Aus dem Gericht: Rechts überholen kann einem 50-Jährigen neben dem Führerschein auch den Job kosten.
Erst drängeln, dann rechts überholen und schließlich den Vordermann zum Abbremsen zwingen: An einem "normalen Alltag auf deutschen Autobahnen" hat sich im September 2018 ein 50-Jähriger auf der Autobahn 7 bei Martinsheim beteiligt. Er kassierte dafür einen Strafbefehl wegen Nötigung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs.
4250 Euro (50 Tagessätze zu 85 Euro) sollte er zahlen. Dazu kam der Führerscheinentzug für acht Monate. Dagegen legte der Mann Einspruch ein. Die Folge war eine Verhandlung vor dem Kitzinger Amtsgericht.
Angeklagter räumt Fehler ein
"Ich bin ein bisschen durch den Wind", sagte der Angeklagte. Ihm war anzusehen, dass ihn die Geschichte auch gesundheitlich mitgenommen hat. "Ich weiß auch nicht, was an dem Tag los war", sagte er. Den Vorwurf im Strafbefehl räumte er ein. Demnach war er mit einem Golf auf der A 7 unterwegs. Er war dicht und mehrmals nah auf einen Audi aufgefahren, um ihm zum Räumen der linken Spur zu drängen. Als der Fahrer nicht reagierte, nutzte er eine Lücke in der rechts fahrenden Lkw-Kolonne. Er überholte den Golf rechts, scherte wieder ein und zwang den Fahrer zum Abbremsen von rund 130 auf 90 Stundenkilometer. Ein riskantes Manöver, das sich der Audi-Fahrer, der ausgerechnet Polizeibeamter war, nicht gefallen ließ. Der Strafbefehl war die Folge – und der Einspruch.
Bei dem ging es nicht um den Sachverhalt selbst. "Das war ein Fehler", sagte der Angeklagte unumwunden. Es ging ihm um die Rechtsfolgen und, wie seine Anwältin sagte, um die "pure Existenz". "Wenn der Führerschein weg ist, bin ich meinen Job los", sagte er und verwies auf eine schriftliche Stellungnahme seines Arbeitgebers.
Strafe fällt milder aus als erwartet
Der Beschuldigte ist in der auf dem Rückzug befindlichen Kernkraftwerksbranche beschäftigt. Personalabbau sei an der Tagesordnung, sagte er. Der Mann ist als Nukleartechniker hochspezialisiert und europaweit mit dem Dienstwagen in Kernkraftwerken unterwegs. "Ohne Führerschein geht nichts", sagte er immer wieder. Auch für ein Ausweichen in einen anderen Job sieht er keine Chance: "Zu alt und zu speziell ausgebildet." Also blieb der Kampf um den Führerschein. "Er würde auch mehr Strafe zahlen, wenn ihm der Führerschein bleibt", bot seine Anwältin an.
Die Richterin stellte mit Blick auf die Tatbestände und die Forderung der Staatsanwaltschaft klar: "Ohne Führerscheinmaßnahme geht es nicht." Die fiel dann aber mit Blick auf die schwierigen Umstände moderater aus als im Strafbefehl. Am Ende bekam der Mann zwei Monate Fahrverbot und damit die Chance, diese Zeit zu überbrücken und so seinen Job zu behalten. Ob der Arbeitgeber dabei mitmachen wird, blieb ebenso offen wie die Frage, ob sich die Staatsanwaltschaft mit den zwei Monaten zufrieden geben wird. Dennoch: Im Sitzungssaal war am Ende die Existenzangst einem Hauch von Zuversicht gewichen.