Geht es um Probleme an der Kronacher Klinik, wird von Politikern wie Bürgern heiß diskutiert, wie sich die Politik in Unternehmensbelange einmischen darf.
Die Diskussion um die Helios-Frankenwaldklinik schlägt regelmäßig Wellen. MdL Jürgen Baumgärtner (CSU) wählt forsche Töne, SPD und FW geben sich diplomatischer. Wir fragen, wie die Politik mit Unternehmen umgehen darf oder sogar muss.
J ürgen Baumgärtner ist nicht als Mann der leisen Töne bekannt. Das hat auch die Helios-Frankenwaldklinik zu spüren bekommen. Nachdem dort nach Ansicht des CSU-Landtagsabgeordneten über Jahre und mehrere Geschäftsführer hinweg Missstände nicht ausgemerzt wurden, meldete er sich mit deutlichen Ansagen an den Konzern und die Klinikleitung zu Wort - und sorgte damit für eine politische Diskussion über den richtigen Umgangston gegenüber Unternehmen.
"Die Notaufnahme ist ein Dauerthema", geht er auf einen der Brennpunkte ein. "Das habe ich ja nicht erfunden." Dort nur eine personelle Umbesetzung vorzunehmen, damit ist es nach Ansicht des Abgeordneten nicht getan. Deshalb fährt er einen harten Kurs im Umgang mit den Verantwortlichen; dazu zählt auch der neue Geschäftsführer Christian Kloeters. "Ich habe mit den Vorgängern Gespräche geführt", sagt Baumgärtner. "Jetzt habe ich gesagt, es werden erst dann wieder Gespräche geführt, wenn die Schwachpunkte analysiert wurden."
Er hat aber nicht nur eine Liste an Forderungen aufgestellt, er ist gerade auch in Sachen Bereitschaftspraxis selbst in die Offensive gegangen und hat ein straffes Zeitkorsett festgezurrt. Das hat bei Klinik wie Kassenärztlicher Vereinigung für Verwunderung gesorgt, dann aber zu einem Durchbruch geführt. Dennoch wird auf der politischen Bühne oft hinterfragt, ob Baumgärtner in solchen Situationen nicht zu sehr mit dem Kopf durch die Wand will, ob er nicht zu schnell einen Fehdehandschuh wirft. Er selbst verneint das. "Das passt ja nicht mit der Bilanz zusammen", sagt er mit einem Blick auf das in seiner Amtszeit Erreichte. So verkehrt könne sein Verhalten demnach nicht sein. Trotzdem: Ist es überhaupt legitim, sich derart in die private Wirtschaft einzumischen?
Baumgärtner erklärt, dass es in einer sozialen Marktwirtschaft darum gehe, die Vorteile eines marktwirtschaftlichen Systems zu realisieren, gleichzeitig aber ihre Nachteile zu vermeiden. Die Politik schaffe nicht zuletzt durch die Gesetzgebung die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, nehme also schon in diesem Zuge direkt Einfluss. "Ein großes Unternehmensinteresse ist das Erwirtschaften von Gewinn", erklärt Baumgärtner weiter. "Allerdings darf dieses Interesse nicht uneingeschränkt auf Kosten der Menschen verfolgt werden. Deshalb muss der gesetzliche Rahmen Grenzen setzen."
Verschiedene Möglichkeiten
Auch Gespräche seien eine Möglichkeit, um auf Unternehmen einzuwirken und mit ihnen Wege zu suchen. Dieses Angebot werde in seinem Büro rege nachgefragt. "Eine dritte Option ist die Herstellung von Öffentlichkeit, durch die eine öffentliche Diskussion über den Bedarf einer Einflussnahme entsteht." Ein solches Vorgehen veranlasse einen Wirtschaftsakteur möglicherweise zum Überdenken seiner Strategie, meint Baumgärtner. Diesen Punkt sieht der CSU-Politiker bei der Klinik offenbar erreicht.
Immer wieder wird in Sachen Krankenhaus auch der Ruf nach einer stärkeren Einflussnahme durch den Landkreis laut. Dieser ist noch an der Klinik beteiligt. Doch was sind schon fünf Prozent? "Ein fünfprozentiger Anteil ist meines Erachtens so viel wert, wie der Landkreis und seine Politiker daraus machen", stellt Baumgärtner fest. "Sie haben zumindest das Recht auf Information beziehungsweise im Bereich der Daseinsvorsorge die Pflicht, sich zu informieren. Und es steht ihnen frei, sich zu diesen Informationen zu äußern und daraus Handlungsbedarf abzuleiten."
Den Weg der SPD hält er für falsch. Sie habe sich gleich mit dem neuen Geschäftsführer getroffen und gesagt, es sei alles super. Nach Ansicht des Abgeordneten muss die Klinikleitung nun aber erst liefern, bevor Lobeshymnen angestimmt werden.
W olfgang Beiergrößlein und
Stefan Wicklein (beide FW) haben gleich in doppelter Hinsicht ein Interesse daran, dass der Betrieb an der Klinik gut läuft. Beiergrößlein als Kreisrat und Kronacher Bürgermeister, Wicklein als Hauptamtsleiter in der Kreisstadt und Fraktionsvorsitzender im Kreistag.
"Es ist wichtig, dass wir die Klinik haben", stellt das Stadtoberhaupt fest. Das Krankenhaus ist für die Daseinsvorsorge ein bedeutender Faktor, es bietet Arbeitsplätze und hat nicht zuletzt auf Grund seiner Strahlkraft auch für die Stadtentwicklung einen hohen Stellenwert, sind sich die FW-Politiker einig.
"Es ist aber auch klar, dass einiges nicht so gut funktioniert", räumt Beiergrößlein ein. Aus städtischer Sicht könne er sich nicht nennenswert einmischen, weil der Landkreis Beteiligter an der Klinik sei, nicht die Kreisstadt. Einen Draht zur Klinikleitung gebe es natürlich. "Ich bin eher jemand, der Brücken bauen will", erklärt er, "aber ich werde selbstverständlich nachdrücklich darauf einwirken, dass der gute Ruf der Klinik wieder aufgebaut wird". Mit diesem Ruf stehe und falle letztlich die Zukunft des Krankenhauses. Das in der Vergangenheit angekratzte Image wieder aufzupolieren, könne jedoch nur durch Taten geschehen, fügt Wicklein an die Adresse der Klinikleitung gerichtet an. Sollten diese Taten ausbleiben, müsste es in "Phase zwei" gehen, dann müssten die Zügel von der Politik angezogen werden.
Politik in der Pflicht
"Es ist Aufgabe der Politik, sich darum zu kümmern. Und das wäre es auch, wenn der Landkreis nicht mehr beteiligt wäre", geht Wicklein anhand des Beispiels Helios-Frankenwaldklinik auf die generelle Situation in der Daseinsvorsorge ein. In solchen Fällen sei die Politik gehalten, sich um Missstände zu kümmern. "Die fünf Prozent haben dabei aber nur einen geringen Wert", erklärt der Fraktionsvorsitzende. Sie berechtigen seiner Aussage nach zu einem Mehr an Information, die Strategie des Gesundheitsversorgers könne die Kommunalpolitik auf dieser Basis aber nicht mitbestimmen. Bei allen Problemen der Daseinsvorsorge müsse sich die Politik allerdings einbringen - unabhängig von Beteiligungen. "Über den Weg dorthin lässt sich natürlich streiten." Soll man direkt an die Öffentlichkeit gehen oder zunächst mit dem Betroffenen reden?
Wachsende Schwierigkeiten in der Daseinsvorsorge sieht Wicklein beispielsweise auch bei der grund- und fachärztlichen Versorgung oder im Bereich der Notärzte. "Da muss man dranbleiben, informieren und die Probleme an die Entscheidungsträger herantragen", erklärt er seinen Weg. Beiergrößlein verweist auf das eigens eingerichtete Wirtschaftsmanagement der Stadt, das engen Kontakt zu den Firmen hält. "Es ist wichtig, dass die Unternehmen wissen, dass man ansprechbar ist." So will er möglichst im Miteinander den Standort
Kronach stärken. Ein starker Wirtschaftsstandort zu sein, sei schließlich immer gut für eine Kommune.
Dem neuen Klinikleiter wollen beide FW-Politiker erst einmal Zeit zum Handeln gewähren. "Man kann nicht gleich draufhauen, sondern muss Christian Kloeters erst einmal die Chance geben, etwas zu bewegen", so Beiergrößlein. Ein Streit in der Öffentlichkeit trage zudem nicht dazu bei, das Bild der Klinik zu verbessern. "Wenn's dann aber nicht klappt, dann muss man natürlich an die Öffentlichkeit gehen."
R alf Pohl (SPD) stellt eines von Anfang an klar, wenn es um die Einflussnahme der Politik auf die Angelegenheiten eines privaten Wirtschaftsunternehmens geht: "Was betriebswirtschaftliche Belange betrifft, ist die Politik gut beraten, sich nicht einzumischen." Ein Unternehmen lasse Experten in diesem Bereich arbeiten, während sich Politiker mit Leitungsaufgaben für einen Betrieb übernehmen würden, meint der SPD-Kreisvorsitzende. Das heißt für SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden
Richard Rauh aber nicht, dass die Politik ihre Finger ganz aus dem Spiel lassen muss. Alle Beteiligten müssten sich nur im Klaren sein, wo sie sinnvoll einwirken können und wo nicht.
Wenn es beispielsweise um die Rahmenbedingungen für die Firmen gehe, sei die Politik gefordert. Geht es grundsätzlich um die Gewinnerwartungen eines Unternehmens, findet Rauh eine einfache Richtschnur. Gewinnorientierung ist in seinen Augen nicht frevelhaft, da aus Gewinnen auch neue Investitionen resultieren. Wenn ein Gewinn vorliegt, "dann kann man auch überlegen, wie viel vom Kuchen die Mitarbeiter bekommen - aber zuerst muss ich eben einen Kuchen haben". Pohl ergänzt zur Situation in Kronach: "Bei 15 Prozent Renditevorgabe für eine Klinik habe ich Bauchschmerzen. Über so etwas muss man reden."
Nichts unter Teppich kehren
Auch Rauh wird konkret, spricht über den Umgang der SPD mit der Kronacher Klinik, den Baumgärtner für handzahm hält. "Es geht nicht darum, etwas unter den Teppich zu kehren", stellt der Fraktionsvorsitzende klar, "aber wenn wir jetzt nicht aufhören, unsere eigenen Institutionen schlechtzureden, kann das böse enden". Es sei ratsam, dem neuen Mann an der Klinikspitze, Christian Kloeters, Zeit einzuräumen, seine Vorstellung zu realisieren und Verbesserungen voranzutreiben. Kloeters habe sich acht oder neun Schwerpunkte gesetzt und verzettele sich damit nicht in Dutzenden von Überlegungen, wie es bei seinem Vorgänger der Fall gewesen sei. Der Klinik-Geschäftsführer habe bereits angefangen, neues Personal einzustellen, und er habe den Eindruck vermittelt, dass der Helios-Konzern ihn bei seinen Veränderungen nicht blockiere. In dieser Betrachtungsweise unterstützt Pohl seinen Parteikollegen und findet einen Vergleich: "Ich muss doch jedem erst ein Vierteljahr Zeit geben - genauso, wie es ja auch beim Landrat gemacht wird."
Die Klinik sei ein elementarer Bereich der Daseinsvorsorge, weshalb man immer am Ball bleiben müsse. Und die Einflussmöglichkeiten mit fünf Prozent Beteiligung seien schon höher, als wenn man "nur" der Landkreis wäre, ergänzt Pohl. Trotzdem dürfe die Erwartungshaltung nicht in die Höhe schießen, fügt Rauh an. "Wir können versuchen, auf diesem Weg unsere Ideen einfließen zu lassen", sagt er, "aber was fünf Prozent wert sind, weiß jeder, der sich mit Aktienrecht auskennt." Deshalb würde er sich wünschen, dass Politiker genau nachdenken, ehe sie sich öffentlich zu Unternehmensstrategien äußern. "So ein Vorgehen kann manchmal nötig sein, manchmal kann es aber auch viel kaputt machen." Dabei verweist er darauf, wie bei US-Präsident Donald Trump die aggressive Einflussnahme auf die Wirtschaft schief gehe.
Die SPD will auf alle Fälle mit der Klinik im Gespräch bleiben und auch kritische Positionen einnehmen. Und die Sozialdemokraten wollen sehen, wie die Klinik - über den Bereich der Grundversorgung hinaus - aufgestellt wird. "Das interessiert uns brennend", versichert Pohl. Keinesfalls dürfe die Pflege kaputtrationalisiert werden, betont Rauh, der in der Notaufnahme den größten Handlungsbedarf erkennt. Was das weitere Vorgehen betrifft, empfiehlt er, Kloeters erst einmal den Rücken zu stärken. Rauh will nicht gleich den Stab über den Geschäftsführer brechen, noch ehe der seine Arbeit richtig aufnehmen konnte. Als Tipp greift er dabei zu einem Zitat, das Baumgärtner einmal getätigt habe: "Wut und Trotz sind schlechte Ratgeber."
Gemäß dem alten Sprichwort "Schuster bleib bei Deinen Leisten" sollte sich die Politik aus dem Gesundheitswesen so weit es geht heraushalten. Gerade solche Polterer wie Baumgärtner, die mehr kaputt machen, sollten das. Und sobald Baumgärtner irgendetwas findet, von dem er was versteht, dann kann er sich ja darum kümmern.