Stockheimer hat größte private Grenz-Sammlung

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Berthold Schwämmlein posiert neben dem Nachbau einer Grenzsäule aus seinem Privatbestand. Sie waren Markierungen der Staatsgrenze der DDR und wurden erstmals im Herbst 1967 an der innerdeutschen Grenze aufgestellt. Foto: Hendrik Steffens
Berthold Schwämmlein posiert neben dem Nachbau einer Grenzsäule aus seinem Privatbestand. Sie waren Markierungen der Staatsgrenze der DDR und wurden erstmals im Herbst 1967 an der innerdeutschen Grenze aufgestellt. Foto: Hendrik Steffens
Das Grenzarchiv aus Stockheim besteht aus 85 weißen Ordnern. Foto: Hendrik Steffens
Das Grenzarchiv aus Stockheim besteht aus 85 weißen Ordnern. Foto: Hendrik Steffens
 
Schwämmlein hat Grenz-Szenen auf Leinwände übertragen. Er weist auf eine Szene kurz vor der Öffnung bei Spechtsbrunn und Tettau. Foto: Hendrik Steffens
Schwämmlein hat Grenz-Szenen auf Leinwände übertragen. Er weist auf eine Szene kurz vor der Öffnung bei Spechtsbrunn und Tettau. Foto: Hendrik Steffens
 

In einer alten Scheune bei Stockheim bewahrt Berthold Schwämmlein 85 Ordner auf. Ihr Inhalt dokumentiert den Wandel der innerdeutschen Grenze im Kreis Kronach von den 1950ern bis '89. Sie lagern kühl im "Eispalast" des Sammlers.

Die schwere Holztür einer Scheune bei Stockheim bewacht die Schätze des Berthold Schwämmlein. "Daheim ist ja kein Platz mehr", sagt er. Hinter der Holzpforte steht ein alter Traktor zwischen Gerümpel. Links führt meterweit ein Gang zwischen Vitrinen hindurch, in denen seltene Steine, Puppen in Handwerkerkluft und Miniaturzüge lagern. "Mein Eispalast", sagt der Besitzer zur Temperatur. Am Ende des Gangs liegt ein Raum mit Regalen voller Ordner. Einige zur Geschichte der Eisenbahn, andere zur Geschichte des Bergbaus. Und 85 weiße zur Geschichte der innerdeutschen Grenze im Kreis Kronach.

Geschichte vom Ende des Regals

Am 18. Juni 1954, mit der Anordnung über die "Neuregelung der Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und Westdeutschland" wurde das, was wir heute Innerdeutsche Grenze nennen, formell geregelt. Ungefähr hier beginnt auch Berthold Schwämmleins Sammlung.

Nach den Geschichten gefragt, die in den weißen Heftern stecken, schlägt er einen vom rechten Ende des Regals auf. Zum Vorschein kommt eine Szene vom 12. November 1989: Mehrere hundert Westdeutsche stehen vor einem Zaun. Ein Uniformierter schweißt den Draht durch. Über dem Foto stehen die Ortsnamen Probstzella und Ludwigsstadt. Getrennt von einer unterbrochenen Linie aus "x--x--x x--x--x", die für den Grenzzaun steht und dem Wort "Grenzöffnung". Der Sammler zeigt drei weitere Seiten mit Bildern und Artikeln. Sie folgen derselben Logik, sind nach Jahr, Grenzabschnitt und Quellen sortiert. Ordnung ist dem Stockheimer wichtig.

Berthold Schwämmlein ist seit 31 Jahren ein Suchender. Erst suchte er Relikte der Eisenbahn- und dann der Gesteins-Historie in Stockheim und im Landkreis. Im Jahr 2000 machte er sich auf die Suche nach Dokumentationen der 110 Kilometer langen DDR-Grenze im Kreis Kronach. "Beruflich war ich früher oft in der Grenzregion unterwegs. Anfangs war da nur eine Grenze, später eine mit Stacheldraht verhangene Welt", sagt er.

Auf Spurensuche in Archiven

Schwämmlein verbrachte zig Feierabende und Sonntage in Archiven, vor allem denen von Gemeinden längs der Grenze, Heimatpflegern, Fotografen und Hobby-Historikern. Er suchte Zeitungsartikel und Bilder. Kopierte sie, beschriftete sie, digitalisierte sie, heftete sie ab und verpackte sie in Ordnern. Jeder bezeugt einige Monate aus der Zeit, als die Grenzlinie bei Kronach verlief.

"Registrateur können sie schreiben", sagt er auf die Frage, wie er sich und sein Tun nennen würde. Privater Sammler sei auch in Ordnung. Schwämmlein ist - das betont er - kein Nostalgiker und keiner, der geschichtliche Kausalitäten analysiert. Er ist einer, der Archive liebt - nach eigenen Angaben besitzt er das größte private Grenzarchiv im Kreis Kronach -, Sammlungen erschafft und sie hin und wieder ausstellt. Die Ausstellung sei eigentlich der Endzweck seiner Mühen, sagt der Stockheimer.

In einem anderen Raum seines Eispalastes stehen Tafeln, auf denen vergrößerte Auszüge aus den 85 Ordnern angebracht sind. Auf dem Aufsteller ganz vorn ist eine Szene von der Grenze zwischen Spechtsbrunn und Tettau vom 20. November 1989 zu sehen. Obwohl als Datum des Mauerfalls der 9. November gilt, ist die Linie aus "x--x" noch durchgezogen. Die Grenze war an dieser Stelle noch geschlossen. Drei Grenzer mit Mützen, auf denen Hammer und Zirkel im Ährenkranz prangen, unterhalten sich auf dem Bild. Auf den Entstehungsort weist die Beschriftung hin.

Wie ein Kriminologe

"Die Arbeit mit der Grenze hatte ich 2003 eigentlich abgeschlossen. Eine Anfrage wegen einer Ausstellung - beim Sommerfest einer Spielbank - anlässlich des 25. Jubiläums der Öffnung brachte mich heuer wieder ans Thema", sagt er. Jetzt setzt er sich manchmal wieder an die Ordner, die noch nicht ins Regal sortiert sind. Mit den Bildern, die er noch keiner Zeit und keinem Ort zuordnen konnte.

"Das ist wie die Arbeit eines Kriminologen", sagt Schwämmlein. Wann, wo, was passiert ist? Das sind die Fragen, die er beantworten will. Manchmal lässt er sich beim Rekonstruieren von ehemaligen Grenzern helfen. Oft findet er den Namen eines Fotografen heraus und kann ihn fragen. Ein Bild, das Autos und aufgebrachte Menschen, aber wenige Landschaftsmerkmale zeigt, konnte Schwämmlein bisher nicht zuordnen. Hunderte weitere liegen in dem Ordner. Das macht viele Feierabende und Sonntage, die seine Familie ihn entbehren muss. "Die hat aber nichts dagegen, das ist eben mein Hobby", sagt er und schließt seinen Eispalast.