Was ist ein guter Lehrer?

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Unterricht: Wenn die Chemie zwischen Lehrer und Schülern stimmt, lässt es sich für alle Beteiligten besser arbeiten. Foto: Armin Weigel (dpa)
Unterricht: Wenn die Chemie zwischen Lehrer und Schülern stimmt, lässt es sich für alle Beteiligten besser arbeiten.  Foto: Armin Weigel (dpa)

Sie sollen junge Menschen ausbilden. Doch sind sie selbst gut ausgebildet? Der Beruf Lehrer im Fokus.

43 Jahre lang war Ortwin Klau Lehrer. Er hat viel gesehen und viel erlebt. "Ein Lehrer sollte fähig sein, den Schüler als Person wahrzunehmen und ihm Wertschätzung entgegen zu bringen", sagt er. Fähigkeiten, die jeder angehende Lehrer per se mitbringt? Norbert Seibert, Lehrstuhlinhaber für Pädagogik an der Uni Passau, widerspricht. Bis zu 40 Prozent der Lehrer seien für diesen Beruf eigentlich ungeeignet, behauptet er in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Eine Zahl, die nicht nur Ortwin Klau verwundert.

Die Uni Passau sondiert in ihrem freiwilligen Eignungstest, ob angehende Pädagogik-Studenten von ihrer Persönlichkeit her das Potenzial haben, gute Lehrer zu werden. Fünf Grundeigenschaften sind laut Seibert dafür nötig: Extraversion, also eine nach außen gewandte Haltung, Neugierde, Gewissenhaftigkeit, Offenheit sowie starke Nerven.
Viel zu oft, so sein Vorwurf, würden junge Menschen Lehramt nur aus Verlegenheit studieren. Und dann würden sie auf die wertvollste Ressource des Landes, die Kinder, losgelassen.

Tatsächlich ist der Status des Lehrers in Ländern wie der Schweiz oder Schweden weitaus höher als in Deutschland. "Hierzulande hat man schon den Eindruck, dass manche Lehramtsstudenten nicht recht wissen, welchen Studiengang sie eigentlich wählen wollten", sagt Dr. Britta Schmidt vom Zentrum für Lehrerbildung an der Uni Würzburg. Eine Erfahrung, die auch Stephanie Reuver-Schell gemacht hat, als sie an der Uni Seminare für Lehramtsanwärter gegeben hat. Gerade die späteren Gymnasiallehrer hätten sich oft über ihr Fach definiert, weniger über die Pädagogik.

Keine ideale Ausgangslage für einen Beruf, der mit viel Stress verbunden sein kann. "Lehrer sind ja nicht nur wechselnden Schülergruppen und Altersstufen ausgesetzt, sondern müssen sich auch mit Eltern besprechen und haben, gerade auf dem Land, noch eine Vorbildfunktion", erinnert Schmidt. Ergibt eine möglichst frühe Auswahl dann nicht erst Recht Sinn?

Die Leiterin des Zentrums für Lehrerbildung ist skeptisch. Sie gibt zu bedenken, dass sich Lehramtsanwärter im Laufe ihrer Ausbildung durchaus entwickeln können. "Es muss Platz für diese Entwicklungen geben", fordert sie. Die Persönlichkeit des angehenden Lehrers sei zwar nur sehr bedingt zu ändern, aber Kompetenzen wie die Kommunikation mit den Schülern, die Strukturierung des Unterrichts oder der Umgang mit Medien seien erlernbar.

"Lehrer ist zum großen Teil auch ein Handwerksberuf", bestätigt Stephanie Reuver-Schell, Seminarleiterin für Grundschule im Bereich Kitzingen. Vieles lasse sich erlernen, die Grundlage für den Beruf aber nicht. "Es braucht den Willen, sich mit dem ganzen Herzen auf Kinder und Jugendliche einzulassen", sagt sie. Im Grundschulbereich ist der Bezug zur Lehrkraft sehr wichtig. Oft tun Schüler etwas für den Lehrer oder die Lehrerin.Je älter die Kinder, desto weniger wichtig ist nach ihrer Erfahrung der personale Bezug bei der Wissensvermittlung. Die Aufgabe des Lehrers wandelt sich aber ganz allgemein. "Lehrer werden mehr als Mentoren benötigt, sollten Vertrauen und Lebenserfahrung vermitteln."

Kann ein Test für angehende Lehrer diese Fähigkeiten abfragen? Eher nicht. Reuver-Schell würde ihn trotzdem verpflichtend einführen wollen. Aber nicht, um Lehramtsanwärter frühzeitig auszusortieren, sondern um rechtzeitig mögliche Schwerpunkte fürs Studium herauszufiltern.So könnten Kompetenzen früh geweckt und gestärkt werden. Die Seminarleiterin hat es immer wieder erlebt, dass Lehramtsanwärter erst dann über sich hinauswachsen, wenn sie das erste Mal eigenverantwortlich vor einer Klasse stehen und ihre Verantwortung für die jungen Menschen spüren.

Auch Britta Schmidt weiß von jungen Referendaren zu berichten, die im ersten Ausbildungsjahr sehr zurückhaltend und schüchtern agieren und dann plötzlich durchstarten. Die Aussage, dass 40 Prozent der Lehrer eigentlich ungeeignet sind, halten Schmidt und Reuver-Schell für nicht haltbar.

Ortwin Klau spricht von Einzelfällen. Er hat in seiner 43-jährigen Lehrerlaufbahn, darunter etliche Jahre als Beratungslehrer und Konrektor in Iphofen, ein paar Kollegen kennen gelernt, die für den Beruf nicht geeignet waren. "Denen hätte man bereits als werdende Lehrer sagen sollen, dass sie in diesem Beruf unglücklich werden." So gesehen kann ein Test durchaus sinnvoll sein - wenn er eingehend analysiert und besprochen wird. "Den jungen Menschen sollte man dann allerdings auch Alternativen unterbreiten", wünscht sich Ortwin Klau. Der heute 77-Jährige weiß schließlich, wie wichtig ein erfülltes Berufsleben ist. "Mir hat es eigentlich immer Spaß gemacht, Lehrer zu sein." Eine Aussage, die sicher nicht jeder Pädagoge nach 43 Jahren treffen kann.