Arthur Bosle aus Nurn setzte sich persönlich für die Freilassung Gustl Mollaths aus der Psychiatrie ein - und das obwohl die beiden Männer sich überhaupt nicht kennen. Nur Briefe haben sie gewechselt. Jetzt ist Mollath frei - und Bosle überglücklich.
Sie sind nicht verwandt. Nicht verschwägert. Sind sich noch nie begegnet. Haben sich noch nie gesprochen. Kennen sich nicht. Und trotzdem hatte Arthur Bosle keine Ruhe. Engagierte sich. Setzte sich ein. Ließ nicht locker. Gustl Mollaths Schicksal ließ ihn nicht mehr los. "Ich kann dieses Unrecht einfach nicht ertragen", begründete er gestern Vormittag sein Engagement für die Entlassung Mollaths aus der Psychiatrie. Noch nichtsahnend, dass die früher bevorsteht, als er denkt. Nur wenige Stunden später war es nämlich tatsächlich so weit. Völlig überraschend. Völlig unerwartet.
Bosle traute seinen Ohren nicht, als er davon hörte. Sofort schaltete er den Fernseher ein, wollte sich vergewissern. Und tatsächlich: Mollath ist frei, darf die Psychiatrie verlassen. Das Verfahren wird neu aufgerollt. Bosle kann es nicht glauben. So lange hatte er auf diesen Tag gewartet, damit gerechnet hatte er aber vorerst nicht. "Das ist die lang ersehnte Gerechtigkeit. Der Kampf hat sich gelohnt", sagt er ganz aufgeregt, während die Nachrichten im Hintergrund weiter laufen.
Schokolade für Mollath
Vor drei Wochen war das überhaupt noch nicht vorherzusehen. Da setzte sich Bosle noch in sein Auto. Er wollte Mollath kennenlernen. Von Nurn, wo Bosle wohnt, fuhr er bis nach Bayreuth in die Forensische Klinik, wo Mollath untergebracht war. Block FP4, sagte man ihm an der Pforte. Sehen konnte er Mollath allerdings nicht. "Dazu hätte ich mich 24 Stunden vorher anmelden müssen", bedauert der Elektromeister.
Doch die Fahrt war nicht ganz umsonst. Wenn er ihn schon nicht treffen konnte, wollte Bosle ihm wenigstens etwas da lassen: sechs Bananen, sechs Apfelsinen und drei Tafeln Schokolade - zwei Bodyguards kümmerten sich um die Übergabe. Eine Flasche Limonade und eine Flasche Bier musste er behalten, beides war nicht erlaubt. Mit zu Mollath nahm er außerdem einen Kommentar, der im Juli im Fränkischen Tag erschienen war, sowie einen selbst verfassten Brief. "Die ganze Angelegenheit stinkt zum Himmel" oder "Wenn die bayerische Justiz nicht in der Lage ist, richtig zu urteilen, dann leben wir in einem Bananenstaat", schreibt Bosle darin unter anderem.
Von Mollath kam prompt eine Antwort. Handschriftlich: "Vielen herzlichen Dank für Ihren Brief und Ihre freundliche Unterstützung. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und nur das Beste."
Wenige Tage später schrieb Bosle ihm erneut, erzählte ihm, dass er beim Besuch Horst Seehofers in Neufang demonstrieren werde. Für seine Freilassung. Für die Wiederaufnahme des Verfahrens. Und das tat er auch. Mit einem großen Schild stellte er sich vergangenen Freitag vor den Feststoudl. "Ich habe viel Zuspruch bekommen. Viele haben mir die Hand gegeben und mir auf die Schulter geklopft", freut sich Bosle. Zwischenzeitlich habe ihn die Polizei zwar festnehmen wollen - CSU-Landtagskandidat Jürgen Baumgärtner ging aber dazwischen, klärte die Situation, verhinderte den Platzverweis für Bosle.
Unverständnis und Wut
"Recht herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und Ihre Solidarität. Mit Schwachstrom und Kurzschluss kann man nur im öffentlichen Dienst glänzen. Es fehlen die Sicherungen. Es wird Zeit für ein ordentliches Handwerk", antwortet Mollath, nunmehr ein zweites Mal, kurz darauf an Bosle - wohl mit Bezug auf dessen Beruf in der Elektrobranche. Und unter diesen Zeilen setzte er noch ein Zitat von Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Vielen Dank für jede gute Tat."
Von Anfang an, seit 2006, verfolgt Bosle den Fall Mollath. Dass das Landgericht Regensburg im Juli die Wiederaufnahmeanträge des Verfahrens sowohl der Verteidigung, als auch der Staatsanwaltschaft Regensburg abgelehnt hatte, konnte er nicht nachvollziehen. Das machte ihn wütend. "Dass in einer Demokratie, noch dazu in Bayern, so etwas überhaupt möglich ist! Aber wenn die Großen nichts machen, was sollen dann bitte die Kleinen machen?"
Briefe an Seehofer, Merk und Co
Unverständnis hatte er besonders einer Person gegenüber:"Merk hat gesagt, sie will der Justiz nicht vorgreifen. Aber wozu brauchen wir eine Justizministerin, wenn sie überhaupt nichts zu sagen hat?" Seine Wut darüber wollte er nicht länger für sich behalten. Bosle wollte aktiv werden. Etwas tun. Nicht nur zusehen. Mehrere Briefe hat er deshalb geschrieben. An den bayerischen Ministerpräsident Seehofer und die bayerische Justizministerin Merk gingen unter anderem folgende Sätze: "Ich schäme mich, in Bayern zu wohnen. Bayern ist ein Bananenstaat." Auch an Michael Zappe, den stellvertretenden Leiter der Forensischen Klinik in Bayreuth, sowie an Gerhard Strate, Mollaths Verteidiger, wandte er sich schriftlich. Antwort hat er bisher allerdings von keiner Seite. Doch das ist jetzt auch nicht mehr wichtig. Mollath ist frei. Das ist die Hauptsache. "Wenn ich mit meiner Wenigkeit doch dazu beigetragen habe, dann freut mich das", sagt Bosle.
Zur Entlassung beigetragen hat aber vor allem die CSU - glaubt Bosle. Der Druck - kurz vor der Landtagswahl - wurde ihm zufolge vielleicht doch zu groß. Das Schild des Elektromeisters, das er beim Seehofer-Besuch noch in den Händen hielt und das seitdem in seinem Laden steht, will er jetzt jedenfalls ändern. Von "CSU wählen, nur wenn Mollath vor der Wahl in Freiheit ist" in "CSU wählen, Mollath ist frei".
Jetzt ist er aber erst einmal gespannt, wie es weitergeht mit dem Fall Mollath. Den wird er auf jeden Fall weiter verfolgen. "Hoffentlich rollen ein paar Köpfe. Die halbe Welt weiß, dass er unschuldig ist", sagt Bosle. Mollath selbst würde er gerne nochmal kontaktieren. Vorher rechnet er aber mit Post von Mollath. Da ist er sich ganz sicher: "Ich bin überzeugt, dass er mir schreiben und sich bei mir bedanken wird."