein. Der wiederum muss das aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen stemmen. Wenn man Tiere mag - was macht das in all den Jahren mit einem selber als Mensch? Das macht dich ein Stück weit zum Menschenfeind. Müsste die Politik an die Gesetzeslage ran und sie neu regeln? Ein Tier ist nicht länger als Sache zu werten und eine Misshandlung mehr als eine Ordnungswidrigkeit? Das ist längst überfällig, aber ein solcher Anstoß müsste von oben kommen. Doch solange es Unions-geführte Regierungen gibt, wird sich daran aus meiner Sicht nichts ändern. Jeder, der schwarz wählt, entscheidet sich gegen den Tierschutz, nicht nur in Bayern. Alle anderen Parteien sind da bereits viel weiter. Werden die Menschen durch Organisationen wie "Peta" sensibilisiert für das Thema? Ich habe nicht das Gefühl, dass sich Wesentliches ändert. Das wahre Elend etwa in Tierfabriken wird durch Undercover-Aktionen wie denen der "Soko Tierschutz" eher in die Öffentlichkeit getragen - und diese Leute stehen für ihre wichtige Aufklärungsarbeit noch mit einem Bein im Knast! Aber anders geht es nicht.
Seien wir ehrlich: Wie viele kippen ihre Bedenken über Bord, wenn es um das billige Stück Fleisch an der Theke geht? Da wird das Kulmbacher Weideschwein, das wenigstens bestmöglich artgerecht gehalten wird, eben nicht gekauft, sondern doch wieder der Schinken aus der Massenhaltung. Fakt ist in beiden Fällen: Totgestreichelt wird keines dieser Tiere. Schlachten gehört dazu - verbunden mit Todesangst in den letzten Minuten. Von Bertolt Brecht stammt der Satz: "Wenn Schlachthöfe Wände aus Glas hätten, wären alle Menschen Vegetarier." Da hat er Recht. Und ich ergänze: Wenn jeder ein Tier vor dem Verzehr selbst töten müsste. Wir haben das Töten eines Lebewesens industrialisiert, aus dem sichtbaren Bereich verbannt. Das Stück Fleisch im Laden hat optisch nichts mit dem Ursprung zu tun. Aber Kalbfleisch etwa stammt nun mal von einem Tierkind, das dafür erst brutal nach der Geburt von der Mutter getrennt und dann umgebracht wurde. Sie sind Veganerin. Ja, schon seit vielen Jahren. Denn auch bei Milch und Eiern steckt so oft unsagbares Tierleid dahinter. Das geht weiter mit Pelzkragen vom Marderhund bis hin zu Daunen, für die Gänse blutig gezupft werden. Man muss die Augen aufmachen - dann kann man das mit seinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Vegan leben ist der letzte konsequente Schritt dahin. Ich habe gemerkt: Mir fehlt nichts, es gibt so tolle Alternativen zu tierischen Produkten. Veganern wird ja vorgeworfen, wegen unseres Sojaverbrauchs würde Regenwald abgeholzt. Dabei wird das, was Veganer in Europa essen, auch hier angebaut. Wahr hingegen ist: Minimum 75 Prozent gehen als reines Tierfutter in die Mast. Ginge für Sie ein Leben ohne Tierschutz? Sicher nicht. Vielleicht gehe ich in den Untergrund (lacht). Ich bleibe aktiv, das Betätigungsfeld ist so groß, gerade bei den Nutztieren, die ich "Benutz-Tiere" nenne. Da ist das Elend allgegenwärtig. Ich habe Verständnis dafür, wenn sich Menschen vor diesem Hintergrund radikalisieren. Ich ziehe den Hut vor Projekten wie "Soko Tierschutz", die Tierleid ansehen müssen, um es zu dokumentieren, ohne eingreifen zu dürfen. Ich hielte das nicht aus. Aber nur so geht's, will man dem Verbraucher die Augen öffnen. Kommen wir zum Positiven Ihrer Arbeit. Was bleibt da hängen? Es gibt viele Tiere, die jetzt ein besseres Leben haben, die wir aufpäppeln und super vermitteln konnten. Das ist ein großes Glück. Dass Menschen sich für Tiere aus dem Tierschutz entscheiden, ist beileibe nicht selbstverständlich, weil diese Tiere nicht selten traumatische Erlebnisse hinter sich haben und oft einen längeren Anlauf brauchen. Schön ist auch, wenn sich junge Leute bewusst für ein altes Tier entscheiden und ihm noch ein paar schöne letzte Lebensmonate oder -jahre bieten wollen. Sie und die vielen Unterstützer machen die Ignoranten, die ich gerne sonst wohin schießen würde, wieder wett. Was wünschen Sie Ihrer Nachfolgerin Carina Wittmann? Starke Nerven, Kraft und die Unterstützung aller Beteiligter.