Gespräche mit den Teilnehmern bestätigten das: "Wir wissen noch gar nicht, welche Auswirkungen die ganzen Maßnahmen auf die Psyche der Menschen haben. Es werden immer nur die Toten und die Infizierten gezählt, und diesen Zahlen kann man nicht trauen. Was wir aber wissen: Die Regierung ist dabei, die Wirtschaft zugrunde zu richten - und uns gleich dazu."
Spätestens ab da stand fest, dass die Menschen auf der Tribüne nicht gekommen waren, um an einer "Samstag-Nachmittagsbespaßung" teilzunehmen; reale Ängste hatten sie an diesen Punkt geführt. Ängste, die ihnen von Politikern nicht genommen werden konnten. Von Politiker, die zwar davor warnen, diesen Verschwörungstheorien Glauben zu schenken, die aber offenbar selbst zu wenig Präsenz zeigten, zu wenig Hoffnung machten und vor allem zu wenig erklärten und zu wenig aufklärten, um Verschwörungstheorien den Nährboden zu nehmen.
Etwa 300 Meter entfernt von der Kundgebung der Corona-Rebellen fand eine Gegendemonstration statt. Dort trat Peter Witton als Veranstalter auf. Schon bei der ersten Demo der "Corona-Rebellen" hatte er versucht, mit einem Schild auf sich aufmerksam zu machen. Er war auch hartnäckig geblieben, als die Veranstalter versucht hatten, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen. Jetzt hatte er sich also zur Gegenveranstaltung entschieden und dafür etwa 40 Mitstreiter aktivieren können. Sie hatten sich am Eingang des LGS-Geländes versammelt. Dort richtete sich die Stimmung anfangs vor allem gegen "Aluhut-Träger" und "Verschwörungstheoretiker".
Ruhig blieb Witton selbst. Auch er sprach von "harten und entbehrungsreichen Einschränkungen", die er aber für absolut notwendig hielt. "Die Beschränkungen verhindern einen Kollaps unseres Gesundheitssystems und retten viele Leben." Er sprach von geringeren Fallzahlen in Deutschland und zog Parallelen zur Influenza-Welle 2018.
"Damals hatten wir etwa 25 000 Tote durch Influenza. Allerdings ist diese Zahl irreführend, weil man einfach festgestellt hatte, wie viele Menschen in diesem Zeitraum normalerweise sterben. Das, was darüber hinausging, hat man der Influenza zugerechnet. Getestet wurden aber nur etwa 1700 Personen." Es habe auch keine Gegenmaßnahmen gegeben.
Sehr infektiös
Corona sei etwa dreimal so infektiös. "Leider sind zu wenig Menschen richtig informiert. Sie lassen sich von Fake News in die Irre treiben und gehen auf Barrikaden, die gar nicht vorhanden sind", betont Witton. "Freiheit hat ihre Grenzen da, wo sie andere schädigt."
Witton erklärt nochmal anhand eines Plakates die Problematik, wie schnell man sich ohne Masken anstecken kann. Allerdings warnt auch er: "Tragt sie bitte nur da, wo es Sinn macht. Und das ist nicht der Fall, wenn ich alleine im Auto unterwegs bin oder mit dem Fahrrad. Tragt sie vor allem in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln." Am Ende stellt er fest: "Es gibt eine Übersterblichkeit durch Covid 19, die man einfach nicht verleugnen kann."
Warum beide Demonstrationen auf dem Kronacher LGS-Gelände stattfanden und man die Gegendemo nicht ausgelagert hatte, erklärt der zuständige Sachgebietsleiter am Landratsamt, Herbert Eisentraudt "Wir haben das mit der Polizei und dem Gesundheitsamt abgesprochen. Die Veranstalter der Gegendemo wollten ausdrücklich an diesen Ort. Im Zuge der Versammlungsfreiheit mussten wir das möglich machen."
Eisentraudt hatte von Anfang an auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen und deren Vernunft gesetzt. Ein paar verbale Entgleisungen müsse man dabei aber eventuell einkalkulieren und hinnehmen. "Es kann schon vorkommen, dass manche ihren Takt verlieren."
Der Dienststellenleiter der Kronacher Polizei, Matthias Schuhbäck, meinte dazu: "In einer Gegendemo darf man seinen Willen kundtun, deshalb auch die räumliche Nähe. Wir haben freie Meinungsäußerung. Wir als Polizei schützen und gewährleisten das Versammlungsrecht einer jeden Person." Bevor es rivalisierende Gruppen gebe, die aufeinandertreffen, wäre die Polizei da.
Doch zurück zu den Demonstranten: Ungeachtet dessen, wie man zu den beiden Gruppierungen steht, muss man sich letztlich fragen, was jetzt schon an zwei Wochenenden so viele Menschen bewegt, auf die Straße zu gehen? Menschen, überwiegend aus der Mittelschicht, die auf Antworten warten.