Eine Zeugin erzählt von einem Anmachversuch eines Ex-Polizisten aus Kronach. Die Staatsanwaltschaft Coburg wirft dem Mann unter anderem Vergewaltigung vor.
"Er hatte in der Polizei den Ruf eines Weiberhelden", so formulierte es der Sachverständige, Professor Dr. Norbert Nedopil von der forensischen Psychiatrie in München. "Er hat seine berufliche Aufgabe benutzt, um private intime Kontakte zu knüpfen." Der Angeklagte habe sich von Frauen angezogen gefühlt, sei aber sehr schnell auch überfordert gewesen, wenn es um Bindungsabsichten ging. Die Biografie des Kronachers sei auch mit verantwortlich dafür, dass der ehemalige Polizist ständig wechselnde Frauengeschichten gehabt habe.
Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und vorsätzliche Körperverletzung
Am mittlerweile siebten Verhandlungstag gegen einen 55-jährigen Ex-Polizisten aus Kronach, dem die Staatsanwaltschaft Coburg Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und vorsätzliche Körperverletzung vorwirft, kam der sachverständige Neurologe ausführlich zu Wort. Vom Gutachter, der zudem die Biografie des Kronachers detailliert schilderte, erfuhr das Gericht und die Öffentlichkeit wohl auch erstmals die Versionen des Angeklagten zu einigen der ihm vorgeworfenen Taten. Bisher schwieg der Angeklagte hartknäckig.
So soll er dem Sachverständigen geschildert haben, dass er einmal seine Ehefrau geohrfeigt habe, weil sie mit ihren spitzen Stiefelabsätzen absichtlich auf seinen am Boden liegenden Laptop herumgetrampelt habe. "Sie war angetrunken, es sei zum Streit gekommen, sie habe getobt", erklärte der Neurologe. Der Angeklagte habe ihm mitgeteilt, dass er seine dritte Ehefrau aufs Bett geworfen und geohrfeigt habe, nachdem sie mit ihren spitzen Absätzen auch nach ihm getreten und ihn getroffen habe. Weil sie aufgrund von Alkoholgenuss nicht mehr fahren konnte, habe sie anschließend bei dem Angeklagten auch übernachtet. Auch den Schlag auf die Nase seiner Frau in einem Auto kam vor dem Arzt zur Sprache: Zu dem Zeitpunkt sei seine Frau alkoholisiert gewesen und habe ihn mit Händen und Füßen attackiert, soll der Angeklagte geäußert haben. Im Rahmen seiner Abwehrbewegungen will er sie dann mit dem Handballen auf der Nase getroffen haben.
Zum Oralverkehr habe der Angeklagte seine Frau nicht etwa gezwungen, erklärte er dem Psychiater, sondern es sei einvernehmlicher Intimverkehr gewesen. Statt einer versuchten Vergewaltigung Mitte Januar 2017, wie es die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vorwirft, soll seine Frau mit intimen Berührungen auf ihn zugekommen sein. Weil er mit der Begründung abgelehnt habe, jetzt eine neue Partnerin zu haben, sei seine Frau wütend geworden. "Sie habe ihm angedroht, dass sie ihn fertigmachen werde", sagte der Gutachter. Zwar habe er die Schilderungen des Angeklagten manches Mal hinterfragt, erklärte er, "aber nicht wie ein Ermittlungsbeamter der Polizei".
Gutachter fand keinen Hinweis auf ernsthafte psychiatrische Störung
Vielmehr richtete der Neurologe sein Hauptaugenmerk auf das mögliche Vorliegen einer ernsthaften psychiatrischen Erkrankung und eine damit einhergehende eventuelle Schuldunfähigkeit. Das Ergebnis eines EEG, das die Störungen der Hirnströme maß, sei unauffällig gewesen, berichtete er. Eine hirnorganische Störung - der Angeklagte leidet unter einem gutartigen Hirntumor - sei nicht feststellbar. Der Kronacher habe auch keinen aus dem Rahmen fallenden Suchtkonsum und auch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung liege nicht vor. Der Angeklagte habe von "Parallelpartnerschaften" und rasch wechselnden Beziehungen berichtet. Der Sachverständige bescheinigte dem 55-Jährigen eine eher unreife Verhaltensweise und eine gewisse Labilität. Er verwandte den Fachbegriff "Donjuanismus". Es sei bei dem Angeklagten der Fall, dass er Frauen erobere, ohne diese Eroberung genießen zu können. Gleichzeitig zur Eroberung werde der Angeklagte zum Frauenverachter. "Das Erobern wird zum Hauptaspekt", sagte der Arzt, "das ist ein egoistisches Denken und Handeln." Der Angeklagte sei ein Mensch, der Frauen nicht wirklich lieben könne und aus der Eroberung sein Selbstwertgefühl ziehe. "Das ist keine Krankheit im klassischen Sinne", sagte Nedopil, "wobei aber eine Therapie durchaus helfen kann." Der Angeklagte habe allerdings keine Krankheit, der man ein "psychiatrisches Etikett" überstülpen könne.
Eine weitere Zeugin aus Kronach schilderte einen rund zwölf Jahre zurückliegenden Fall. Weil sie damals einen Ex-Freund hatte, der sie massiv belästigte und stalkte, habe sie wiederholt die Polizei gerufen und dabei auch den Angeklagten kennengelernt, sagte sie. "Irgendwann war er da und wollte mir an die Wäsche", gab die Frau an, "ich habe mich gewehrt und da ist er weg." Er habe versucht, sie zu küssen und zu "befummeln". Ihr Hund, ein Dalmatiner, sei dazwischen gegangen. Sie habe den Angeklagten dann aus ihrer Wohnung geworfen. Von der Verhandlung gegen den ehemaligen Polizisten habe sie erst vor einigen Wochen aus dem Radio erfahren, erklärte sie.
Eine weitere Frau erklärte, dass der Angeklagte bei den Frauen in Kronach bekannt dafür gewesen sei, öfters mal "Baggerversuche" zu landen. Auch bei ihr habe er das versucht.
Eine ehemalige Freundin des Angeklagten bezeichnete ihn als "Kontrollfreak". "Er wollte immer wissen, wo man ist und was man macht", sagte sie. Ihr gegenüber sei er allerdings nie handgreiflich geworden, gab sie an. Nur einmal habe er sie am Arm festgehalten und wollte sie nicht loslassen. "Das gab einen Handabdruck, den hat man ein paar Tage lang gesehen." Als sie die Beziehung aufgrund seiner vielen Frauengeschichten beendete, habe sie große Angst gehabt, weil er "immer irgendwo gestanden hat". Aus Angst vor ihm sei sie den ganzen Sommer nicht in ihrem am Waldrand gelegenen Garten gewesen, erklärte sie. "Er hat gesagt, dass er eine Waffe hat und sich nicht scheut, sie zu benutzen." Der Prozess wird am 9. Februar fortgesetzt.