Positiver Effekt
Was die Außenwirkung des neuen G9 angeht, freut sich Weichert über eine positive Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. "Das Gymnasium wird nicht mehr gleichgesetzt mit dem Ausruf: ,Hilfe, mein Kind hat vollgeknallte Nachmittage!‘", sagt Schulleiter Weichert. "Das Gespenst des Nachmittagsunterrichts in der fünften und sechsten Klasse hat sich aufgelöst."
Auch wenn die Jugendlichen im G8 - trotz mehr Nachmittagsunterrichts - immer erstaunlich viel Engagement über das schulische Pflichtprogramm hinaus gezeigt hätten, böten sich nun doch größere Möglichkeiten - für Wahlunterricht, Vereinsaktivitäten, aber auch für Hausaufgaben und Lernen.
Lehrplan für das G9 ist bereits bis zur 10. Klasse genehmigt
Schulleiter Harald Weichert vom Kronacher Frankenwald-Gymnasium weist darauf hin, dass es "keinen kausalen Zusammenhang" gibt, dass nach der "Mittelstufe Plus" ausgerechnet wieder ein neunjähriges Gymnasium heranwächst und das achtjährige verschwindet. Bei der Einführung des Projekts sei diese Entwicklung noch nicht absehbar gewesen. Im Nachhinein betrachtet hat sich die Mittelstufe Plus jedoch ohne Zweifel zu eine Triebfeder für ein Umdenken über Bayerns Bildungswesen gemausert.
Wir fragten im Kultusministerium des Freistaats nach, was man heute zur Mittelstufe Plus sagt. Ministeriumssprecher Daniel Otto antwortete. Sind alle Projektschulen der Mittelstufe Plus bis jetzt treu geblieben?
Daniel Otto: Von den insgesamt 47 Pilotschulen in Bayern werden im Schuljahr 2019/2020 an 46 Pilotschulen Schülerinnen und Schüler die Mittelstufe Plus absolvieren. Lediglich ein Gymnasium ist bereits vor einigen Jahren aus schulorganisatorischen Gründen aus dem Schulversuch ausgeschieden.
Gibt es Zahlen, wie viele Schüler in den vergangenen Jahren den Regelzug, wie viele die Mittelstufe Plus gewählt haben?
Der prozentuale Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mittelstufe Plus besuchen, kann bayernweit unter anderem aus schulorganisatorischen Gegebenheiten variieren. An den teilnehmenden Schulen lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mittelstufe Plus besuchen, im ersten Schuljahr 2015/2016 bei circa 59 Prozent und im Schuljahr 2017/2018 bei circa 67 Prozent. Im nun beginnenden Schuljahr 2019/2020 wird der Anteil auf 75 Prozent steigen.
Wie schwer schätzen Sie es ein, wenn ein Schüler jetzt sitzen bleiben würde und dadurch ins neue G9 zurück müsste?
An der "Schnittstelle" zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium bestehen die Regelungen zum Vorrücken und Wiederholen unverändert weiter. Damit stehen den Schulen auch im letzten G8-Jahrgang, das heißt, der derzeitigen Jahrgangsstufe 7, die bewährten pädagogischen Instrumente zur Verfügung, um im Falle eines Nichterreichens des Klassenziels die für die Schülerin beziehungsweise den Schüler individuell beste Lösung zu finden. Ob zum Beispiel ein Vorrücken auf Probe, eine Nachprüfung oder das Wiederholen einer Jahrgangsstufe - verbunden mit einem Wechsel ins G9 und einem "Neustart" dort - sinnvoll erscheint, kann hier stets nur für den Einzelfall entschieden werden. Die Schulen wurden hierfür frühzeitig sensibilisiert. Das Staatsministerium unterstützt die Schulen im Umgang mit der "Schnittstelle" unter anderem auch dadurch, dass zusätzliche Lehrer-Wochenstunden zugewiesen wurden. So sollen leistungsschwache Schülerinnen und Schüler des letzten G8-Jahrgangs gezielt individuell gefördert werden. Diese Lehrer-Wochenstunden werden im letzten G8-Jahrgang zum Beispiel in Kernfächern zur Sicherung und Festigung von Grundkenntnissen eingesetzt werden.
Wie erfolgt die Fortschreibung des neuen G9-Lehrplans: auf Augenhöhe mit der Ausdehnung dieses Systems oder schon im Vorgriff auf spätere Klassenstufen?
Das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung wurde im August 2017 beauftragt, den für das neue neunjährige bayerische Gymnasium gültigen Lehrplan-Plus mit Ausnahme der Jahrgangsstufe 5, die unverändert blieb, im Hinblick auf die neunjährige Lernzeit und folgende Schwerpunktsetzungen beziehungsweise Ziele zu überarbeiten: Sicherung der Qualität der Hochschulreife, Vertiefung des Kompetenzerwerbs als zentrales pädagogisches Charakteristikum, Stärkung der digitalen Bildung, Stärkung der politischen Bildung, Stärkung der beruflichen Orientierung. Wie macht sich dabei das eine Jahr mehr als im G8 bemerkbar?
Die Einführung einer neunjährigen Lernzeit eröffnet für die Ausgestaltung des Lehrplans zusätzliche konzeptionelle Möglichkeiten. So wurde bei der bisher erfolgten Überarbeitung des Lehrplans - der überarbeitete Lehrplan-Plus für die Jahrgangsstufen 6 bis 10 ist bereits genehmigt - eine sensible Abwägung zwischen Vertiefung und Wiederholung bereits vorhandener und der Aufnahme zusätzlicher Inhalte im Sinne eines vertieften Kompetenzerwerbs getroffen.Wo es angezeigt schien, wurden Kompetenzerwartungen neu formuliert oder gegebenenfalls samt den zugehörigen Inhalten in die nächsthöhere Jahrgangsstufe verlagert. Dabei wurde sorgfältig auf die Passung zwischen dem Alter der Schülerinnen und Schüler sowie der Gestaltung des Lehrplans geachtet.