Eine heiße Angelegenheit

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Die drei Glashütten im oberen Frankenwald benötigen so viel Strom wie die Städte Bayreuth, Bamberg und Coburg zusammen. Die Energiewende stellt die hiesige Glasindustrie daher vor einige Herausforderungen. Foto: Archiv/Veronika Schadeck
Die drei Glashütten im oberen Frankenwald benötigen so viel Strom wie die Städte Bayreuth, Bamberg und Coburg zusammen. Die Energiewende stellt die hiesige Glasindustrie daher vor einige Herausforderungen.  Foto: Archiv/Veronika Schadeck
 

Ein eigenes Kraftwerk für den Frankenwald? Derzeit gibt es einige Vorschläge, wie sichergestellt werden kann, dass die Glasindustrie auch nach der Energiewende mit ausreichend Strom versorgt wird. Doch die Unternehmen sind skeptisch.

Die Entscheidung ist gefallen: Spätestens ab Ende 2038 soll in Deutschland aus Kohle kein Strom mehr gewonnen werden. Darauf verständigte sich am Samstag die von der Regierung eingesetzte Kohlekommission. Als nächsten Schritt werde es nun eine Fortschreibung der Energiewende geben, sagt Bundestagsabgeordneter Hans Michelbach (CSU). Dabei werde man sich auch mit der Energieversorgung, Stromschwankungen und bezahlbaren Energiepreisen auseinandersetzen: "Es kommt alles auf den Prüfstand."

Industrieforum in Tettau

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Mit diesen Fragen beschäftigen sich seit langem auch die energieintensive Glasindustrie im oberen Frankenwald, die heimische Politik und nun auch die Industriegewerkschaft Bergbau Chemie und Energie (IG BCE). Denn immerhin stehen in der heimischen Glasindustrie rund 5000 Mitarbeiter in Lohn und Brot. Und die drei Glashütten Heinz-Glas, Gerresheimer Tettau sowie Wiegand-Glas benötigen so viel Strom wie die Städte Bayreuth, Bamberg und Coburg zusammen.

"Die Politik redet unsere starke Wirtschaft kaputt", schimpfte der Bezirksleiter der IG BCE Oberfranken, Holger Kempf, bei der Jubilarehrung von Gerresheimer Tettau vor wenigen Wochen.

Vergangenen Donnerstag kündigte er bei der Jubilarehrung von Wiegand-Glas an, dass am 6. April ein Industrieforum in der Festhalle Tettau stattfindet. Ein Novum. Zu dieser Veranstaltung hat der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, sein Kommen zugesagt, und auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) wird erwartet. "Wir hoffen auf seine Zusage", sagt Kempf.

Inhaltlich soll es um das Thema Energie, um Standortsicherung der Glasindustrie gehen. Gemeinsam mit Betriebsangehörigen sowie der Geschäftsführung von Heinz-Glas, Gerresheimer Tettau und Wiegand Glas will die Gewerkschaft nach Lösungen suchen, wie die Energiewende ohne Verlust von Arbeitsplätzen bewältigt werden könnte.

Die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier (CSU) hält die Ausgestaltung des physikalischen Pfads nach deutschem Modell für benachteiligend gegenüber Unternehmen, die weit entfernt von einem Grundlastkraftwerk sind.

Das trifft auch auf die Glasindustrie zu. Es müsse über eine Kappungsgrenze gesprochen werden, die dafür Sorge trage, dass energieintensive Unternehmen, die weit von einem Grundlastkraft liegen, nicht zur Umsiedlung wegen völlig überhöhter Energiepreise gezwungen werden. Sie kann sich langfristig ein grundlastfähiges Kraftwerk im Frankenwald vorstellen. Dies hätte zur Folge, dass die große Entfernung zum nächsten Grundlastkraftwerk - also der physikalische Pfad - wegfallen und somit auch Energiekosten gesenkt werden könnten.

Glaswannen als Speicher

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Aktuell halte er ein Grundlastkraftwerk mit Gas für unrealistisch meint allerdings der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner (CSU). Man müsse dafür Sorge tragen, dass die Stromnetze stabil bleiben. Durchaus kann sich Baumgärtner vorstellen, Glaswannen als Speicher zu nutzen. Er habe allerdings seine Zweifel, ob da die regenerative Energien ausreichen würden.

"Mit Gas betriebene Grundlastkraftwerke sind derzeit zu teuer", findet Michelbach. Man solle zuvor das Verhältnis bei den Kosten bei einem Grundlastkraftwerk und beim "physikalischen Pfad" ermitteln. Er setze zuerst auf die Fortschreibung der Energiewende. Und was will er nun alles auf den Prüfstand stellen? Möglich wäre es beispielsweise, dass die Regelung mit dem "physikalischen Pfad" abgeschafft beziehungsweise anders gestaltet werden, so Michelbach.

Auf Stromimporte angewiesen

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Ein Grundlastkraftwerk würde vor allem die sehr wichtige Versorgungssicherheit verbessern, findet Jörg Ultsch von Heinz-Glas. Es sei Fakt, dass die installierten Kraftwerkskapazitäten in Bayern nicht ausreichend seien, um den Strombedarf der privaten und industriellen Verbraucher zu sichern. Von daher sei auch der Frankenwald auf Stromimporte aus anderen Ländern angewiesen. Ein weiterer Aspekt sei, dass ein Grundlastkraftwerk in der Region den Bedarf an weiteren Stromtrassen reduzieren könnte.

Der Geschäftsführer von Wiegand-Glas, Nikolaus Wiegand, erinnert an einen Besuch in der Bayerischen Staatskanzlei mit den heimischen Abgeordneten im vergangenen Jahr. Dabei sei erklärt worden, dass der ländliche Raum nicht benachteiligt sei. Fakt sei aber, dass durch die derzeitige Auslegung des physikalischen Pfads die Region benachteiligt ist.

Nur 35 Kilometer

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Hier könne ein Grundlastkraftwerk zwar Abhilfe schaffen. Aber auch dies wäre mit Kosten verbunden, die wiederum auf die Verbraucher umgelegt werden würden. Er habe schon vor fünf Jahren den Vorschlag unterbreitet, im Frankenwald das Pumpspeicherwerk Goldisthal im Thüringer Schiefergebirge als Grundlastwerk nutzen. Dadurch könne der physikalische Pfad enorm reduziert werden, ist er überzeugt. Schließlich wären es nach Goldisthal nur rund 35 Kilometer.

Dieser Meinung würde sich sich auch Bernd Hörauf anschließen. "Ein Grundlastwerk in der Nähe würde alles ändern", sagt der Werkleiter des Tettauer Gerresheimer-Werks. "Aber so etwas wird nicht kommen!"