"Wir rufen dazu auf, den Klimawandel ernst zu nehmen - und versuchen nicht damit Angst in der Bevölkerung zu schüren", wehrt sich Pietrafesa gegen den Vergleich mit einer Partei, deren ganzes Benehmen nicht regierungswürdig sei. Die einzige Konsequenz für die Realschülerin: die AfD dauerhaft vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Memmel sieht auch insbesondere für Frauen in der Politik einen absoluten Rückschritt im Erstarken der AfD. Denn während ein Gauland nur wenig Platz für Gleichberechtigung lasse, ist das ein Thema, das beide Frauen bewegt.
"Gleichberechtigung spielt bei den Grünen eine große Rolle - für mich auch", sagt Pietrafesa. Für Memmel war das schon damals ein zentrales Thema. Als 1982 die erste Tochter zur Welt kommt, betreute ihr Mann das Kind, während Memmel sich weiter um ihre Werkstatt kümmerte. "Der musste sich damals was anhören lassen - und ich natürlich auch." Zwischen egoistischer Rabenmutter und naiver Hausfrau sei das Rollenbild der Frau sehr eng gefasst gewesen im konservativen Umfeld.
Ihr 17-jähriges Gegenüber sieht Parallelen "Ich bin erschrocken, wie konservativ meine Generation teilweise ist", sagt sie.
Auch heute werden Männer immer noch als das starke Geschlecht wahrgenommen. Frauen müssten sich für ihr Selbstbewusstsein, ihre Selbstständigkeit rechtfertigen. Wie schon vor 35 Jahren. Eine Tatsache, die Memmel erschrickt, nicht aber doch nicht überrascht. Denn auch in anderen Bereichen führen die beiden die gleichen Kämpfe. Ein Vorwurf, den sie sich früher wie heute anhören müssen: Weltfremd und naiv seien die Forderungen der Grünen. Memmel und ihrer Partei wurde im Zuge der Friedensbewegung Weltfremdheit attestiert, Pietrafesa wird bei der Dieseldebatte als naiv und ahnungslos hingestellt.
Auf "grüne Themen" reduziert
"Fragen, ob ich dann mit dem Esel anreisen will, kommen immer wieder", sagt sie. Viele trauen der 17-Jährigen nicht zu, sich mit dem Thema fachlich auseinanderzusetzen. Stattdessen werde ihr gefährliches Halbwissen entgegengeworfen - das ärgert sie. "Die Grünen werden außerdem oft auf wenige Themen reduziert, zum Beispiel Diesel und CO2-Bepreisung." Dabei will sie auch für Sozialpolitik wahrgenommen werden.
Das momentane Hoch böte Gelegenheit dafür, doch das sei mit Vorsicht zu genießen, so Memmel. "Man nutzt sich ab in der Politik. In den letzten Jahren wurden zu viele Kompromisse eingegangenen." In ihren Augen müssen die Grünen die Situation nutzen, um mutiger zu agieren, zu konfrontieren und härter aufzutreten. Dabei helfen die Stärken der Partei: Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. "Wir stehen zu dem, was wir sagen." Das Hoch sei ein hart erkämpfter Effekt, kein Mitschwimmen auf aktuellen Themen.
Ob man den Erfolg auf die Kommunalwahlen übertragen kann, sieht sie skeptisch. Die "Hochburgen" der Grünen seien Studentenstädte. Kronach stehe vor dem großen Problem, junge Menschen zu halten. Dafür will sie sich den Kampf gegen Privatisierung - von Gesundheit, Versorgung, Wohnraum - auf die Agenda schreiben. "Wir müssen als Grüne massiv gegen die Privatisierungswelle vorgehen."
Ihr Ziel für die Kommunalwahl ist, in weiteren Gemeinden sichtbar sowie in Stadtrat und Kreistag stärker zu werden. Dabei spielt sie den Ball an die Jugend. "Wir sind zu alt", sagt sie deutlich. Die nächste Generation müsse nun den Finger in die Wunde legen. Ob das in Kronach möglich ist, sieht selbst Pietrafesa kritisch. Der Kreis derjenigen, die sich engagieren, sei doch eher klein. "Es fehlen die Macher." Gerade in Bezug auf Langzeitprojekte wolle sich niemand binden, die Verantwortung tragen. Grundsätzlich sei sie bereit dazu, denn sie wolle, dass sich etwas bewegt. Der Stillstand in der Bundesregierung frustriert sie. "Es wird nicht regiert, nichts geht voran." Nun sind die Grünen am Zug.