Landkreis Kronach: Bündnis kritisiert Flächenfraß

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Zwischen Rothenkirchen und Pressig wurde auf der grünen Wiese ein neuer Supermarkt gebaut. Foto: Andreas Schmitt
Zwischen Rothenkirchen und Pressig wurde auf der grünen Wiese ein neuer Supermarkt gebaut. Foto: Andreas Schmitt
Der alte Supermarkt steht in Rothenkirchen leer. Foto: Andreas Schmitt
Der alte Supermarkt steht in Rothenkirchen leer. Foto: Andreas Schmitt
 

Jeden Tag werden in Bayern 13 Hektar Fläche verbaut - das sind etwa 18 Fußballfelder. Die Initiative "Betonflut eindämmen" möchte das ändern.

"Der Umgang mit dem Gut Fläche ist viel zu verschwenderisch - gerade auf dem Land, wo noch viel davon vorhanden ist", sagt Cordula Kelle-Dingel, Kreisvorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz (LBV). Als Paradebeispiel führt die Rothenkirchenerin gerne den Neubau des 2014 eröffneten Rewe-Markts an der B 85 zwischen Pressig und Rothenkirchen an. Keine 500 Meter vom ehemaligen Rewe auf Höhe des Rothenkirchener Sportplatzes entfernt.

Kelle-Dingel: "Der neue steht auf der grünen Wiese, obwohl der alte perfekt gelegen war - fußläufig aus dem Ort erreichbar und direkt an der Bundesstraße." Der LBV hat gegen die Flächenversiegelung mehrere ablehnende Stellungnahmen eingereicht - allerdings ohne Erfolg.


Sonst nur noch ein Supermarkt

"Die Vorteile überwiegen", findet Wolfgang Förtsch (SPD), Zweiter Bürgermeister und Vorsitzender
der Aktionsgemeinschaft des Marktes Pressig. "Rewe wäre gegangen, wenn wir den Neubau nicht ermöglicht hätten." Die Kommune wollte aber die Nahversorgung sichern. "Edeka und Aldi haben uns zuvor schon verlassen. Norma wäre dann der einzige größere Supermarkt gewesen."

Zwar sei die schlechtere fußläufige Erreichbarkeit - gerade im Hinblick des dortigen ASB-Seniorenzentrums - ein Nachteil für den Gemeindeteil Rothenkirchen. Aber, so Förtsch: "Der neue Rewe wird sehr gut angenommen - auch von Bürgern umliegender Gemeinden. Das Einzugsgebiet reicht bis Buchbach, Wickendorf und Teuschnitz."

Des Weiteren sorgt der Markt auch für Gewerbesteuereinnahmen. "Das ist bei jeder Ansiedlung ein Aspekt. Insbesondere, da bei uns nach der Grenzöffnung einige Unternehmen abgewandert sind", sagt Förtsch.


Kräfte ausbalancieren

Bürgermeister Hans Pietz (Freie Wähler) ergänzt: "Außerdem sind wir im Markt Pressig generell sehr zurückhaltend mit neuen Bauvorhaben und legen einen Schwerpunkt auf Lückenschlüsse und die Stärkung des Ortskerns." Seit 2012 gibt es dafür auch ein Förderprogramm. Pietz: "Wir müssen immer das Spiel der Kräfte zwischen den Interessen der Unternehmen und der Umwelt ausbalancieren. Ich persönlich war in diesem Fall heilfroh, dass wir mit Rewe einen Vollsortimenter halten konnten. Wenn jeder bis nach Stockheim hätte fahren müssen, wäre das für Umwelt auch nicht gut."

Cordula Kelle-Dingel versteht die Argumente der Kommunen, findet aber, dass sich die Kommunen von den Rückzugsdrohungen der Supermarkt-Ketten zu leicht einschüchtern lassen. "Der demografische Wandel wird nicht mit einem Wettrüsten bei der Ausweisung von Bau- und Gewerbegebieten gelöst werden." Weiterhin fordert sie: "Das mit den Gewerbesteuern muss anders gelöst werden. Sonst können die Kommunen weiterhin von den großen Ketten erpresst werden."
Schließlich ist Rothenkirchen, wo der alte Rewe nach rund drei Jahren des Leerstands mittlerweile von einer ortsansässigen Firma als Lagerhalle genutzt wird, kein Einzelfall.

Weitere Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit: In Küps ist die Norma im Januar nach 17 Jahren aus ihrer Immobilie ausgezogen. "Die Filiale ist zu klein geworden und wir haben keine Entwicklungsperspektive mehr gesehen", sagte das Unternehmen damals. Man wolle Küps nicht generell verlassen, benötige aber mehr Fläche.



Neubau-Überlegungen in Kronach


In Kronach gibt es, wie jüngst bekannt wurde, sowohl für den Schlachthof als auch für den Rewe Neubau-Überlegungen. "Beim Schlachthof sollte über einen Neubau am alten Standort mit Abriss nachgedacht werden", sagt Bürgermeister Wolfgang Beiergrößlein (Freie Wähler). Und zum Rewe, dessen neuer Standort in der Industriestraße rund 1,5 Kilometer vom alten entfernt sein soll, meint er: "Diesen Vollsortimenter wollen wir halten, nur der Real wäre mir zu wenig für unsere Stadt. Der neue Standort liegt in einem Bebauungsgebiet an der Bundesstraße, das bietet sich dort an."

Thomas Müller, Bezirksvorsitzender der ÖDP und Direktkandidat für die Landtagswahl im Stimmkreis Kronach/Lichtenfels, fordert eine Rückbauverpflichtung für leer stehende Supermärkte. "Bei Windkraftanlagen gibt es das. Da müssen Betreiber sogar eine Bankbürgschaft hinterlegen."
Doch nicht nur neue Supermärkte, auch Ortsumgehungen sieht er teilweise skeptisch. Laut Bundesverkehrswegeplan werde bei der Umfahrung von Zeyern ein 1,2 Kilometer langes Teilstück betoniert, das rückgebaut werden soll, sobald die Umgehung für Unter-/Oberrodach komme. Müller: "Der Mensch geht grundsätzlich vor. Aber hier spielt Versiegelung anscheinend gar keine Rolle."


Straßenbau in der Kritik


Eine andere Kritikerin des Flächenverbrauchs ist Edith Memmel."Viel sensibler", sagt die Kreisvorsitzende und Direktkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, müsse bei Bauvorhaben mit der Umwelt umgegangen werden. "Bevor man Orte krallenförmig auf die grüne Wiese erweitert, sollten alte Brachen im Ortskern aktiviert werden". Und auch den vierspurigen Ausbau der B 173 stellt sie in Frage."Die Zukunft ist das selbstfahrende Auto. Brauchen wir da überhaupt noch so breite Straßen?", fragt Memmel. "Drei Streifen reichen."