Kronacher Kinder in den "Endkampf" geschickt

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Links: Die Aufnahme vom April 1945 erinnert an die kurze Zeit der "Werwölfe" aus dem Landkreis Kronach und entstand nach der Gefangennahme der Nachwuchssoldaten. Ein amerikanischer Militärpolizist der 11. Armed Division hält dem damals 15-jährigen Philipp Reißenweber (Gemeinde Stockheim) die Hand. Der Schnappschuss. Rechts: Die Uniformverbrennung vor dem alten Kronacher Rathaus nutzten die Amerikaner zu Propagandazwecken in den USA.Repros: Gerd Fleischmann
Links: Die Aufnahme  vom April 1945 erinnert an die kurze Zeit der "Werwölfe" aus dem Landkreis Kronach und  entstand nach der Gefangennahme der Nachwuchssoldaten. Ein amerikanischer Militärpolizist der 11. Armed Division hält dem damals 15-jährigen Philipp Reißenweber (Gemeinde Stockheim) die Hand. Der Schnappschuss. Rechts: Die Uniformverbrennung vor dem  alten Kronacher Rathaus nutzten die Amerikaner zu Propagandazwecken in den USA.Repros: Gerd Fleischmann
Die Uniformverbrennung vor dem alten Kronacher Rathaus nutzten die Amerikaner zu Propagandazwecken in den USA.
Die Uniformverbrennung vor dem  alten Kronacher Rathaus nutzten die Amerikaner zu Propagandazwecken in den USA.
 

Der Krieg war bereits verloren - trotzdem sollten noch etwa 100 Jugendliche aus dem Landkreis Kronach als "Werwölfe" kämpfen.

Als vor 75 Jahren Hitler-Deutschland kurz vor dem Zusammenbruch stand, machte das menschenverachtende Nazi-Regime nicht einmal vor dem Einsatz von Schülern und Jugendlichen halt. Circa 200 000 Schüler schickten die Schergen von Adolf Hitler in den Krieg. Auch der Frankenwald blieb von diesem Wahnsinn nicht verschont. Im sogenannten "Endkampf" musste sich so mancher Jüngling urplötzlich auf das Soldatenleben einstellen. Etwa 100 Jugendlichen der Jahrgänge 1929/30 aus Burggrub, Haig, Haßlach, Stockheim, Neukenroth und Gundelsdorf erlebten als "Werwölfe" unter dem Kommando des 22-jährigen Gefolgschaftsführers Heinz Noll zwischen dem 8. und 15. April 1945 aufregende Tage. Philipp Reißenweber (Haßlach bei Kronach) erinnert sich: "Vor dem alten Kronacher Rathaus mussten wir unsere Uniformjacken ausziehen, die öffentlich verbrannt wurden. Am Sonntagnachmittag erfolgte dann endlich die Heimfahrt. Für uns war der Krieg damit zu Ende."

Marsch durch den Frankenwald

Die Odyssee führte sie vorher über Steinberg bis nach Mainleus. Mehrere Tage marschierten sie durch den Frankenwald. Sie wissen nicht, wo es hingeht, haben Hunger und Durst und werden von amerikanischen Jagdbombern beschossen. Dass dabei keiner sein Leben verliert, grenzt an ein Wunder. In den Krieg ziehen - was für ein Abenteuer; Kämpfen für den "Endsieg", das wollen sie auch.

Am 7. April 1945 werden sie wie Soldaten eingekleidet. Unterhosen, Socken, Schuhe, Uniform, Mütze, Rucksack - alles wird aus einem Lager in Sonneberg geholt und verteilt. "Nichts hat gepasst. Es war alles viel zu groß", sagt Otto Heinlein aus Stockheim heute schmunzelnd. Und so marschierten sie bereits am Abend hoch erhobenen Hauptes wie richtige Soldaten durch den Ort. Dass das "Abenteuer Krieg" gefährlich werden, vielleicht sogar tödlich enden könnte, daran denkt keiner. Voll bepackt brechen sie zwar unter dem Gewicht der schweren Rucksäcke fast zusammen, doch ihrer Begeisterung tut das keinen Abbruch.

Zunächst führt der Marsch nach Grössau. Gegen Abend werden sie mit Traktoren über Posseck und Gifting nach Steinberg gefahren und im Sägewerk Witzgall in Stroh und Heu einquartiert. Fast zwei Tage bleiben die "Werwölfe" in Steinberg. In stockdunkler Nacht marschieren die Jungs dann nach Kronach. Während die Bomber Stunde um Stunde über ihre Köpfe Richtung Nordosten fliegen, ziehen die Buben über Unterrodach und Großvichtach Richtung Stadtsteinach.

Das Knattern der Maschinengewehre der US-Jagdbomber reißt sie am Morgen aus dem Schlaf. Schubweise, in Gruppen von 15 bis 20 Mann, geht es auf Fuhrwerken zu einem Sammelpunkt in einem Wald zwischen Stadtsteinach und Guttenberg. In Stadtsteinach ziehen sie singend durch den Ort. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen die "Werwölfe" Guttenberg. Vor dem Schloss stehen viele Panzer. Doch langsam haben die Buben genug von dem Abenteuer. Fluchtpläne werden geschmiedet und die Gruppe trennt sich. Nach einem fast zwölfstündigen Gewaltmarsch erreicht ein Teil Stockheim.

Einige andere gerieten allerdings in Gefangenschaft. Im Kronacher Turnerheim war das Sammellager. Dort wurden die Jungen nach Mainleus gebracht, wo ihnen Verhöre bevorstanden. Philipp Reißenweber, Baptist Detsch und Heinz Noll wurden zur Kommandantur gebracht. Schnell konnten sich die Amerikaner von der Harmlosigkeit der jungen Truppe überzeugen.

Propaganda für die USA

Am Abend erhielten sie ein Verpflegungspaket mit Brot, Fleisch, Keks und Zigaretten. Nach der ersten Amizigarette ihres Lebens, am 14. April 1945, legte man sich auf dem Fußboden des Lagers zur Nachtruhe. Am Sonntag, 15. April, ging es wieder in Richtung Heimat. In Kronach luden die Amerikaner sie vor dem Rathaus ab. Dort mussten die Hitlerjungen ihre Uniformjacken ausziehen. Die Amerikaner verbrannten sie und die Jungen schauten zu. Lediglich Pullover und Hosen durften sie behalten. Anschließend landeten sie wieder glücklich zu Hause. Das Bild der Uniformverbrennung geisterte durch die amerikanische Presse. So hatten die Amerikaner nicht nur den Beweis, dass deutsche Kinder in den Krieg geschickt worden waren, sondern dass sie aus Freude über das Kriegsende auch ihre Uniformen öffentlich verbrannten - Letzteres entsprach nicht der Wahrheit.