Ludwigsstadt: Flüchtlinge als Chance - Ehrenamtliche nicht überlasten

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Ludwigsstadts Bürgermeister Timo Ehrhardt (SPD) erklärt, warum er besonderes Engagement für Flüchtlinge zeigt und welche Herausforderungen das bringt. Foto: Archiv
Ludwigsstadts Bürgermeister Timo Ehrhardt (SPD) erklärt, warum er besonderes Engagement für Flüchtlinge zeigt und welche Herausforderungen das bringt. Foto: Archiv

Ludwigsstadts Bürgermeister Timo Ehrhardt (SPD) erklärt, warum er besonderes Engagement für Flüchtlinge zeigt und welche Herausforderungen das bringt.

Herr Ehrhardt, was bewegt Sie dazu, als Bürgermeister von Ludwigsstadt überdurchschnittlich viel für die Integration von Flüchtlingen zu tun?
Timo Ehrhardt: Ich persönlich sehe das als Chance, um Leute für unsere Stadt zu gewinnen, die bei uns Arbeit finden und dauerhaft hier leben wollen. Das ist meine Motivation, sich in dem Themenfeld einzubringen.

Was stört Sie an dem Trend, dass es anerkannte Flüchtlinge verstärkt in Ihre Stadt zieht?

Grundsätzlich stört mich daran nichts. Mein Thema ist es, bei allem erwünschten Zuzug darauf zu achten, dass die Ehrenamtlichen nicht überfordert werden. Der Palästinenser Mohammed Abu-Taà, den wir auf Stundenbasis engagiert haben, finanziert über das Programm "Miteinander leben -Ehrenamt verbindet", ist eine Antwort darauf, dass wir professionelle Leute dazu nehmen wollen - auch mit Blick auf unseren Anspruch "Kompetenzzentrum für Migration und Integration" zu sein. Herr Abu-Taà hat die Aufgabe, Kontakte zu den Flüchtlingen und Migranten in Ludwigsstadt aufzubauen und sie in das Stadtleben zu integrieren. Hier eignet sich insbesondere das Café International als guter Punkt, um anzukommen und andere Menschen - Zugezogene wie Einheimische - zu treffen. Das Café wurde von unserer ehrenamtlich tätigen Flüchtlingsbeauftragten Karin Weber 2015 ins Leben gerufen und findet seit August 2017 in neuen Räumen alle 14 Tage am Mittwoch von 14 bis 17 Uhr im Rathaus statt.

Was steckt hinter dem Begriff "Kompetenzzentrum"?

Wir wollen Leistungen bündeln - Verwaltung, Beratungsdienste und Unterstützung durch die Ehrenamtlichen. Unser Ziel ist es, den Zuziehenden das Ankommen auf möglichst vielen Ebenen zu erleichtern. Unsre Unterstützung soll dabei immer Hilfe zur Selbsthilfe sein.
Auf dem Weg zum "Kompetenzzentrum" erhalten wir Unterstützung durch den Caritasverband für den Landkreis Kronach mit seinem Modellprojekt "Aktive Bürgerschaft". Die vorhandenen Aktivitäten im Thema Integration sollen für die Stadt und den nördlichen Landkreis weiterentwickelt werden.

Wie läuft das konkret ab?

Es gibt Kompetenz, die das Thema unterstützt, etwa die professionellen Beratungsangebote vom Diakonischen Werk, vom Jobcenter, von der KASA sowie die ehrenamtliche Unterstützung der Familienpaten, Wohnungshelfer und der Fahrdienste. Der "Runde Tisch Asyl" ist Motor dafür, die Angebote und Hilfen miteinander zu verzahnen. In dieses Räderwerk können und sollen in spe auch die Institutionen, die Vereine und Unternehmen eingewoben werden. Zum Beispiel haben wir auch schon Personalleiter von Firmen eingeladen, um mit ihnen über die Berufschancen für Flüchtlinge zu sprechen.

Jeder leistet seinen Teil zu einem größeren Netzwerk. Damit wird Ankommen und Dableiben für alle, Einheimische und Zugezogene, attraktiv.

Was ist die Aufgabe von Claudia Ringhoff, der Leiterin des Projekts "Aktive Bürgerschaft"?
Ich bin Frau Ringhoff sehr dankbar, dass Sie sich im Rahmen des Modellprojekts "Aktive Bürgerschaft" stark mit einbringt, mit dem Ziel, in Ludwigsstadt mehr Ehrenamtliche zu gewinnen - ausgehend von der Unterstützung zum "Kompetenzzentrum Migration und Integration" aber darüber hinausgehend auch für alle Vereine und Initiativen der Stadt. Die zu entwickelnden Aktivitäten sind ja nicht nur für Flüchtlinge da. So viel Aufwand für 100 Personen - das wäre verfehlt. Die Angebote sind für alle Ludwigsstädter, sie schließen keinen aus. Auch die Vereine und Verbände können und dürfen von den Flüchtlingen profitieren.

Außerdem wird in der Kronacher Straße gerade ein und leerstehendes Haus für Flüchtlinge durch die Stadt saniert. Rechnet sich das?
Im Rahmen des Programms "Leerstand nutzen - Lebensraum schaffen" fördert die bayerische Staatsregierung das Projekt mit über 300 000 Euro. Die weiteren rund 100 000 Euro sind ebenfalls kein Grund für Sozialneid. Wir lösen mehrere Themen gleichzeitig. Nur durch die Förderung war es realistisch, den Leerstand, zu sanieren. Und die Eigenmittel der Kommune sind in circa 15 Jahren bezahlt. Schließlich wohnen die Flüchtlinge dort ja nicht umsonst, wir haben Mieteinnahmen.

Sie tun in Ludwigsstadt sehr viel für Flüchtlinge, weshalb auch immer mehr davon nach Ludwigsstadt wollen. Wo ist die Grenze, wie viele verträgt Ihre 3500 Einwohnerstadt?
Wir dürfen die Ehrenamtlichen nicht überlasten, die gerade für die anerkannten Flüchtlinge viel leisten. Ihre Aktivitäten lassen nicht nach - eher im Gegenteil. Ich bin froh, dass es die Ehrenamtlichen gibt. Deshalb dürfen wir sie nicht verlieren. Und gewonnen haben wir, wenn sich die Flüchtlinge selbst aktiv ins Stadtleben mit einbringen. Daran arbeiten wir sehr konkret.

Wie viele Flüchtlinge können noch kommen?

Wir wollen nicht zum großen Flüchtlingsstandort werden. Konkret kann ich nicht bewerten, wie viele Flüchtlinge Ludwigsstadt verträgt. Was klar ist: Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass das Thema Flüchtlinge geklärt sei. Es geht weiter, beziehungsweise mit der Integration der Anerkannten erst richtig los. Vernünftige Diskussionen über Arbeitsplätze und Wohnungen sind wichtig, wobei immer die Würde der Menschen ernst zu nehmen ist.

Und warum schaffen Sie es in Ludwigsstadt?
Weil es die Ehrenamtlichen gibt, die sich so stark einbringen. Ohne dieses herausragende Engagement wäre die jetzige Qualität der Unterstützung nicht möglich.

Die Fragen stellte Andreas Schmitt