Nach dem Ortstermin mit inFranken.de droht das Landratsamt Kulmbach einem Anwohner ein Bußgeld an. Was, bitte, versteht die Behörde unter Pressefreiheit?
Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Ordnungswidrigkeit, Geldbuße bis 3000 Euro: Wenn so ein Schreiben des Landratsamts im Briefkasten liegt, dann ist Schluss mit lustig. So sieht es auch, Peter Manuel Schieber. Den Forstlahmer befragte die BR vergangene Woche zusammen mit zirka 30 Gleichgesinnten, die gegen das neue Baugebiet am Rande des Rotmaintals protestieren (
"Schon wieder Ärger mit Baugebiet in Kulmbach").
Ein Einschüchterungsversuch?
Jetzt ist die Empörung groß. Die Forstlahmer fragen sich: Sollen wir mundtot gemacht oder eingeschüchtert werden? Wo bleibt die Meinungsfreiheit? Und die BR-Redaktion wundert sich: Was, bitte, versteht die Behörde unter Pressefreiheit? Oder war hier nur ein übereifriger Sachbearbeiter am Werk?
Tatsache ist, dass in Bayern laut Gesetz ein Veranstalter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel zwei Tage vorher bei der zuständigen Behörde anmelden muss. Damit gemeint sind Kundgebungen oder Demonstrationen - beispielsweise die Maifeiern des DGB oder Parteiveranstaltungen.
War ein Pressetermin
Tatsache ist aber auch, dass das Treffen am 21. April ein Pressetermin war. Dabei entscheiden Journalisten selbst, ob sie mit drei oder dreißig Personen sprechen. Der im Artikel zitierte Peter Manuel Schieber war einer von mehreren Gesprächspartnern, aber kein Veranstalter im Sinne des Gesetzes.
Solche Ortstermine finden laufend statt. So auch im Juli 2016, als sich
Vertreter der Stadt mit Bürgern aus Höferänger trafen, um über ein geplantes Baugebiet zu diskutieren. Oder im Januar 2017, als sich die
SPD-Fraktion die Sorgen von Anwohnern in Weiher wegen eines Neubauprojekts in der Friedrich-Schönauer-Straße anhörte. Hier wurde das Landratsamt nicht tätig. Warum also jetzt?
"Initiative des Mitarbeiters"
Der Jurist des Landratsamts, Lars Peetz, stellt fest, dass die Berichterstattung - besonders das Bild mit dem Plakat - schon den Eindruck erwecke, "dass sich Leute getroffen haben, um öffentlich eine Meinung kundzutun, und einer die Versammlung geleitet hat". Dass hier irgendetwas gesteuert worden sei, weist er zurück. Die Behörde sei "auf eigene Initiative des Mitarbeiters" tätig geworden.
Der Sprecher des Landratsamts räumt aber ein, dass die Argumente zur Pressefreiheit nicht von der Hand zu weisen seien. "Mir ist klar, dass der Versammlungsbegriff schwierig ist", so Peetz. "Aufgrund der dünnen Informationsgrundlage" sei auch noch kein Bußgeld verhängt, sondern der Betreffende aufgefordert worden, sich zu äußern.
Warum hat die Behörde vor Einleitung eines förmlichen Verfahrens nicht versucht, weitere Einzelheiten zu erfahren? "Andere Möglichkeiten, den Sachverhalt zu ermitteln, haben wir offenbar nicht gesehen", sagt der Abteilungsleiter zurückhaltend. Eine Prognose, wie's ausgeht, gibt er nicht ab: "Ich kann der rechtlichen Würdigung nicht vorgreifen. Wir können nicht einfach ein Auge zudrücken, wir sind an gesetzliche Grundlagen gebunden."
"Hält nicht vor Gericht"
Dafür ist sich ein Experte aus einer großen bayerischen Stadt sicher: "Zu 99 Prozent hält das vor Gericht nicht." Personen im öffentlichen Raum zu befragen, sei Teil der Pressefreiheit. Es handle sich hier nicht um eine anzeigepflichtige Versammlung mit öffentlicher Meinungskundgabe. Und jemand als Veranstalter rauszupicken, der etwas gesagt hat, sei "absolut willkürlich".
KOMMENTAR:
Die falsche Zeitung gelesen?
Die Zeiten sind vorbei, dass Bürger Planungen und Entscheidungen von Behörden kritiklos oder gar demütig hinnehmen. Gut so, dass das Recht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen wird. Vor allem, wenn Bürger - wie in
Forstlahm geschehen - öffentlich Gesicht zeigen.
Was soll man aber dazu sagen, dass das Landratsamt hier gleich den Knüppel aus dem Sack holt und mit Gesetz und Bußgeld droht? Schludrig war es in jedem Fall. Denn der Sachbearbeiter beruft sich im ersten Satz seines Schreibens an den vermeintlichen Rädelsführer, der seine Demo nicht angemeldet hat, auf einen Bericht in der - Zitat - "Frankenpost". Nichts gegen die Kollegen, aber die Konkurrenz war diesmal definitiv nicht vor Ort.
Ein Anruf bei der richtigen Zeitung hätte genügt, um die Umstände des Pressetermins zu erläutern. Das Amt hätte - wie es in Höferänger und Weiher auch nicht geschehen ist - nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen müssen. Der Abteilungsleiter, dem der Vorgang vorher nicht bekannt war, hat sich im Nachhinein tapfer geschlagen und expressis verbis nichts versprochen. Aber dieser Bußgeldbescheid wird mit Sicherheit nie verschickt.
BEBAUUNGSPLAN:
Bürger können Einwände geltend machen
Der Entwurf für den Bebauungsplan des Neubaugebiets Forstlahm Nord II wird derzeit öffentlich ausgelegt. Bis zum 2. Juni können Interessierte im Stadtbauamt, Oberhacken 8 (Flur, erster Stock) die Pläne einsehen und Stellungnahmen abgeben und Einwände geltend machen.
Parallel dazu hat die Stadt im Nachgang zum Bürgerprotest die Forstlahmer ins Rathaus eingeladen. "Als wir von den Problemen und den Sorgen der Bürger gehört haben, sind wir schnellstmöglich auf die Leute zugegangen und haben Informationsgespräche angeboten", so Stadtsprecher Simon Ries. "Wir hatten den Eindruck, dass die Fragen der Leute, die gekommen sind, geklärt wurden. Erst am Freitag war eine Familie da, mit der OB Henry Schramm gesprochen hat. Unser Ziel ist es, im Gespräch mit den Leuten die Probleme zu lösen."
Straßenbau und Hochwasser
In der Sache ging es laut Ries um den Tiefenbacher Weg, der nicht ausgebaut wird. "Das heißt, es kommen auf die Anwohner keine Anliegerbeiträge zu. Wir werden den Weg aber ein bisschen herrichten." Zweitens wurde nach dem Hochwasserschutz gefragt. Ries: "Die Gefahr wird deutlich verringert. Das vom Berg kommende Wasser wird so weit wie möglich abgeleitet. Eine Verbesserung, die auch im Bereich der Gastwirtschaft Schramm spürbar wird." Dazu kämen kleinere Wünsche wie die Erneuerung einer Lampe oder der Erhalt von Bäumen.
Da hat doch sicher ein OB am Rad gedreht und das Landratsamt aktviert. Ob glaubt wirklich jemand, dass im Landratsamt Kulmbach übereifrige Mitarbeiter tätig sind, die sich mit Arbeit belasten. Natürlich ist der OB sauer, dass ihm ein Stein in den Weg gelegt wird, wenn er (besonders) für seine Mitarbeiter neue Baugebiete ausweist. Und nun kommt der Landrat, der ausgleichend seine Behörde stoppt. Diese Spiel ist nicht neu, aber es funktioniert immer wieder. Politik ist so einfach - man muss nur die Regeln kennen.