Ein Kronacher will die Infrastruktur für Radfahrer im Landkreis verbessern. Er hat eine Internetseite erstellt, auf der jeder Probleme melden kann.
Wenn Hinrich Ruyter mit dem Rad fährt, dann ärgert er sich oft. Er findet, dass viele Radwege blockiert und die Fahrbahnen oft schlecht sind. Der Rentner aus Kronach ist häufig mit seinem Pedelec , einem Fahrrad mit Elektroantrieb, unterwegs. "Und da wundert man sich über manche Ecken. Als Radfahrer fühlt man sich im Landkreis oft nicht ernst genommen", schimpft Ruyter.
Gifting sei ein gutes Beispiel: Dort wurde eine Straße neugebaut. Radler kommen aber nur schlecht auf den Radweg Richtung Kronach, weil eine Leitplanke den Weg versperrt. Solche Problemstellen gebe es im Kreis viele, findet er. "Bevor man sich jedesmal ärgert, hab' ich gesagt: Da muss man eigentlich etwas tun!", sagt Ruyter.
Webseite listet "Rad-Orte" auf
Um die Region fahrradfreundlicher zu machen, hat er "Rad-Orte - Die Initiative für entspanntes Radfahren im Landkreis Kronach" gegründet. Anfang Mai ging das Internet-Meldeportal
www.rad-orte.de online. Ruyter hat die Webseite in Eigeninitiative erstellt. Dort werden Stellen gesammelt, die problematisch für Radfahrer sind. In einer Liste sind Standort und das jeweilige Problem beschrieben. Bilder zeigen die betroffene Stelle und es wird kommentiert, wie die Situation verbessert werden könnte. Bisher hat die Seite rund 50 solcher "Rad-Orte" aufgelistet.
"Die Idee ist, dass jeder sagen kann, was ihn stört", erläutert Ruyter. Jeder kann an dem Portal mitwirken und Problemstellen melden. Wenn einen Radfahrer etwas ärgert, dann kann er das aufschreiben und per Mail an die Initiative (
neuerort@rad-orte.de) schicken. Zusammen mit befreundeten Fahrradfahrern aus der Region bespricht Ruyter das Problem und pflegt es in den Online-Auftritt ein.
Ein Mitstreiter für die Initiative ist Peter Witton. Der Kronacher Stadtrat von den Grünen findet, vor allem innerorts gebe es viele "Rad-Orte". "Die Radwege außerhalb sind sehr schön, aber sobald Radfahrer in den Ortsbereich kommen, wird es schwierig", so Witton. Am Bahnhof in Kronach beispielsweise müsste ein barrierefreier Zugang zu den Gleisen geschaffen werden, findet Witton. Das käme nicht nur Radfahrern, sondern auch Rollstuhlfahrern und Menschen mit Kinderwagen zugute. Solche Probleme gebe es vielerorts, zum Beispiel auch in Steinbach am Wald oder in Zeyern.
Die Mängel an den Radwegen seien aber vielschichtig, findet Michael Kestel vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Im Kreis Kronach gibt es rund 400 Kilometer befestigte Radwege. "Doch das Radwegenetz müsste an vielen entscheidenden Stellen verbessert werden", findet der Vorstand vom ADFC Kreisverband Kronach. Die Zahl der Radfahrer könne verdreifacht werden, wenn bestimmte Ziele besser erreichbar wären. Jedoch sei keine der Schulen in Kronach an das Radwegenetz angebunden - genauso wenig wie das Rathaus, das Landratsamt und der Bahnhof.
Politik zum Handeln bewegen
Dass Radwege oftmals nur "Anhängsel" an Autostraßen seien, werde in der Industriestraße in Kronach deutlich. Dort hören die beidseitigen Radwege in Richtung Stadt plötzlich auf. Anschließend folgen Gehweg. Weil auf den Gehwegen häufig Autos parken würden, müssten Radler meist auf die viel befahrene Straße ausweichen.
Mit dem Meldeportal erhofft sich Ruyter, dass derartige Stellen in Zukunft verbessert werden. "Was mir vorschwebt, ist, dass wir dann an die Zuständigen rangehen, mit ihnen die Probleme durchsprechen, sehen wie sie reagieren und das dann auch ins Internet stellen", erläutert Ruyter. Durch diese öffentliche Aufmerksamkeit will die Initiative die Verantwortlichen zum Handeln bewegen. "Rad-Orte" soll eine basisdemokratische Initiative sein. Ruyter hat bereits den Landrat und den Bürgermeister informiert. Der Bürgermeister habe zugesagt, die Initiative zu beraten. Und der Landrat wolle zu einem gemeinsamen Gespräch mit dem ADFC, Straßenbauamt Bamberg, der Polizei, der Verkehrswacht und den Bürgermeistern einladen. "Es soll eine Art Straßenkonferenz werden", sagt Kestel.
Ruyter hofft, dass die Politik auf "Rad-Orte" und die dazugehörige Webseite reagiert, und dass der Landkreis dadurch fahrradfreundlicher wird. "Der Radfahrer kann seinen Frust abladen und die Hoffnung haben, dass wirklich etwas passiert", fasst Ruyter die Idee zusammen.
Kommentar: Aus eigenem Antrieb seine Ziele verfolgen
Bürger, die aus eigener Motivation etwas bewegen wollen, gibt es zu selten. Menschen wie Hinrich Ruyter, die außerdem den nächsten Schritt gehen, und konkrete Projekte in ihrer Kommune oder in ihrem Landkreis umsetzen, gibt es noch viel seltener. Das sollte sich ändern.
Denn Menschen mit kreativen Ideen, Mut und Gestaltungswillen bringen unsere Region nach vorne. Projekte wie das kürzlich gestartete "Rad-Orte" sollten wir uns zum Vorbild nehmen. Die Initiative beschreitet einen Weg, den es vorher in der Region nicht gab. Die Idee, eine Online-Meldeplattform für Probleme im Straßenverkehr einzurichten, ist nicht neu. Im Kreis Kronach ist sie bisher einmalig. Weder die Verantwortlichen, die für das Verkehrswegenetz zuständig sind noch Verbände oder Vereine haben so eine Webseite eingerichtet, sondern ein Rentner aus Kronach.
Ob das Portal etwas bewegt, steht in den Sternen. Es ist möglich, dass die Seite nicht genutzt wird. Vielleicht bleibt das öffentliche Interesse aus und kaum einer klickt auf
www.rad-orte.de. Und wenn Radwege verbessert werden, wird die Initiative dafür gewürdigt? Wohl eher nicht. Trotzdem ist das bürgerliche Engangement vorbildhaft. Denn vielen geht es so wie Ruyter: Sie ärgern sich regelmäßig über Dinge, die sie im Alltag stören. Viele nehmen es hin, einige beschweren sich, nur wenige handeln konkret und gehen neue Wege. Es sollte mehr Bürgerinitiativen geben, die vorweg gehen.
von Ronald Heck