Bereitschaftspraxis: Wächst der politische Druck?

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Eine Bereitschaftspraxis, angedockt ans Kulmbacher Klinikum? Wäre eine Möglichkeit, sagen Befürworter einer zentralen Lösung. Gegner sehen zusätzliche Kosten auf niedergelassene Ärzte zukommen. Foto: BR-Archiv
Eine Bereitschaftspraxis, angedockt ans Kulmbacher Klinikum? Wäre eine Möglichkeit, sagen Befürworter einer zentralen Lösung. Gegner sehen zusätzliche Kosten auf niedergelassene Ärzte zukommen. Foto: BR-Archiv

Eine zentrale Bereitschaftspraxis für die Patientenversorgung außerhalb der Sprechzeiten bleibt ein heißes Eisen.

Krankheiten halten sich nicht an Praxiszeiten - insofern bedarf es eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes, der im Dienste der Bürger werktags die Abende und Nächte sowie die Wochenenden und Feiertage abdeckt. Aber wie diese ärztliche Rundumversorgung organisieren? Die Frage spaltet offenbar die Medizinerzunft. Während ein Teil der niedergelassenen Ärzte sich für eine zentrale Anlaufstelle ausspricht, eine sogenannte Bereitschaftspraxis (etwa am Klinikum angedockt), sieht das der andere Teil als wenig zielführend für den Patienten - und befürchtet zudem eigene finanzielle Belastungen.
Jüngst hatte die BR die Vorsitzende des ärztlichen Kreisverbands Kulmbach, Maria-Luise Rasch, zum Thema interviewt. Die Allgemeinärztin aus Neuenmarkt ist seit langem Verfechterin einer zentralen Bereitschaftspraxis. Auf eines ihrer Argumente gegen die bisherige Regelung reagiert nun der Kulmbacher Orthopäde Ralph Amman.
Er schreibt: "Mit großer Besorgnis dürften viele Bürger des Landkreises den Artikel unserer Kreisverbandsvorsitzenden Maria-Luise Rasch aufgenommen haben. Sie beschreibt, dass sie nicht im Notdienst zu einem Hausbesuch fahren könne, nachdem sie in ihrer Praxis einem anderen Patienten eine Infusion gelegt hat. Dieser Patient könnte Komplikationen erleiden und kein Arzt wäre da. Diese Situation gibt es nicht! Wie bereits in der BR berichtet, steht im Sechs-Stunden-Rhythmus, sieben Tage in der Woche, Tag und Nacht, inklusive feiertags, immer ein Kollege für den Praxisdienst und einer parallel für den kompletten Fahrdienst zur Verfügung. Möglicherweise ist Frau Rasch das nicht bewusst gewesen, da sie gar keine Dienste mehr macht. Sie bedauert diese Falschinformation selbst sicherlich sehr."


Aufteilung in Sitz- und Fahrdienst

Das tut Maria-Luise Rasch, wie sie der BR mitteilt. " Leider war der Infusionssachverhalt tatsächlich missverständlich. Natürlich ist es im jetzigen Bereitschaftsdienst-System ohne Einschränkungen möglich, Patienten mit Infusionsbedarf am Wochenende in der Bereitschaftspraxis zu versorgen, ohne dass der Arzt weggerufen wird. Dafür ist eine Aufteilung in einen sogenannten Sitz- und Fahrdienst erfolgt. Dies zur Berichtigung meinerseits."
Dennoch gibt sie zu bedenken: Die Diskussion zur Bereitschaftspraxis sollte sachlich geführt werden "mit den Verantwortlichen der Ärzteschaft, der Politik und unserem Klinikum mit dem Ziel, für die beteiligten Ärzte und den Patienten den bestmöglichen Nutzen zu erzielen." Die Vorteile einer zentralen Bereitschaftspraxis sollten klar mit den Ärzten verhandelt werden, ohne dass diese zusätzlich persönliche finanzielle Belastungen tragen, sagt Rasch. "Die bisherige sehr gute ärztliche Versorgung unserer Bevölkerung gilt es zu erhalten und zukunftsträchtig zu gestalten. Dazu sollten einvernehmliche Lösungen mit allen Beteiligten geschaffen werden." Aber: Der Gesetzgeber fordere nun mal flächendeckende, zentral liegende Bereitschaftspraxen, die jeder Patient in maximal 30 Fahrminuten erreichen könne.
Die Patienten? Gerade für sie sieht Ralph Aman keine Vorteile: "Sie fahren weiterhin überwiegend nach Kulmbach - statt in eine Praxis jetzt eben ins Krankenhaus. Statt in einen verstärkten Fahrdienst, der ihnen direkt zugute käme - aktuell sind drei Stunden Wartezeit zumutbar -, fließen ihre Beiträge an Betreibergehälter und die Vermieter der Räume." Die Folge, so prophezeit er: steigende Beiträge, gekürzte Leistungen "und das Rentenalter wird hochgesetzt, um über Steuern quer zu finanzieren."
Zu den Gewinnern einer zentralen Lösung zählten andere. "Für eine dreizehnköpfige ärztliche Betreibergruppe waren in der Vereinssatzung 2014 sogar multiple Posten mit ,angemessenen Vergütungen' vorgesehen. Diese sollten von allen Dienstärzten aufgebracht werden. Ob man im Betreiberverein Mitglied werden durfte, bestimmte aber allein der Vorstand. Ablehnung ohne Nennung von Gründen möglich."


"Preisgünstige Köderjahre"

Und noch einer profitiere: die Klinik, und zwar vom erhöhten Zulauf. "Räume, Betriebs-, Neben- und Personalkosten werden nach preisgünstigen Köderjahren von den Dienstärzten bezahlt werden müssen, siehe Scheßlitz oder Hof. Einem Diavortrag der Kassenärztlichen Vereinigung vom Januar 2014 entsprechend gehört zur Win-Situation für Kliniken auch ,die bessere Geräteauslastung nach Feierabend und an Wochenenden'. Verständlich, dass Kollegen, die im Klinik-Zweckverband Posten inne haben, auch die Klinikpraxis als Betreiber realisieren wollen."
Eine Klinikpraxis aber würde, so Aman, für die beteiligten Ärzte bedeuten: "Sie sitzen im Schichtbetrieb abends, nachts und an den Wochenenden am Klinikum ihren Dienst ab und müssen dafür mindestens acht Euro pro Notfall bezahlen, wie es das Vertragsmodell 2014 vorsieht - Tendenz steigend je nach Unterhaltskosten, siehe wieder Scheßlitz oder Hof. Wenig attraktiv für junge Familien."
Aus all diesen Gründen habe sich der Großteil der Ärzte des Landkreises vor zwei Jahren gegen eine Klinikpraxis entschieden. Der Druck, solche Einrichtungen auf den Weg zu bringen, werde allerdings immer stärker, sagt Aman. Wer als Arzt deswegen dagegen sei, müsse Ärger befürchten, "weswegen viele meiner Kollegen lieber anonym bleiben wollen". Im übrigen bedauere er, dass ein Patient aus Stadtsteinach zu einer Infusion nach Bayreuth verwiesen wurde (die BR berichtete). "Die Schuld hierfür trägt der Kollege, der ihn dahin geschickt hat, wohl in Unkenntnis unseres gut funktionierenden Bereitschaftssystems."
Übrigens: Neben den erwähnten Städten Hof und Scheßlitz gibt es in Oberfranken noch Bereitschaftspraxen für die ambulante medizinische Versorgung außerhalb der Sprechstunden in Bamberg, Bayreuth, Burgebrach, Coburg und Forchheim.

Statistik Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) besteht die Bereitschaftsdienstgruppe Kulmbach aus 69 dienstverpflichteten Ärzten. An einem Wochenende finden demnach durchschnittlich etwa 32 Arzt-/Patientenkontakte im Rahmen des Bereitschaftsdienstes statt, diese bestehen aus Hausbesuchen, Behandlungen in den Praxen und telefonischen Beratungen. Die Vergütung setzt sich aus verschiedenen Positionen zusammen. Neben Abrechnungsziffern für die durchgeführten Leistungen nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab werden auch Wegepauschalen bei Hausbesuchen vergütet.

Standesvertretung Die Kassenärztliche Bundesvereinigung vertritt als Dachorganisation der Kassenärztlichen Vereinigungen die Interessen aller rund 165 000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, die gesetzlich Krankenversicherte behandeln. Gemeinsam organisieren sie die flächendeckende, qualitätsgesicherte Versorgung rund um die Uhr. Dazu gehört auch die Organisation eines Bereitschaftsdienstes.