In der Diskussion um den möglichen Nationalpark Frankenwald treffen Befürworter und Gegner mit vielen Argumenten aufeinander. Was sind ihre Aussagen wert?
Ein Segen oder doch ein Fluch - je nach Perspektive könnte ein Nationalpark Frankenwald ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Region und speziell den Landkreis
Kronach haben. Wir klopfen die wichtigsten Argumente der Befürworter und Gegner ab, die sich nicht zuletzt in den sozialen Medien mittlerweile heftige Diskussionen liefern. Was sind ihre Thesen nach dem jetzigen Kenntnisstand wert? Was ist belegt, was noch zu hinterfragen, was nicht haltbar? Hier die subjektive Einschätzung unserer Redaktion.
Argumente der Befürworter
Naturschutz: Würde der Frankenwald zum Nationalpark, wäre der Naturschutz die oberste Prämisse für dieses Gebiet. Der Begriff "Naturschutz" ist in diesem Fall allerdings einem anderen Maßstab unterworfen, als es bisher im Frankenwald der Fall ist. Ein Nationalpark bedeutet Naturschutz im Sinne von die Natur sich weitgehend selbst überlassen. Es wäre also eine Art Naturschutz in Reinkultur. Ob das Ergebnis einer so entstehenden Landschaft jedem Betrachter gefiele (siehe Punkt "Urwald" weiter unten), steht auf einem anderen Blatt.
Bewertung: Argument ist begründet.
Entwicklung: Gerade der Entwicklungsaspekt für die Region mit den damit verbundenen Finanzmitteln wird von den Park-Befürwortern positiv hervorgehoben. Umweltministerin Ulrike Scharf bestätigte: "Wir statten den dritten Nationalpark auf voller Augenhöhe mit Berchtesgaden und dem Bayerischen Wald aus." Das bedeutet, dass die Verwaltung ein Jahresbudget von zehn Millionen Euro zur Verfügung haben wird. Auch für die Peripherie des Parks sollten dann leichter Mittel für Infrastrukturmaßnahmen aufzutreiben sein.
Bewertung: Argument ist begründet.
Wandel: Die Demografie verändert die Gesellschaft im Frankenwald. Es fehlt an Fachkräften, junge Familie sollen sich niederlassen, qualifizierte Arbeitsplätze auch für Akademiker werden gewünscht. Ein Nationalpark könnte hier Akzente für die Region setzen.
Bewertung: Argument ist begründet.
Tourismus: Der Tourismus würde nach Ansicht der Befürworter wie auch der Umweltministerin profitieren. In doppelter Hinsicht. Drei Millionen Besucher lockten die beiden bestehenden Nationalparke jährlich an, betonte Ulrike Scharf. Hierfür werden Arbeitskräfte in Gastronomie und Tourismus gebraucht. Der Ansturm resultiert auch aus neuen touristischen Angeboten und einer grundlegenden Konzeption für das Umfeld der Nationalparks. Ohne die kräftigen Fördermittel für eine Park-Region ließe sich das in diesem Umfang sicher nicht bewerkstelligen.
Bewertung: Argument ist begründet.
Wertschöpfung: Die Wertschöpfung, die in einer Region durch einen Nationalpark entsteht, ist nach den Erfahrungen des Umweltministeriums beträchtlich. Von 68 Millionen Euro pro Jahr sprach Ministerin Ulrike Scharf für die beiden bestehenden Parks. Bestätigt wurde diese Ansicht vom Leiter des Nationalparks im Bayerischen Wald, Franz Leibl, der neben dem Tourismus- und Gastronomiesektor auch das regionale Gewerbe, das Handwerk und den Handel als Gewinner nannte. Ob das alles auch im Frankenwald in diesem Umfang so passieren würde, ist ohne klares Konzept natürlich noch Spekulation. Zudem rechnen die Kritiker dagegen auf, was dem Freistaat durch den Verlust an Holz verloren ginge.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Zeit: Ein Aspekt, der in der Kritik oft zu kurz kommt, ist der Faktor Zeit. Ein Nationalpark und auch seine naturbelassene Kernzone wächst nicht von heute auf morgen auf die volle Größe. Die Rede ist von 30 Jahren, bis der Endpunkt erreicht werden soll. Rund 15 Jahre sei beispielsweise die Holzversorgung in der Region gar kein Problem, versicherte Ministerin Ulrike Scharf. Wie viele Hobby-Waldbauern dann noch Interesse am Nebenerwerb Wald haben werden, wie die Industrie dann aussehen wird - darüber kann momentan nur spekuliert werden. In der nahen bis mittelfristigen Zukunft sollten die Auswirkungen - so sicherte zumindest die Ministerin zu - kaum spürbar sein.
Bewertung: Argument ist begründet.
Neue Jobs: Durch einen Nationalpark können Hunderte neuer Jobs alleine im Tourismussektor entstehen, bestätigten sowohl Umweltministerin Ulrike Scharf als auch der Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, Franz Leibl. Wie viele davon im Billig-Lohn-Bereich angesiedelt sind, darüber liegt keine Statistik vor. Was die Forstleute aus dem Staatsforst betrifft, so stünde diesen unter anderem der Schritt in die Parkverwaltung offen. Dort werden außerdem auch Jobs für höher qualifizierte Personengruppen geschaffen. Im Umfeld könnte ein erhöhtes Touristenaufkommen auch Handel und Gewerbe fördern. Andererseits sprechen Gegner von über 1000 Jobs, die im Cluster Holz in der Region verloren gehen könnten.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Artenschutz: Ein Nationalpark sorgt für die Ansiedlung neuer Arten und bietet unberührte Rückzugsräume für bedrohte Tiere und Pflanzen. Soweit dürfte die Ansicht der Befürworter unbestritten sein. Auf der anderen Seite steht die Frage: Gehen bereits angesiedelte, seltene Arten verloren (z. B. Schwarzstorch), wenn die Natur sich drastisch verändert? Diese Befürchtung konnte in der bisherigen Diskussion weder schlüssig belegt noch verworfen werden.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Alternativen: Was, wenn der Nationalpark nicht kommt? Dann könnten sich durch eine konstruktive Diskussion dennoch Alternativen auftun. So kam beispielsweise schon ein Biosphären-Reservat ins Gespräch.
Bewertung: Argument ist begründet.
Kritiker: Wer kritisiert den Nationalpark? In erster Linie "nur" die Vertreter der Land- und Forstwirtschaft, geht man vom öffentlichen Auftreten aus. Ob andere Bevölkerungsschichten dafür oder dagegen sind, bleibt indes in einer Grauzone, weil diese sich öffentlich kaum zu Wort melden.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Argumente der Gegner
Standort: Der Frankenwald ist ein Wirtschaftswald und damit kein naturnahes Gebiet. Angesichts des laufenden Waldumbaus hin zu einem für unsere Region typischeren Wald ist das richtig. Die Befürworter weisen allerdings darauf hin, dass ein "Entwicklungs-Nationalpark" Jahrzehnte Zeit für eine Umstrukturierung hätte. Doch macht es Sinn, einen Wald umzubauen, damit er überhaupt erst den Ansprüchen genügt, wenn es bessere Bewerber gibt? Interessant ist in dieser Hinsicht: 1999 wurde die Nationalparkverordnung für die Elbtalaue vom Bundesverwaltungsgericht gekippt, weil das Gebiet in erster Linie als Kulturlandschaft zu betrachten war. Daher stand der Park im Widerspruch zum Niedersächsischen Naturschutzgesetz.
Bewertung: Argument ist begründet.
Existenzen: Während für den Tourismus ein Boom erhofft wird, wird für traditionelle Frankenwald-Gewerbe ein mittelfristiger Einbruch befürchtet. Dadurch sehen sich ganze Betriebe in ihrer Existenz bedroht, fürchten Familien um Lohn und Brot. Sollte es tatsächlich einen strukturellen Wandel geben, sind diese Befürchtungen auf lange Sicht nicht unbegründet. Ob es solche massiven Auswirkungen geben würde, ist nicht mit Sicherheit abzusehen - auszuschließen ist es allerdings nicht.
Bewertung: Argument ist begründet.
Urwald: Ein Nationalpark wäre in seiner Kernzone (7500 Hektar) sicher nicht mehr mit dem heutigen Waldgebiet zu vergleichen. Wie stellenweise im Bayerischen Wald zu sehen ist, wird unberührte Natur auch nicht immer schön sein, manchmal aus der menschlichen Sicht sogar ziemlich hässlich. Ob man sich darauf einlässt oder einen aufgeräumteren Wald einem "Urwald" vorzieht, ist letztlich eine Glaubensfrage. Die Kritiker schimpfen über einen verrottenden Wald, die Befürworter sagen, so schaut "echte" Natur eben auch aus. Beide Seiten haben Recht.
Bewertung: Richtigkeit hängt vom Blickwinkel ab.
Ausgrenzung: Wird der Mensch aus seiner Heimat ausgegrenzt? Jein. Einerseits wird auch ein Naturpark begehbar bleiben - zumindest auf vorgegebenen Wegen. Andererseits kann sich ein natürlicher Lebensraum nicht bilden, wenn jeder darin herummarschiert, wie es ihm passt. Daher stellt sich wie beim Punkt "Urwald" für den Frankenwälder die Grundsatzfrage: Sollen die Freiheiten des Menschen oder die Ansprüche einer unberührten Natur im Mittelpunkt der Regionalentwicklung stehen?
Bewertung: Richtigkeit hängt vom Blickwinkel ab.
Ausweitung: Die Kritiker befürchten, ein 10 000-Hektar-Nationalpark im Frankenwald wäre nur der Anfang. Theoretisch könnte das sein. Im Bayerischen Wald gab es 1997, also 27 Jahre nach der Gründung des Nationalparks, eine Erweiterung. In Berchtesgaden (gegründet 1978) gibt es bis heute keine Ausdehnung; allerdings war dieser Nationalpark von Beginn an deutlich größer als die Mindestfläche, die nun für Franken diskutiert wird. Außer im Bayerischen Wald gibt es in ganz Deutschland zurzeit aber noch keine Gebietserweiterungen in den 15 anderen Nationalparks.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Nachbarn: Wer neben dem Park Grund und Boden hat, wird vom Park selbst in seinem Handeln nicht beeinträchtigt, sicherte Ministerin Ulrike Scharf zu. Dennoch machen Sorgen um negative Auswirkungen auf das Umfeld (Wildschwein-Rotten, später vielleicht zunehmende Naturschutz-Anforderungen) die Runde. Diese Befürchtungen könnten wohl erst zerstreut werden, wenn entsprechende Regelungen in einem Naturparkplan fixiert werden.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Borkenkäfer: Es steht Aussage gegen Aussage. Für die Park-Kritiker ist eine angedachte Schutzzone zwischen Privatwald und Nationalpark nicht zweckdienlich, um das Übergreifen des Käfers zu verhindern. Die oft genannten 500 Meter Abstand wären bei entsprechenden Windverhältnissen nicht annähernd ausreichend. Nach Erkenntnissen des Ministeriums und aus den Erfahrungen im Bayerischen Wald soll das dortige "Borkenkäfer-Management" mit Schutzzone allerdings hervorragend funktionieren.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.
Enteignung: Einer großen Befürchtung der Grundstückseigentümer wurde von den Verantwortlichen einmütig begegnet: "Es wird keine Enteignungen geben!" Wie ein möglichst zusammenhängendes Parkgelände mit privaten Enklaven darin aussehen könnte, wird allerdings eine spannende Frage werden, sollte es in die Konzeptphase gehen.
Bewertung: Argumentation weckt große Zweifel.
Steuergelder: Ein Park im Frankenwald bedeutet, dass Steuergelder "verpulvert" werden, schimpfen die Kritiker. Dass erhebliche Mittel des Staates in einen Nationalpark fließen würden, ist unbestritten. Aber: Ein dritter Park ist von der Regierung gewünscht, also werden die Gelder wohl so oder so ausgegeben, sollte nicht noch ein komplettes Umdenken gegen einen dritten Nationalpark erfolgen. Die einzige Frage ist daher, in welche Region diese Mittel gepumpt werden.
Bewertung: Argumentation weckt große Zweifel.
Gebietskulisse: Anfangs war von einem Gebiet bis Tettau für den Park die Rede. Im ersten Konzept tauchte Tettau nicht auf, dafür waren Teile des Kreises Hof markiert. Die Verunsicherung der Bevölkerung durch solche (Um-)Planungen ist nachvollziehbar.
Bewertung: Argument ist begründet.
Holzmangel: Wenn eine große Staatswaldfläche stillgelegt wird, könnte es zu einem Engpass beim Rohstoff Holz kommen. Eine denkbare Folge: Mehr Importholz aus nicht nachhaltiger Produktion. Ob eine von Ministerin Scharf angestrebte deutliche Steigerung der Produktion in den Privatwäldern als Ausgleich erreichbar wäre, ist momentan noch graue Theorie. Allerdings gilt für Waldbesitzer dann auch: Ist weniger Staatsholz auf dem Markt, sollte der Wert der eigenen Bäume steigen.
Bewertung: Argument muss hinterfragt werden.