Lernen am PC statt auf der Schulbank

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Die Studienräte Tobias Kuhnlein (links) und Oliver Neuperth demonstrieren die Wirkungsweise des von Berufsschülern im Rahmen eines "Leuchtturmprojekts" geschaffenen Prototyps eines Not-Beatmungsgeräts.Heike Schülein
Die Studienräte Tobias Kuhnlein (links) und Oliver Neuperth demonstrieren die Wirkungsweise des von Berufsschülern im Rahmen eines "Leuchtturmprojekts" geschaffenen Prototyps eines Not-Beatmungsgeräts.Heike Schülein
Schulleiter Rudi Schirmer (links) und Studienrat Tobias Kuhnlein vor der hochintelligenten 4.0-Produktionsanlage. Für das Online-Lehrangebot bestand hier die große Herausforderung, die Schüler mittels eines digitalen Zwillings zu beschulen. Heike Schülein
Schulleiter Rudi Schirmer (links) und Studienrat Tobias Kuhnlein vor der hochintelligenten 4.0-Produktionsanlage. Für das Online-Lehrangebot bestand hier die große Herausforderung, die Schüler mittels eines digitalen Zwillings zu beschulen.      Heike Schülein
 
Die Studienräte Florian Brückner (links) und Thomas Böhm erläutern die E-Learning-Angebote für die Fachbereiche Elektronik und Mechatronik, die die Schüler über einen Shortlink bzw. QR-Code nutzen können.Heike Schülein
Die Studienräte Florian Brückner (links)  und Thomas Böhm erläutern die E-Learning-Angebote für die Fachbereiche Elektronik und Mechatronik, die die Schüler über einen Shortlink bzw. QR-Code nutzen können.Heike Schülein
 

Mobil lernen hieß es in den letzten Wochen für die Kronacher Berufsschüler. Dabei hilft ihnen ein umfassendes Online-Lehrangebot der Schule.

Nach der coronabedingten Schulschließung mussten Bildungseinrichtungen in ganz Deutschland den Unterricht nach Hause verlegen. Am Beruflichen Schulzentrum in Kronach gelang es dem Kollegium sehr schnell, einen neuen Unterrichtsalltag mittels eines umfassenden digitalen Lernangebots herzustellen.

"Unsere Lehrkräfte haben in den vergangenen Wochen Großartiges geleistet", würdigen Berufsschulleiter Rudi Schirmer und die Mitarbeiterin für die Schulverwaltung, Ursula Lieb. Bereits am Wochenende nach Anordnung der Schulschließung kamen Lehrkräfte zusammen, um gemeinsam Lösungen für die Fortsetzung des Unterrichts über Home-Learning zu finden.

Um die Umstellung auf Fernunterricht und den Aufbau einer digitalen Lernplattform schnell und sicher zu bewältigen, können Schulen Office 365 von Microsoft nutzen. An der Lorenz-Kaim-Schule wurde dies bereits im Februar 2019 eingeführt, so dass man auf eine derartige Krisensituation vorbereitet war. So gelang es dem EDV-Systembetreuer Stefan König schnell, die notwendigen Kommunikationsstrukturen aufzubauen und den Schülern Lehrmaterial zur Verfügung zu stellen. Alle Klassen erhielten über einen Link beziehungsweise einen QR-Code Zugang zu einem passwortgeschützten Bereich, in dem sie die für sie freigegebenen Ordner aufrufen können.

Interaktion mit den Schülern

Wichtig war es dem Kollegium dabei, den Lernenden nicht einfach Aufgaben zu geben. Stattdessen setzte man von Anfang an auf Interaktion mit den Schülern. Diese melden nicht nur die Lösungen zurück, sondern können Fragen stellen und Feedback geben. Obwohl das Unterrichten von Angesicht zu Angesicht natürlich fehle, sei - so die Lehrkräfte - das Engagement der Schüler trotzdem hoch, was das sehr gute Feedback belege.

Drei "Leuchtturmprojekte" der E-Learning-Angebote für die Fachbereiche Elektronik beziehungsweise Mechatronik finden sich unter dem Link https://bit.ly/2wW6F8S, so Schulleiter Rudi Schirmer. Hier gelangen die Azubis über die Oberfläche zu den Projekten Industrialisierung 4.0, die Vorbereitung auf die Gesellenprüfung der Elektroniker sowie die Projektierung eines Not-Beatmungsgeräts für an Covid-19 erkrankte Personen.

Hinter dem Projekt Industrialisierung 4.0 verbirgt sich das staatliche Förderprogramm "Industrie 4.0", in das das Berufliche Schulzentrum Kronach zusammen mit seiner Partnerschule, der Berufsschule Lichtenfels, aufgenommen wurde. Das Pilotprojekt will mittels einer hochintelligenten 4.0-Produktionsanlage die betriebliche Wirklichkeit in die Berufsschulen holen, erlebbar und greifbar machen. Die Einzelkomponenten befinden sich an der BS Kronach; beide Standorte sind digital miteinander vernetzt.

Eine intelligente Fabrik

Das Herzstück bildet eine intelligente Fabrik mit Kommunikation zwischen Produkt und Fertigungsanlage sowie Lieferanten und Kunden. "Die Herausforderung bestand jetzt dabei, die Komplexität der Anlage rein digital darzustellen und die Auszubildenden anhand von digitalen Zwillingen zu beschulen", erläutert Tobias Kuhnlein.

Für den Fachbereich Elektrotechnik konzipierten seine Kollegen Thomas Böhm und Florian Brückner ein Online-Angebot, bei dem die Azubis im zweiten Lehrjahr ihr Wissen rund um die im Sommer anstehende Gesellenprüfung erweitern und testen können.

Ein echtes "Leuchtturmprojekt" ist auch die Projektierung eines Beatmungsgerätes. Dabei schaffen die Mechatroniker aktuell einen Prototyp für ein Not-Beatmungsgerät im Austausch mit der Medizinischen Hochschule Hannover und in Zusammenarbeit der Firma MF Automation GmbH in Hallbergmos sowie Stephan Ulrich von der Wegard GmbH in Hamburg.

Italien gab den Anstoß

"Das Projekt war ursprünglich als solches gar nicht geplant", verdeutlicht Oliver Neuperth. Vielmehr entstand der Gedanke hierzu in der schlimmen Phase der Coronavirus-Ausbreitung in Italien. "Das Projekt war zunächst eine Idee, Menschen in Not zu helfen", informiert Neuperth. Ausschlaggebend waren die Bilder von kranken älteren Menschen auf Krankenbetten mit Beatmungsmasken und solchen, die eben keine hatten. Dadurch war der Gedanke naheliegend, ein Beatmungsgerät anzufertigen, das aus einfachsten Komponenten bestehend die Grundfunktion der Beatmung dauerhaft übernimmt. Zwischenzeitlich hat sich die Situation etwas entspannt und der Hilferuf nach Beatmungsgeräten verstummt. "Allerdings ist das Coronavirus derzeit beispielsweise in Afrika und Indien erst noch auf dem Vormarsch. Es ist also gut möglich, dass dort diese Geräte tatsächlich noch benötigt werden", betont Schulleiter Rudi Schirmer.

Das Beatmungsgerät sollte für den Gebrauch in der Notsituation Verwendung finden, ohne dabei dem Anspruch eines medizinischen Gerätes zu entsprechen. Es ist als Alternative gedacht, wenn keine adäquaten Beatmungsmöglichkeiten mehr vorhanden sind. Entwickelt werden sollte ein Gerät, dessen Komponenten verfügbar sind oder schnell bezogen werden können. Anwender sollten es problemlos und nahezu intuitiv einstellen und bedienen können.

Innerhalb kürzester Zeit ist ein Beatmungsgerät entstanden, das alleine mit einer Druckluftversorgung und - wenn notwendig - einem zusätzlichen Sauerstoffanschluss betrieben werden kann. Es besteht aus wenigen auf dem Markt verfügbaren Komponenten, die ohne spezielles Fachwissen zusammengefügt werden können - so aus einem pneumatischen Taktventil, einem Druckbegrenzungsventil, einem Beatmungsbeutel sowie einem besonderen Greiferfinger.

Die Herausforderung seitens der Lehrkräfte besteht laut Betreuerin der Berufsfachschule Hotel/Tourismus, Anja König , in der ganz unterschiedlichen Beschulung der Schüler. Nicht alle Azubis hätten vom Betrieb her die Möglichkeit eines Home-Learnings, so dass einige von ihnen ihre Aufgaben erst abends oder am Wochenende erledigen müssten. Es galt also ein Maß zu finden, das allen gerecht wird und gleichzeitig keinen überfordert.

Seit Montag findet nunmehr unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorschriften wieder Unterricht für die Auszubildenden statt, für die heuer eine Kammerprüfung ansteht. Dies betrifft die elften und zwölften Klassen, also über die Hälfte aller Schüler der Lorenz-Kaim-Schule.