Seltene Sammelleidenschaft: Skeptischer Blick in die Zukunft

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Fadenzähler und Pinzette: Mehr Ausstattung braucht es nicht, um Briefmarken zu sammeln - abgesehen natürlich von den Marken selbst. Ein Hobby, das im Kreis Kronach aber wohl aussterben wird, vermutet Klaus Apitz vom Briefmarkensammler Club Kronach. Foto: Marian Hamacher
Fadenzähler und Pinzette: Mehr Ausstattung braucht es nicht, um Briefmarken zu sammeln - abgesehen natürlich von den Marken selbst. Ein Hobby, das im Kreis Kronach aber wohl aussterben wird, vermutet Klaus Apitz vom Briefmarkensammler Club Kronach. Foto: Marian Hamacher

Etwa 35 Mitglieder zählt der Briefmarkensammler Club Kronach. Seit über 40 Jahren dabei ist Klaus Apitz - der sein Hobby langsam aussterben sieht.

Für einen kurzen Moment zögert Klaus Apitz. Kaum hat sich seine Hand nur wenige Zentimeter vorbewegt, zuckt sie die überbrückte Distanz auch schon wieder zurück. "Ach, vielleicht hole ich doch lieber eine Pinzette", sagt er und macht sich auf den Weg in den Nebenraum. Mit dem silbernen Hilfsgerät wagt er es schließlich, die Briefmarke - die eher die Größe einer Postkarte hat - aus der hauchzarten Plastiklasche des Albums zu ziehen: Raffaels weltberühmte "Sixtinische Madonna".
Wobei die beiden rot-geflügelten Engel am unteren Bildrand als eigenständiges Motiv wohl noch etwas bekannter sein dürften als das originale Ölgemälde, das in der Dresdner Gemäldegalerie zu bestaunen ist. Der Wert: unschätzbar.


Im Unterbewusstsein verankert

Apitz' Briefmarken-Version ist beim Online-Auktionshaus Ebay hingegen schon für unter sieben Euro zu haben. Als Festpreis. Mit bloßen Fingern anfassen möchte der 72-Jährige die Marke trotzdem nicht. "In dem Fall wäre es jetzt vielleicht nicht so schlimm", sagt er. "Aber schmiert man mit seinem Finger versehentlich Farbe eines Stempels auf eine Marke, verliert die sofort an Wert."
Außerdem ist die Vorsichtsmaßnahme im Laufe zahlreicher Sammlerjahre wohl irgendwann fest im Unterbewusstsein verankert. Und der ehemalige Grund- und Hauptschullehrer hat inzwischen nicht nur ordentlich Jahre, sondern in dieser Zeit auch zehn Alben mit mehr als 12 000 Briefmarken und historischen Postkarten aus seinem Wohnort Küps angesammelt.


Lukrativer Wechselkurs

Sitzt nun inzwischen ein grauhaariger 72-Jähriger mit einer randlosen Brille auf der Nase und einem grünen Sweater über dem weißen Polohemd vor dem unscheinbaren graubraunen Album, sah jener Klaus Apitz, der erstmals ein Briefmarkenalbum in die Hand nahm, deutlich anders aus. Vor allem jünger. Das ist sogar schon so lange her, dass er sich an den Beginn gar nicht mehr so richtig erinnern kann. "Das muss als Jugendlicher gewesen sein, irgendwas zwischen 15 und 20", sagt er.
Was die Sammelleidenschaft auslöste, weiß der Küpser allerdings noch ganz genau: Marken aus der DDR. "Im Westen konnten die erst ein Vierteljahr nach Erscheinen gekauft werden, aber ich hatte einen Onkel, der mir die neuesten immer zugeschickt hat. Die konnte man dann 1:1 in Westmarken tauschen", erinnert sich Apitz und muss schmunzeln.


Ein netter Nebeneffekt

Für ihn sei es damals ein logischer Schritt gewesen, in einen passenden Verein einzutreten, um die frischgewonnene Sammelleidenschaft mit Gleichgesinnten teilen zu können und potenzielle Tauschpartner zu haben. Mittlerweile ist Apitz einer von lediglich noch 35 Mitgliedern des Briefmarkensammler Clubs Kronach. Vor 20 Jahren waren es noch doppelt so viele. "Unsere jüngsten Mitglieder sind um die 50. Der Verein stirbt wohl langsam aus", vermutet Apitz angesichts eines Altersdurchschnitts, der sich stramm auf die 70 zubewegt.
Jüngere Mitglieder sind ihm keine bekannt. Vor einigen Jahren sei mal ein Zehnjähriger mit seinem Vater dagewesen. "Aber die sind dann nicht mehr wiedergekommen." Was schade sei. Schließlich handele es sich um ein Hobby, das beruhigt. "Nicht umsonst haben viele Lehrer, Rechtsanwälte oder Ärzte gesammelt", scherzt der 72-Jährige. Außerdem gebe es den netten Nebeneffekt, dass sich die Allgemeinbildung verbessert. Jedenfalls dann, wenn sich der Sammler auch mit der Epoche beschäftigt, aus der seine Briefmarken stammen.


Kontakte in andere Länder

Seien es inzwischen für Otto-Normalsammler unerschwingliche wie aus dem deutschen Kaiserreich oder aus dem Polen der jüngeren Vergangenheit - wie Apitz sie sammelt. "Das sind Ausgaben 50 bis 100 Euro im Jahr. Das kann man schon ganz gut machen", sagt er. Durch das Tauschen und Verkaufen mit anderen Sammlern entstünden auch immer wieder neue Kontakte in andere Länder. Um Jüngere wieder zum Sammeln zu bewegen, bräuchte es seitens der Post mehr Marken mit aktuellen Motiven, findet Apitz: "Ich würde von mir behaupten, dass ich ein recht großes Allgemeinwissen habe, aber viele Personen auf den Marken, die da herausgegeben wurden, kenne auch ich nicht mehr." Da sei es gut, dass es inzwischen auch Marken gibt, auf denen Autos oder Asterix-Motive zu sehen sind.
Ob das dauerhaft helfen wird? Klaus Bächer, der Club-Vorsitzende macht sich da ebenfalls keine Illusionen, wenn er an die mittelfristige Zukunft seines Vereins denkt: "Das ist wahrlich ein aussterbendes Hobby."