So frisch wie die Sommerbrise am Abend war auch die Premiere der Kronacher Faust-Festspiele. "Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist überzeugte mit originaler Sprache und überraschte mit Dialekt und Pop-Rock.
Zwar nicht mit Monstern, dafür aber als teuflisch lüsterne Adaption des Rumpelstilzchens tanzte Rainer Gräbner gestern als Richter Adam durch die Kronacher Vollmondnacht beim Eröffnungsstück "Der zerbrochene Krug" auf der Festung Rosenberg.
"We danced with monsters through the night", schallte es um 22 Uhr aus den Lautsprechern... Was in der ersten Sekunde wie ein Technik-Patzer schien, entpuppte sich als übermütig mutige Abschlussszene, die nicht nur die 17 Nebendarsteller im Hintergrund zum Leben erweckte, sondern auch das Publikum auf die bevorstehende Premierenfeier einstimmte.
Bis auf die Einspielung des Radiohits "Best day of my life" von der US-amerikanischen Band American Authors hielt Daniel Leistner, Regisseur und Festspiel-Intendant, weitgehend an Heinrich von Kleists Vorlage aus dem frühen 19. Jahrhundert fest.
Wie Kleists Novelle Michael Kohlhaas spielt auch "Der zerbrochene Krug" mit der begrifflichen Auslegung von Recht und Gerechtigkeit: "Dem Krug soll Recht geschehen." Dass es nicht nur um ein kaputtes Tonbehältnis im Hause Rull ging, stellte die Klägerin, Frau Marthe Rull, gleich zu Beginn fest: "Dein guter Name lag in diesem Topfe", schimpfte die Löwen-Mutter in Richtung Tochter Evchen, die sowohl das Vertrauensverhältnis zu ihrem Zukünftigen als auch die Ehre einer Jungfer durch nächtlichen Herrenbesuch aufs Spiel zu setzen schien.
Mauschelei in der Dorf-Justiz Wer in der Tatnacht wen besucht hatte, offenbarte sich dem Zuschauer rasch. Ruprecht jedenfalls, Evchens Verlobter, war es nicht, der den Krug zerschepperte.
Die Rolle des anständigen Burschen - "das ist ein Kerl" - verkörperte Daniel Leistner zum Erstaunen einiger Sommerspiel-Stammgäste gewissenhaft zurückhaltend.
Für vorlaute Sprüche, haltlose Anschuldigungen und verzweifelte Ausreden war sich dagegen Richter Adam am Verhandlungstag von erster bis letzter Sekunde nicht zu schade. So weit sich die Schlinge der Indizien auch um seinen eigenen Kragen zog, so mustergültig verwandelte sich Rainer Gräbner vom "alten, erfahrenen Veteranen der Justiz" in einen perfiden Lustmolch, der - ähnlich wie sein biblischer Namensvetter - das Ziel verfolgte, in Evchens Bett zu fallen.
Zwei Damen im Männergewand - Heidemarie Wellmann als Gerichtsrat Walter, der zu Besuch im Dorfe war, und Julia Knauer als Schreiber Licht - durchschauten die Eskapaden des Justiz-Tölpels.
Während Wellmann gelassen ruhig den Premieren-Bühnenabend bestritt und sich als Gerichtsrat letztlich doch für Mauschelei entschied, um die Justiz vor einem Skandal zu bewahren, verstand Julia Knauer ihre Aufgabe, ihren Vorgesetzten tüchtig und integer zugleich vom Richterthrone zu stoßen. Etwas vorsichtiger war die Figur des Evchens, gespielt von Ida Engelhardt, zu genießen. Ob das Töchterchen wirklich so unschuldig und aufopfernd gesehen werden sollte wie inszeniert, muss jeder selbst bewerten. Die tragischen Momente um Evchen wurden jedenfalls meist von komischen Tobsuchtsanfällen des Richters Adam verschluckt.
Dialekt kommt an Sprachliche Ausbrecher erlaubte sich der Regisseur dann aber doch noch: Seine alles entscheidenden Zeuginnen ließ er fränkisch - gar kronacherisch - plaudern. In kabarettistischen Zügen wurde der Richter Adam endlich von den Tanten des Verlobten überführt. So unvermittelt und derb den Zuschauern der Dialekt aufgezwungen wurde, so begeistert nahmen sie die Interpretation von Leistner an.