Im Ramadan ist Merve mehr als sonst

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Christine und Merve sind seit der sechsten Klasse befreundet. Wenn sie sich in diesen Tagen in der Stadt treffen, darf Merve weder ein Eis essen, noch einen Schluck Wasser trinken. Mittlerweile hat sich ihr Körper aber schon an das Fasten gewöhnt. Foto: Sarah Dann
Christine und Merve sind seit der sechsten Klasse befreundet. Wenn sie sich in diesen Tagen in der Stadt treffen, darf Merve weder ein Eis essen, noch einen Schluck Wasser trinken. Mittlerweile hat sich ihr Körper aber schon an das Fasten gewöhnt.  Foto: Sarah Dann

Seit 18. Juni fasten viele Muslime. Wenn Ramadan ist, dürfen Muslime bis zum Einbruch der Dunkelheit nichts essen, nichts trinken. Wir haben uns umgehört, wie muslimische Kinder und junge Erwachsene im Kreis Kronach die Zeit erleben.

Wieso, weshalb, warum sind beliebte Anfänge von Kinder-Sätzen. Wenn der Nachwuchs etwas wissen möchte, sind selbst die Erwachsenen um Mama, Papa oder Erzieher oft überfragt. Ein Thema, das viele Kinder in diesen Tagen beschäftigt, könnte sein: "Warum essen Mama und Papa tagsüber gerade nichts?"

Auch in Deutschland halten sich in diesen Tagen nämlich viele Muslime an die Regeln des Ramadan. Einen Monat - 29 bis 30 Tage - verzichten Muslime aufs Essen, solange es hell ist. In dieser Zeit sind auch Rauchen und Geschlechtsverkehr verboten.

Nur muslimische Kinder, Kranke und Schwangere müssen nicht fasten. Für andere streng Gläubige gilt einen Monat lang, essen erst nach Einbruch der Dunkelheit. Der Ramadan hat in diesem Jahr am 18. Juni begonnen und dauert noch bis zum 16. Juli an.



Im Kindergarten gewohnt

"Spontan, wenn die Kinder kommen und fragen, dann erklärt man Ramadan situationsbedingt", erzählt Christiane Fiedler vom Kindergarten Regenbogen in Tettau. Aber eigentlich sind muslimische Traditionen und Brauchtum wie Ramadan "unter den Kindern kein Thema", so die Erzieherin weiter: "Bei uns ist das nix Neues mehr, wir haben seit unendlichen Zeiten türkische Kinder bei uns."

Die Erzieherinnen in Tettau bekommen vom Fastenmonat also nicht viel in ihrem Alltag mit. Ein Beschneidungsfest dagegen, das würden die Kinder schon eher mitbekommen, sagt Christiane Fiedler.


Religion kann verbinden

Im Bürgerspital in Kronach wirft der Fastenmonat den Speiseplan der überdimensionalen Wohngemeinschaft ganz schön durcheinander. Ab 21.26 Uhr dürfen die jungen muslimischen Männer erst speisen. Das zumindest zeigt die App von Mitarbeiter Florian Bätz an. Religion und die Auslegung des eigenen Glauben "prallt im Positiven wie im Negativen aufeinander", wenn sich junge muslimische Männer wie hier begegnen. Das weiß Fritz Glock, Regionalleiter der Rummelsberger, aus Erfahrung über das Zusammenleben.

Von der Moschee in Kronach haben die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Bürgerspital jedenfalls rechtzeitig zu Beginn des Fastenmonats einen Teppich bekommen, auf dem sie täglich gemeinsam beten können. Provisorisch steht in dem Gruppenraum noch eine Art kleiner Altar. Mitarbeiter Florian Bätz wurde bereits eingeladen, am abendlichen Gebet teilzunehmen. "Wie sie sich selbst organisieren", das fasziniert den jungen Mann.


Früh mitgemacht

Auf sich selbst gehört hat auch Merve Yalcin. Die 18-Jährige absolvierte vor Kurzem ihr Abi tur am Frankenwald-Gymnasium. Alt und erwachsen genug für Ramadan fühlt sie sich schon länger. Bereits mit sieben hat sie ein Schnupper-Fasten gemacht. Einen Tag nichts zu essen fiel ihr damals zwar noch recht schwer, trotzdem stellte sie sich ein Jahr später wieder der Herausforderung. Zwei Wochen hat sie als Achtjährige gefastet, um dann mit neun Jahren erstmals den kompletten Ramadan-Monat zu zelebrieren.

Wenn die angehende Studentin - entweder Medizin in der Türkei oder vielleicht doch Islamwissenschaften - heute über ihre Ramadan-Erfahrungen nachdenkt, dann glaubt sie schon, "dass es leichter gewesen wäre, wenn meine Mitschüler es verstanden hätten", sagt sie. Besonders die Grundschulzeit in Teuschnitz, in der sie sich auch schon für das Tragen eines Kopftuches entschieden hat, sind ihr in Erinnerung - nicht nur positiv. Bis auf ihre Schwester hatte sie damals keine muslimischen Mitschüler.

Heute laden sich die Muslime aus dem Kreis Kronach oft gegenseitig zum nächtlichen Fastenbrechen ein, wie Merve erzählt. Um 21.39 Uhr, nach oft 18 Stunden ohne einen Bissen, dürfen Muslime für sechs Stunden zugreifen. Doch: So viel passt dann gar nicht mehr in den Bauch. Das stellen sich viele oft falsch vor, sagt Merve Yalcin, die ansonsten von sich behauptet, sehr gerne zu essen.


Nicht nur auf Essen verzichten

Während dem Hungergefühl einen Monat lang nicht nachgegeben wird, stillt die überzeugte Muslima aus Teuschnitz eher seelische Dürste. "Im Ramadan kann ich mehr als sonst sein", sagt sie. Intensives Koranlesen, die Seele zurückhalten oder auf böse Worte verzichten, gehören für sie genauso dazu. Angesprochen, warum sie jetzt genau einen Monat lang nur am späten Abend mit der Familie isst, wird sie immer wieder.

Eine Paradeantwort auf diese eine W-Frage hat sie aber auch schon: "Im Ramadan habe ich Kraft, Dinge zu tun, die ich sonst nicht machen kann."